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Führerscheinumtausch:Junge Gesichter auf alten Lappen

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Die in die Jahre gekommenen Führerscheine müssen bald ausgewechselt werden. Während sich das Landratsamt gut darauf vorbereitet sieht, erfasst viele Betroffene Wehmut. Die SZ hat sich einige Dokumente zeigen lassen - es ist ein Blick zurück in vergangene Zeiten.

Von Iris Hilberth, Landkreis

Vor der Fahrt in den Urlaublaub taucht die Frage häufig auf: Gilt mein alter Führerschein im Ausland überhaupt noch? Dieser graue Lappen mit dem Jugendfoto oder der einst rosafarbene Ausweis, der schon dreimal aus Versehen in der Waschmaschine den Schleudergang einigermaßen überstanden hat? Sollte man den nicht mal gegen einen neuen im Kartenformat eintauschen?

Entgegen Gerüchten, in Österreich oder Italien könnte man damit Probleme bekommen, diese Länder würden die alten Fahrerlaubnisse aus Deutschland nicht anerkennen, macht das Landratsamt München klar: Die Mitgliedsstaaten der EU haben sich verpflichtet, alle jeweils national gültigen Führerscheindokumente auch untereinander anzuerkennen. "Es handelt sich um Falschmeldungen", so das Landratsamt. Probleme gebe es nur, wenn bei alten Führerscheinen deren "verheerender " Zustand es nicht mehr zuließe, Personalien abzulesen. Ein altes Bild sei kein Grund zur Beanstandung. Allerdings muss man mit Personalausweis oder Reisepass nachweisen, dass man derselbe ist, der einem da so jugendlich, mit Bart und dafür ohne Brille aus dem Dokument entgegen grinst. Kann man aber auf dem Bild gar nichts mehr erkennen oder fehlt es gar ganz, weil der Lappen in all den Jahrzehnten eine Menge mitgemacht hat, kann das durchaus schon mal zu Beanstandungen führen.

Demnächst allerdings läuft die Gültigkeit der alten Fahrerlaubnisse auch hierzulande ab. Spätestens bis zum 19. Januar 2033 sollten alle in EU-Kartenführerscheine umgetauscht werden. Wie viele das im Landkreis insgesamt sind, kann das Landratsamt nicht genau sagen. Hierüber seien leider keine gesicherten Datensätze vorhanden, da keine landkreisbezogene beziehungsweise örtliche Registrierungspflicht vorhanden sei, heißt es aus der Behörde. Deutschlandweit gehe man von etwa 43 Millionen "Altführerscheinen" aus, also sowohl die grauen und rosa Papierdokumente als auch die unbefristeten Scheckkartenführerscheine.

Otto Bußjäger

Der stellvertretende Landrat Otto Bußjäger hatte bereits 1986 eine Fahrerlaubnis. Da war der 1971 geborene Grasbrunner gerade mal 15 Jahre alt. Führerscheinklasse 5 hieß das damals und erlaubt das Führen landwirtschaftlicher Maschinen samt Anhänger bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern. Mit land- und forstwirtschaftlichen Zugmaschinen kann man hingegen eine Höchstgeschwindigkeit von 32 Stundenkilometer fahren. Krankenfahrstühle darf man mit dieser Erlaubnis auch fahren. Diesen grauen Führerschein musste er dann abgeben, als er 1989 mit 18 Jahren die Fahrprüfung für das Auto ablegte. Da gab es schon die rosafarbenen Führerscheine, allerdings mit einer Probezeit. HILB

Günter Heyland

Gültig ist Günter Heylands alter Führerschein zwar schon längst nicht mehr. Aufgehoben hat der Bürgermeister von Neubiberg die alte graue Fahrerlaubnis, die ihn berechtigt ein Kraftfahrzeug mit Antrieb durch Verbrennungsmaschine der Klasse drei und vier zu führen, ausgestellt im Jahr 1979 vom Landratsamt München, dennoch. "Er existiert tatsächlich noch, wegen des Fotos", teilt er mit, und fügt vielversprechend hinzu: "Lassen Sie sich überraschen!" Das Bild ist in den Jahren zwar etwas vergilbt, aber man erkennt immerhin noch deutlich: Der Kommunalpolitiker von den Freien Wählern aus Neubiberg hatte vor 40 Jahren eine andere Frisur. Oder wie er selbst sagt: "Ja, ich hatte auch schon mal mehr Haare!" HILB

