Süddeutsche Zeitung

Gewaltausbruch beim Jugendturnier:Tatort Fußballplatz

Nach dem Ausraster eines Vaters auf der Anlage des SV Heimstetten vor einer Woche stellt sich die Frage nach den Ursachen solcher Übergriffe - und nach den Konsequenzen.

Von Stefan Galler, Kirchheim/Unterhaching

Ein Mann rennt während eines Junioren-Fußballspiels auf den Platz, will den Schiedsrichter attackieren, weitere Zuschauer springen dem Unparteiischen zur Seite. Es kommt zu einem wilden Handgemenge, am Ende sind die beiden Unterstützer verletzt, der Angreifer wird in Handschellen abgeführt, das Turnier abgebrochen. Und der noch junge Referee nimmt das Trauma des Übergriffs mit in seine weitere Karriere.

Am vergangenen Wochenende ist es im Sportpark Heimstetten genau zu so einem Vorfall gekommen: Im Laufe eines U-12-Juniorenfußballturniers brannten dem 49 Jahre alten Vater eines der einheimischen Spieler nach einer umstrittenen Elfmeterentscheidung des Schiedsrichters die Sicherungen durch: Er begann, den 17-jährigen Unparteiischen zu schubsen, bevor diesem zwei andere Zuschauer zu Hilfe eilten. Doch der Angreifer ließ nicht locker, biss einen in den Unterarm, der andere wich einem Schlag aus, fiel zu Boden und verletzte sich am Kopf.

Die verständigte Polizei setzte dem Spuk ein Ende, der 49-Jährige wurde in Gewahrsam genommen, das Turnier konnte nicht fortgesetzt werden, alleine schon, weil der junge Schiedsrichter, Sohn des Heimstettner Klubpräsidenten Magnus Harlander, mit den Nerven völlig am Ende war. "Ich habe so etwas noch nie erlebt", sagt Michael Matejka, der Fußball-Abteilungsleiter des SV Heimstetten. Er habe früher selbst für den Bayerischen Fußball-Verband auf verschiedenen Fußballplätzen in der Region inkognito das Benehmen von Eltern bei Jugendspielen beobachtet. "Da ist nie etwas Gravierendes passiert", sagt Matejka. Auch wenn es bisweilen etwas lauter werde, seien die meisten Pöbeleien im Rahmen des Erträglichen. Diese Grenze wurde am vergangenen Samstag deutlich überschritten.

Laut Matejka randalierte der 49-Jährige im Polizeiauto weiter, gegen ihn wurde Anzeige unter anderem wegen Beleidigung und Körperverletzung erstattet. Vom Verein bekommt der gewalttätige Vater ein dauerhaftes Hausverbot. "Die Erfahrung zeigt, dass sich in solchen Fällen der Spieler, der gar nichts dafür kann, sowieso abmeldet", sagt Heimstettens Spartenchef Matejka.

Doch warum kommt es bei Jugendspielen immer wieder zu massiven verbalen oder sogar gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Beteiligung der Eltern? Einerseits betrachten Menschen den Fußballplatz offenbar als rechtsfreien Raum, dazu geben viele ihrem Beschützerinstinkt nach und werfen sich für ihre vermeintlich benachteiligten Kinder in die Bresche. Manche aber sehen im Söhnchen schon den neuen Messi und meinen, auf diese unpassende Weise die womöglich lukrative Profikarriere des Filius forcieren zu können. Trotz allem ist Matejka nicht der Meinung, man müsse Schutzmaßnahmen gegen aggressive Eltern ergreifen. "Wenn ich beim Jugendfußball Zäune aufstellen muss, kann ich es gleich bleiben lassen", sagt er.

Schiedsrichter schützen = Eltern aussperren?

Genau das hat man bereits vor den pandemiebedingten Beschränkungen auf der Anlage des TSV Haar getan. Dort durften Eltern grundsätzlich nicht auf jene umzäunten Spielfelder, auf denen Nachwuchspartien stattfinden. Damit schütze man die Schiedsrichter, hieß es aus dem TSV. Andererseits dürfte es Eltern zusätzlich frustrieren, wenn sie hinter einem Zaun stehen müssen.

Auch beim bislang höchstklassigen Verein im Landkreis München, der SpVgg Unterhaching, sind eskalierende Eltern die Ausnahme. Präsident Manfred Schwabl erinnert sich aber an einen Vorfall im Winter 2019/20, ehe Corona auch den Jugendfußball lahmlegte. Damals sei die Unterhachinger U 14 bei einem Turnier in Salzburg gewesen. "Ein Vater eines unserer Buben hat die gegnerischen Spieler und den Schiedsrichter unflätig beleidigt."

Das habe der Klubchef eher zufällig mitbekommen, seine Reaktion sei deutlich ausgefallen: "Ich habe den Spieler für acht Wochen aus dem Spielbetrieb genommen, man kann sich vorstellen, wie friedlich bei denen daheim das Weihnachtsfest ausgefallen ist", sagt Schwabl, der diese drakonische Strafe dann auch in den Whatsapp-Gruppen aller Jahrgänge des Nachwuchsleistungszentrums lancierte, um Nachahmer abzuschrecken.

"Wir legen in Haching größten Wert auf Respekt, und wer sich daran nicht hält, muss die Konsequenzen spüren", betont Schwabl. In diesem Fall habe es eben den Buben getroffen, der die Undiszipliniertheit seines Vaters ausbaden musste.

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SZ vom 26.06.2021/infu
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