Fußballfreie Zonen im Landkreis:Nicht gucken!

Fußballfreie Zonen im Landkreis: Ruhe, bitte! Während andere EM schauen, gönnen sich Fußball-Muffel gerne mal eine Auszeit.

Ruhe, bitte! Während andere EM schauen, gönnen sich Fußball-Muffel gerne mal eine Auszeit.

Fußball-Muffel haben es gut: Sie sitzen allein in der Sauna und können ohne Anstehen einen neuen Pass beantragen.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Schon wieder Fußball? Ohne uns, dachten sich Anni und ihre Mutter. Gerade die Abiturprüfungen hinter sich gebracht, wollte die 19-Jährige aus Oberhaching einfach nur ausspannen am Strand. Und vor allem nichts mit kollektivem Torjubel, mit Diskussionen über Elfmeterschießen und Fahnen schwenkenden Mitmenschen zu tun haben. Also wählten sie Griechenland als Urlaubsziel. Denn bekanntlich spielen die Griechen nicht mit, und so hoffen die beiden Frauen auf eine einigermaßen fußballfreie Zone am Strand von Hellas. Blöd nur, dass der Urlaub gerade mal zwei Wochen dauert und nach ihrer Rückkehr noch immer kein Europameister feststeht. Doch auch der Landkreis München bietet während der fußballverrückten Tage Oasen der Ruhe, in denen Frankreich und die Männer in den kurzen Sporthosen für eine Weile ganz weit weg sind.

Vor allem kann man, wenn man es organisatorisch schlau anstellt, gerade die Zeitfenster nutzen, in denen im Nachbarland der Ball rollt, insbesondere dann, wenn die deutsche Mannschaft hinter ihm herläuft. Menschen, die keinerlei Interesse daran haben, wie an diesem Donnerstag von 21 Uhr an die deutsche Mannschaft gegen die polnische Elf spielt, denen es total egal ist, ob im 18-Uhr-Spiel am kommenden Dienstag im Pariser Parc de Princes Nordirland oder Deutschland gewinnt, haben an solchen Tagen im Juni und Juli gute Chancen, Dinge mal ganz bequem zu erledigen oder zu genießen, bei denen sonst lange Warteschlangen, begrenztes Sitzplatzangebot oder ausgebuchte Vorstellungen für Verdruss sorgen.

Phönixbad hält, was die Werbung verspricht

Wie wäre es zum Beispiel mit ein paar lockeren Bahnen im Unterhachinger Freibad? Sollte der Sommer doch noch kommen, ist hier um 18 Uhr normalerweise die Hölle los und man muss sich jeden Zentimeter des Beckens hart erkämpfen. Wenn aber alle Fußball schauen, kann man sich auch mal auf den Zehnmeterturm trauen und notfalls auch wieder heruntersteigen. Sieht ja keiner. Auch das Phönixbad in Ottobrunn wäre eine echte Alternative. Da könnte deren Werbeslogan "Treten Sie ein in eine Welt voller Ruhe und Entspannung, weit vom großen Trubel" durchaus mal realistisch sein. Vermutlich trifft man auf eine einsame Saunalandschaft, wie man sie nur aus dem Prospekt kennt. Orientalisches Rasul und türkischer Hamam ganz ohne Andrang. Auch die Mitarbeiterin im Grünwalder Freizeitpark verspricht eine fußballfreie Zone beim Saunieren. Schon während des Eröffnungsspiels sei für einen Freitag wenig los gewesen, bestätigt sie.

Dante-Bad, 2009

Endlich mal Platz im Schwimmbad.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn das Wetter mitspielt, kann man sicher auch ganz bequem an der Isar entlang radeln oder spazieren gehen, ohne von all den Feierabendbikern und Joggern dauernd ein "Vorsicht" oder "Achtung" ins Ohr gebrüllt zu bekommen. Selbst am Ickinger Stausee, den einem die vielen Besucher häufig vermiest hatten, könnten einem an einem EM-Abend höchstens die Mücken den Badespaß verderben.

Sauna im Hochsommer

Bei 90 Grad ganz alleine schwitzen. Mindestens 90 Minuten lang hält diese Ruhe an.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Kulturinteressierte könnten an Fußballtagen mit deutscher Beteiligung gute Karten haben. An Spielstätten, wo sonst monatelange Vorbestellungen notwendig sind, ist durchaus noch etwas zu haben. In den Kinos des Landkreises wird man vermutlich mit Handschlag begrüßt und kann sich während des Films ab und zu mal umsetzen. Ottobrunn lockt während der Partie Deutschland gegen Polen mit dem Streifen "Nur Fliegen ist schöner", einer Komödie über einem Mann, der das Kajakfahren für sich entdeckt. In Haar kann man sich "Warcraft - The Beginning" in 3D geben oder im Autokino Aschheim in der ersten Reihe George Clooney und Julia Roberts ("Money Monster") zuschauen statt Neuer und Schweinsteiger.

Nils Bosley im Maxx Kino, 2006

Nils Bosley im Maxx Kino, 2006 Theaterleiter Nils Bosley im leeren Maxx Kino während der Fußball-WM 2006.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Landkreis hält allerdings ein noch ganz anderes, vielleicht etwas spezielles Alternativ-Programm zum Kick in Frankreich parat, für Leute, denen wirklich alles lieber ist als Fußball. In Neubiberg etwa ist am Donnerstag der Herausgeber der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, bei der Bundeswehr-Universität zu Besuch und unterhält sich mit Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk über Medien.

Über Faxsysteme und Heckenüberhänge diskutieren

In Garching versucht unterdessen die CSU mit den Bürgern in einen Dialog über Flüchtlinge zu treten, während in Aschheim der Gemeinderat über die Ansiedelung eines Schlachthofs diskutiert und anschließend noch über ein Drehleiterfahrzeug der Feuerwehr entscheidet. Die Kollegen aus Hohenbrunn müssen sich mit der Vergabe von Kopier-, Druck- und Faxsystemen für Dienststellen der Gemeinde auseinandersetzen. Am Dienstag böte sich statt Fußball der Verwaltungsausschuss in Grünwald an, der über "Heckenüberhänge" reden will.

Aldi Süd stellt 'Filiale der Zukunft' vor

Freie Bahn auch beim Einkaufen.

(Foto: dpa)

Leider hat die Kfz-Zulassungsstelle in Grasbrunn zu dieser Uhrzeit schon zu. Aber das Rathaus in Unterschleißheim bietet dienstags lange Öffnungszeiten. Ist der Reisepass eigentlich noch gültig? Vielleicht geht man auch einfach einkaufen und freut sich über leere Gänge und entspannte Kassiererinnen. Keine Sorge: Auf dem Flachbildschirm an den Kassen der modernen Aldi-Filiale in Unterhaching laufen keine Fußballspiele, nur die Angebote der Woche. Griechische Köstlichkeiten etwa.

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