Evi Karbaumer

Genau an diesem Mittwoch vor 39 Jahren hat Evi Karbaumer ihren Führerschein erhalten. An die praktische Fahrprüfung erinnert sich die Unterhachinger Gemeinderätin (Grüne) sehr gut, denn beim ersten Versuch ist sie durchgefallen. "Ich bin auf einen Zebrastreifen zugefahren und ein Mann ist parallel zu mir gegangen", erzählt sie. Es hatte den Anschein, dass er geradeaus weiter läuft, doch dann "hat er doch noch einen Schlenker gemacht". Karbaumer bremste zu spät, und die Prüfung war vorüber. "Ich dachte, die Welt geht unter", erinnert sie sich. Bei der Wiederholung ist dann alles glatt gelaufen. Zwei Jahre später machte Karbaumer sogar noch den Motorradführerschein, auf den sie damals "unglaublich stolz" war. AMS

Annette Ganssmüller

Längst hat Annette Ganssmüller einen Doppelnamen, mit ihrem gültigen Führerschein allerdings ist sie seit 1979 ohne das "Anhängsel" Maluche unterwegs. Die stellvertretende Landrätin von der SPD aus Ismaning liebt ihren grauen Lappen, wie sie eindringlich versichert. Ausgestellt wurde er einst von der Stadt Aschaffenburg. Wenn Annette Ganssmüller-Maluche also demnächst ihren alten Führerschein gegen den neuen EU-Kartenführerschein umtauschen will, braucht sie eine "Karteikartenabschrift" aus Unterfranken. Gerne trennt sie sich nicht von dem alten Dokument. "Wehe, jemand will den durchschneiden oder lochen", sagt sie scherzhaft und verrät: "Ich habe ihn fast schon mal verloren." HILB

Susanna Tausendfreund

Die Bürgermeisterin von Pullach ist längst mit einem Führerschein im Checkkartenformat unterwegs. Aufgehoben hat Susanna Tausendfreund die alte Fahrerlaubnis dennoch. "Er ist aber entwertet", teilt sie mit. Derzeit weilt sie in Frankreich, und da hat sie das alte Dokument nicht dabei. Aber ihre Mitarbeiterinnen im Rathaus haben noch eine Kopie des Führerscheins aus dem Jahr 1982. Tausendfreund berichtet: "Ich musste ihn eintauschen, damit ich den internationalen Führerschein beantragen konnte, ohne den ich den Krankenwagen nicht in die Ukraine hätte fahren dürfen." Pullach ist mit der Gemeinde Baryschiwka befreundet und spendete den Ukrainern vor fünf Jahren das Fahrzeug. HILB

Christoph Göbel

Das muss der Landrat dann doch energisch klarstellen: "Für den grauen Lappen bin ich noch zu jung", sagt Christoph Göbel, als er nach seinem Führerschein gefragt wird. Und zückt sogleich das rosafarbene Exemplar, ausgestellt am 22. Dezember 1992, also exakt drei Tage nach seinem 18. Geburtstag. Die Prüfung hat er allerdings schon gut zwei Wochen vorher abgelegt, am 4. Dezember. Der rothaarige Jüngling besuchte damals die Fahrschule Helmut Scheurer in seiner Heimatgemeinde Gräfelfing. In seiner Funktion als Landrat sitzt der CSU-Politiker übrigens nicht selbst am Steuer, Göbel hat einen Chauffeur und nutzt die dienstlichen Fahrten, um Telefonate zu erledigen oder Termine vorzubereiten. STGA

