Fußball-Europameisterschaft in München:Anfeuern auf Gälisch

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Mannschaftsfoto mit dem „König von Giesing“: Am Freundschaftsspiel des Alba FC gegen die Löwen nahm auch der ehemalige 1860-Trainer Carsten Wettberg (Mitte) teil. (Foto: privat)

Unter den vielen schottischen Fans, die ihre Mannschaft zur EM begleitet haben, sind auch 28 aktive Fußballer des Alba FC. Die haben sich der Förderung der alten Sprache verschrieben, aber sie schlagen sich auch wacker beim Feiern in Oberhaching und auf dem Rasen gegen eine Auswahl des TSV 1860 München.

Von Michael Morosow, Oberhaching

Die Schottenrock-Dichte in München wird an diesem Freitag einen Höchststand erreichen. Dafür werden Tausende Fans aus dem ehemaligen Königreich Schottland sorgen, wenn sie am Abend in der Hauptstadt des ehemaligen Königreiches Bayern ihre Fußballmannschaft im EM-Eröffnungsspiel gegen die deutsche Auswahl anfeuern. Darunter 28 aktive Fußballspieler, die dem Spiel schon seit einer Woche als Gäste in der Sportschule Oberhaching entgegenfiebern und die Zeit bis zum Anpfiff dazu nutzten, selbst gegen den Ball zu treten und sich im Bayernland bei einem Stadtbummel ein wenig umzusehen.

Etwa im Hofbräuhaus München, wo es am Dienstagabend denn auch ein reizvolles Aufeinandertreffen von Kilts und Dirndln gab und, wie sollte es anders sein, die Frage aller Fragen bis zum letzten Schluck im Raum stand und stets verneint wurde. „Nothing“ trügen sie unter ihrem Rock, behaupteten die Schotten, lehnten es freilich aus sittlichen Gründen ab, einen sichtbaren Beweis dafür zu liefern.

Die Gäste aus den Highlands sind dabei nicht gewöhnliche Fußballfans. Sie wollen die Sprache ihrer Urväter, das Gälische, vor dem Vergessen bewahren und dieses Ansinnen war zugleich der Zweck der Gründung des Vereins Alba FA vor 20 Jahren, in dem sich Fußballspieler aus allen Regionen des Landes zusammengetan haben. 

Schon allein die Tatsache, dass auch im Freistaat seit Jahrzehnten ein Kampf um den Erhalt der bayerischen Sprache geführt wird, verbindet die beiden Bergvölker, denen beiden eine gewisse Sturheit nachgesagt wird und auch das immer wieder aufkeimende Pochen auf mehr Selbständigkeit gegenüber den Regierungen in London und Berlin. „Schotten und Bayern das geht grundsätzlich gut“, sagt auch Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) und erinnert daran, dass Schotten und Bayern schon zur Römerzeit verbunden waren. Für ihn sei es ein Glücksfall gewesen, dass die schottische Fußballmannschaft ihr Quartier in der Oberhachinger Sportschule bezog und somit für die Teilnahme am Gaudi-Zehnkampf am vergangenen Sonntag im Festzelt im Rahmen der 1275-Jahr-Feier der Gemeinde gewonnen werden konnte. „Das war das i-Tüpfelchen“, sagt Schelle. 

Trikot zum Schottenrock: Mitglieder des Alba FC in der Sportschule Oberhaching. (Foto: Claus Schunk)

Betreut und angeführt werden die Kicker von Ben McFadyean, der bekennender Dortmund-Fan ist und vor Jahren in London einen BVB-Fanclub gegründet hat. Verantwortlich dafür sei sein Stiefvater, erklärt der 44-Jährige, ein Dortmunder. Es gibt wohl selbst in Deutschland nur wenige Experten, die über den deutschen Fußball ähnlich gut informiert sind wie der Schotte. McFadyean ist Sportjournalist und schreibt für englische Blätter ausschließlich über die Bundesliga. Derzeit arbeitet er an seiner Doktorarbeit über den deutschen Fußball. So fällt es ihm auch leicht, einen Bogen von Dortmund nach Bayern zu spannen und führt dabei unter anderem Timo Konietzka an, der sowohl für Westfalen als auch die Münchner Löwen auf Torejagd gegangen war und im Trikot der Sechziger auch das erste Bundesligator erzielte.

Ben McFadyean (links) ist Sportjournalist, Dortmund-Fan und promoviert über den deutschen Fußball. Das Bild zeigt ihn mit TSV-1860-Präsident Robert Reisinger am Rande des Freundschaftsspiels des Alba FC gegen eine Löwen-Auswahl. (Foto: privat)

Abgesehen vom Länderspiel am Freitag war der sportliche Höhepunkt ihres Aufenthalts in Bayern das Freundschaftsspiel am Mittwochabend auf dem Trainingsgelände des TSV 1860 München, das vor 150 Zuschauern mit einem 4:4 endete. Mit 4:2 hatten die Schotten geführt, ehe die Münchner drei Kicker aus ihrer zweiten Mannschaft einwechselten und noch zum Ausgleich kamen. Das schottische Team ist nicht gleichmäßig gut besetzt, zwei Spieler aus der schottischen ersten Liga und ein kanadischer U20-Spieler halten das Niveau hoch, der Rest spielt in unteren Ligen. Aber im Gälischen sind sie gleich gut.

Höchst sympathisch findet es McFadyean, dass die Münchner auch einige ihrer alten Stars einsetzten, so etwa die Löwen-Ikone Bubi Bründl, der mit 77 Jahren noch gegen den Ball tritt, oder Carsten Wettberg, der „König von Giesing“, der als Trainer die Münchner 1991 in die Zweite Bundesliga führte. „Sie wollten uns eine Freude machen, wir alle sind sehr glücklich darüber“, sagt der Sportjournalist. Nach dem Duschen seien sie im nahen Tennisklub zu einem „wunderbaren Essen“ eingeladen worden, er selbst sei vom Zwiebelrostbraten begeistert gewesen.

Vor dem Eröffnungsspiel der EM steht noch ein eigenes Match an

Dass auch „Bierchen und Schnaps“ gereicht wurden und einige seiner Fußballfreunde danach noch ins Münchner Nachtleben eingetaucht sind, hat laut dem Teambetreuer dazu geführt, dass sich am Morgen danach einige hätten ausruhen müssen, während die Fitten zum Schliersee aufbrachen und dort eine bayerische Whisky-Destillerie besucht hätten.

Am Freitag um 11 Uhr werden sie selbst noch gegen eine bayerische Auswahl antreten, ehe sie am Abend auf der Tribüne in der Fröttmaninger Arena ihrem Nationalteam die Daumen drücken und ihren Schlachtruf „No Scotland no Party“ skandieren. Ben McFadyean tippt auf ein 1:1 und darauf, dass die deutsche Elf sehr weit kommen wird in diesem Turnier. Und die Schotten? Die ziehen als Dritte ins Achtelfinale ein, sagt er voraus. „Wir wären glücklich, etwas länger hier sein zu dürfen“, sagt der angehende Fußball-Doktor. Vielleicht hilft es dem Gastteam dabei, die Angriffe der Deutschen zu überstehen, wenn es den alten schottischen Wahlspruch beherzigt: „In my defens God me defend“ – in meiner Verteidigung möge mich Gott beschützen.

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