Landkreis München:Ottobrunn hat die weiblichste Feuerwehr in ganz Deutschland

Landkreis München: Spitze: Mit 44 Frauen hat die Wehr in Ottobrunn den bundesweit höchsten Anteil an weiblichen Kräften.

Spitze: Mit 44 Frauen hat die Wehr in Ottobrunn den bundesweit höchsten Anteil an weiblichen Kräften.

(Foto: Claus Schunk)

Mehr als ein Fünftel der Einsatzkräfte sind Frauen. Sogar ganze Familien tun ihren Dienst.

Von Angela Boschert, Ottobrunn

Die Feuerwehren im Münchner Südosten sind seit Ende März 2017 durch zahlreiche Waldbrände stark gefordert. Gut, wenn sie eine große Truppe haben. Und besser noch, wenn diese aus Frauen und Männern besteht. Bei der Freiwilligen Feuerwehr Ottobrunn ist dies Alltag.

Sie erhielt kürzlich das Siegel "Frauenpower" für den höchsten Anteil an Frauen in einer Feuerwehr in der Bundesrepublik.

Die Fachzeitschrift "Feuerwehr-Magazin" hatte im Herbst vergangenen Jahres bei allen deutschen Feuerwehren den Frauenanteil zum Stichtag 31. Dezember erfragt. 44 weibliche Mitglieder bei 197 aktiven Feuerwehrleuten gesamt, meldete Ottobrunn und erreichte mit diesen 21,6 Prozent Frauenanteil Platz eins unter den 200 Wehren, die antworteten. In Oberbayern sind 6,6 Prozent und in ganz Bayern 8,4 Prozent aller Feuerwehrleute Frauen (Stand 1. Januar 2017).

Den höchsten Frauenanteil in der Wehr zu haben, das macht nicht nur Kommandant Eduard Klas stolz, sondern auch Saskia Friedl, die Ansprechpartnerin für Frauen bei der Feuerwehr Ottobrunn ist. "Wir Frauen wollen integriert sein in die Mannschaft. Wir denken, es ist ein stärkeres Zeichen, gemeinsam mit den Männern zu agieren anstatt viel Aufheben um unser Frausein zu machen", sagt sie. Warum auch? Seit 1995 gehören in Ottobrunn Frauen zur Mannschaft. Die erste war Melanie Plitz, die direkt bei den Erwachsenen anfing. Nie habe sie Nachteile empfunden, weil sie eine Frau ist, sagt Plitz rückblickend.

Ihr Mann war schon bei der Feuerwehr, inzwischen sind es auch ihre Töchter. Und "wenn der Piepser runtergeht, also ein Einsatzalarm kommt, verlassen gleich drei Leute das Haus", sagt sie. Sobald die jüngste Tochter das Jugendfeuerwehr-Alter überschritten hat, wird auch sie los eilen, wenn es wirklich brennt - da ist sich Plitz sicher.

Geht es zu einem Einsatz, "ist die Uhrzeit völlig egal, wenn wir helfen können", sagt Frauenbeauftragte Saskia Friedl. "Im Einsatz findet dann jede und jeder seine Rolle." Ohne Vorbehalte. Zumal Frauen bis auf die Strahlenschutzausbildung laut Feuerwehrverordnung sämtliche Ausbildungen absolvieren und somit die gleichen Aufgaben übernehmen können wie die Männer. Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn sich der Atemschutzträger als Frau entpuppt oder aus dem Funkgerät eine Frauenstimme ertönt.

"Wir haben noch keinerlei frauenfeindliche Anmache erlebt"

Saskia Friedl, die bereits ABC-Kraft und First-Responderin ist, macht gerade den Lastwagen-Führerschein und überlegt, vielleicht noch die Maschinisten-Ausbildung zu absolvieren. Dann würde auch sie Feuerwehrfahrzeuge zur Einsatzstelle fahren, dort Hebekissen, Schere und Spreizer, Pumpen, Lüfter, Rettungszylinder, Beton- und Säbelsäge bedienen oder schlicht den Wasserschlauch des Tanklöschfahrzeugs aufdrehen.

Alles Aufgaben, die man eher den Männern zutraut. Doch die Ottobrunner Feuerwehrfrauen zeigen, dass es auch anders geht. "Wir haben noch keinerlei frauenfeindliche Anmache erlebt", sagt Friedl und betont, dass die Frauen mit den Männern üben und beide daran Spaß haben, sich Herausforderungen zu stellen: "Eine Atemschutzübung hat etwas von Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Wir robben uns durch verschieden angelegte Kriechtunnel voran oder müssen als Angriffstrupp aktiv den Brandherd bekämpfen, um im Einsatz erfolgreich Menschen retten oder vor Schaden bewahren zu können", berichtet sie und benennt einen günstigen Ernstfall: "Wenn wir nicht unter Zeitdruck stehen und uns in Ruhe überlegen können, wo wir das Auto aufschneiden, um die verletzte Person schonend zu befreien, ist das toll."

Allenfalls für die Angehörigenbetreuung "haben Frauen von Natur aus ein besseres Feeling", findet Friedl und sagt, dass die Ottobrunner Feuerwehr schon manchmal den Angriffs-, Lösch- oder Schneidetrupp strategisch besetzt, um zu vermeiden, dass beispielsweise zartere Feuerwehrleute - hier sind auch Männer gemeint - besonders schwere Menschen unter Atemschutz über Treppen aus einem Haus retten müssen. Es geht es um schnellstmögliche Hilfe, nicht primär darum, wer von den 197 aktiven Feuerwehrkräften in Ottobrunn sie leistet.

Ob Notfall oder Vorsorge, mehr als 321 000 aktive Feuerwehrfrauen und -männer investieren in Bayern dafür ihre Freizeit und freuen sich über Dank. Aber sie müssen sich immer öfter über Gaffer ärgern. Friedl erinnert sich an welche, "die dann noch vom Balkon gegenüber mit dem Kind auf dem Arm rüber starrten, als wir jemanden aus seiner Wohnung holten". Dennoch gibt sie ihre Feuerwehr-Begeisterung gerne an den Nachwuchs weiter. "Denn es macht Spaß, den 14- bis 16-jährigen Jugendlichen, aktuell zwölf Mädchen und 24 Jungen, etwas beizubringen und zu sehen, was sich in den zwei Jahren Ausbildung bei ihnen entwickelt hat".

Ihnen allen vermittelt Friedl auch, "dass es völlig in Ordnung, ist, wenn jemand mal etwas nicht machen möchte". So hat es Friedl selbst, als sie 2006 zur Feuerwehr kam, gelernt. Damals undenkbar, klettert sie inzwischen im Einsatz trotz ihrer Höhenangst die Zwölf-Meter-Leiter flink hoch. Denn: "Ich habe viel an Selbstvertrauen bei der Feuerwehr gewonnen; man wird schlagfertiger." Als Mann und als Frau.

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