Süddeutsche Zeitung

Fußgängerzone:Nachmittags gehen die Poller hoch

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Die Stadt Garching investiert 180 000 Euro in die Verkehrsberuhigung der Ortsmitte

Von Gudrun Passarge, Garching

Versenkbare Poller sollen die Einhaltung der beschlossenen Lieferzeiten in der Garchinger Ortsmitte sicherstellen. Das beschloss der Bauausschuss des Stadtrats am Dienstag nach längerer Diskussion über die Kosten gegen sechs Stimmen. Das günstigste Angebot liegt bei circa 180 000 Euro und damit deutlich über der von der Verwaltung zuletzt kalkulierten Summe von circa 100 000 Euro. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) warb dennoch eindringlich dafür, an den bereits vor zwei Jahren beschlossenen Pollern festzuhalten. Er sah die Stadt in einer "Bringschuld" und sagte: "Die Bürger würden es nicht nachvollziehen können, wenn wir es nicht umsetzen."

Mit den Pollern soll zu festgelegten Zeiten Ruhe einkehren in der Fußgängerzone. Sie sind das Ergebnis einer langen Diskussion, ausgelöst durch das Bürgerbegehren, das die Grünen zur Rettung des Helmut-Karl-Platzes initiiert hatten. Unter anderem wollten sie die Durchfahrt großer Laster über den Platz verhindern. Dafür hatten sie mehr als 2000 Unterschriften gesammelt. Der Stadtrat erklärte damals das Bürgerbegehren für unzulässig, beschloss danach aber ein Verkehrskonzept für die Plätze rund ums Rathaus. Demnach sollen die Poller am Hotel Ludwig, an der Telschowstraße neben dem Bürgerhaus und am Hoyacker Hof aufgestellt werden und nach 15 Uhr dafür sorgen, dass kein Lieferverkehr oder andere Autos mehr durchfahren. Am Hotel Ludwig sollen die Poller permanent oben bleiben und nur in Notfällen versenkt werden. Den Beschluss hat der Stadtrat zwar schon 2017 gefasst, bisher jedoch haben die Bauarbeiten am Bürgerhaus das Aufstellen der Poller verhindert.

Einige Stadträte zeigten sich geschockt wegen der hohen Kosten. Diese seien zum Teil auch dadurch bedingt, dass die Stadt erst im April die Ausschreibung auf den Weg gebracht habe, nachdem sie habe absehen können, wann die Bauarbeiten im Bürgerhaus beendet sein würden, wie Bauamtsleiter Klaus Zettl erläuterte. "Jetzt kommt die Wahrheit auf den Tisch", sagte Zweiter Bürgermeister Alfons Kraft (Bürger für Garching). Er habe schon damals gegen die Poller gestimmt und werde das jetzt auch tun. Die neuen Schilder, die ebenfalls aufgestellt werden sollen, reichen seiner Meinung nach aus. Kraft sprach von Verschwendung von Steuergeldern. Der Bürgermeister dagegen erinnerte daran, dass es einen Stadtratsbeschluss dazu gebe. Außerdem ignorierten manche Leute auch die Ruhezeiten einfach. "Das lässt sich nur unterbinden, wenn wir entsprechende Maßnahmen ergreifen", sagte Gruchmann.

Aber auch Dritter Bürgermeister Walter Kratzl (Grüne) befand, er könne auf die Poller verzichten, nur nicht auf die am Hotel Ludwig. Er forderte stattdessen eine entsprechende Verkehrsüberwachung in der Fußgängerzone. Die sei aber auch kostenintensiv, antwortete Gruchmann. Außerdem würden die Kontrolleure bestimmt blöd angeredet. Ihm sei es selbst so ergangen, als er Leute zur Rede gestellt habe, die am späten Abend mit dem Auto vor die Kreissparkasse gefahren seien, um dort ihre Kontoauszüge zu holen. "Die Anwohner haben ein Recht darauf, dass wir hier Nägel mit Köpfen machen", sagte Gruchmann.

Armin Scholz (Bürger für Garching) fühlte sich allerdings nicht mehr an den Stadtratsbeschluss gebunden, da die Stadträte seinerzeit von 60 000 Euro Kosten ausgegangen seien. "Das waren andere Vorzeichen." Das sah auch Salvatore Disanto (CSU) so: "Für mich ist der Stadtratsbeschluss hinfällig, in dem Moment, wo wir so eine Kostensteigerung haben."

Die Entscheidung für die Anschaffung der Poller fiel am Ende mit neun zu sechs Stimmen. Außer drei CSU-Stadträten stimmten auch die beiden Vertreter der Bürger für Garching und Walter Kratzl dagegen.

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SZ vom 07.06.2019
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