Damit es bei dem Umtausch nicht zu einem Ansturm auf die Zulassungsstellen kommt, weil alle gleichzeitig den neuen Führerschein beantragen wollen, gibt es einen Stufenplan. Für alle Personen, deren Fahrerlaubnis bis zum 31. Dezember 1998 ausgestellt wurde, ist das Geburtsjahr des Inhabers ausschlaggebend. Wer vor 1953 geboren wurde, muss seinen Führerschein erst bis zum Jahr 2033 umtauschen. Die Jahrgänge 1953 bis 1958 hingegen haben nur eine Frist bis 19. Januar 2022. Wer zwischen 1959 und 1964 geboren wurde, muss bis 2023 den Umtausch erledigen. Die Jahrgänge 1965 bis 1970 sind bis 2024 an der Reihe. Noch ein Jahr länger Zeit haben Fahrer der Jahrgänge 1971 und jünger. Anschließend sind die Besitzer der alten Führerscheine Scheckkartenformat dran, die zwischen 1999 und 2013 ausgestellt wurden. Sie sind bis 2028 zum Behördengang aufgefordert. Dann laufen die danach ausgegeben Fahrerlaubnisse auch schon wieder ab, da diese nur noch 15 Jahre gelten.

Die Reihenfolge soll eingehalten werden

Das Landratsamt bittet eindringlich darum, sich an diese Reihenfolge zu halten. Zunächst sollen also nur die Jahrgänge 1953 bis 1958 kommen, so das Landratsamt, "alle anderen sollten momentan bitte noch abwarten". Auch empfiehlt die Behörde, den Führerscheintausch online durchzuführen. Das Onlineverfahren findet man bei auf der Internetseite des Landkreises ( www.landkreis-muenchen.de/online-services). Der neue Führerschein wird dann zugeschickt, der alte Führerschein kann entwertet behalten werden. Für die Antragstellung braucht man neben dem Personalausweis und alten Papierführerschein ein aktuelles biometrisches Lichtbild. Sollte der alte Lappen nicht vom Landratsamt München ausgestellt worden sein, benötigt man zudem eine aktuelle "Karteikartenabschrift", die man bei der zuletzt ausstellenden Behörde erhält. Für die Online-Beantragung und den Direktversand zahlt man 29,25 Euro; Antragstellung und Abholung in der Führerscheinstelle in Neukeferloh kosten 24 Euro. In der Regel dauert die günstigere Variante etwas länger, nämlich sechs bis acht Wochen. Nutzt man den Online-Service, sollte man den neuen Führerschein nach vier Wochen im Briefkasten vorfinden.

Erheblicher Mehraufwand für die Behörde

Innerhalb einer Woche erhalten Antragsteller eine Ausnahmegenehmigung, die in der Zeit bis zum Eintreffen des neuen Führerscheins im Inland genutzt werden kann. Nur, wenn zum Beispiel ein Auslandsaufenthalt unmittelbar bevorsteht oder ein anderer dringlicher Grund vorliegt, für den noch schnell ein Originalführerschein benötigt wird, muss der Antragsteller persönlich erscheinen. Eine Expressbearbeitung ist dann laut Landratsamt gegen Aufpreis möglich.

Für die Behörde bedeutet die gesamte Umtauschaktion einen erheblichen Mehraufwand. "Mit dem bestehenden Personal kann diese Aufgabe nicht bewältigt werden", teilt Franziska Herr, Mitarbeiterin der Pressestelle, mit, "aufgrund der Menge an zusätzlichen Anträgen wird es Personalmehrungen geben müssen". Hier liefen allerdings bereits seit langem die Vorbereitungen. Beruhigend findet man in der Behörde auch, dass die Führerscheinstelle des Landratsamts München sich "als eine der ersten und wenigen Kreisbehörden" frühzeitig auf den Pflichtumtausch eingestellt habe. Geschehen sei dies unter anderem durch geeignete Onlineverfahren, digitale Schnittstellen, Direktversand von Führerscheinen und Cloud-basiertem Datenaustausch mit anderen Fahrerlaubnisbehörden.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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