Frauenquote:Leistung und Leidenschaft

Die Diskussion erregt die Gemüter: Braucht Deutschland eine Frauenquote? Münchner Frauen in Führungspositionen erzählen, wie sie ohne Quote nach oben gekommen sind.

M. Tibudd, J. Wetzel und S. Wimmer

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Frauenquote:Sonja Wiesner, 43, Partnerin bei Deloitte

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Quelle: Robert Haas

Ein Ziel hatte Sonja Wiesner viele Jahre lang vor Augen: "Mit 40 will ich in einer Führungsposition sein." Klar war also, dass sich die Diplom-Kauffrau bei der Beratungsgesellschaft Deloitte nicht lange mit ihrem Einstiegsjob begnügen würde, und so schuftete sie sich nach oben.

Im internationalen Beratungsgeschäft bedeutet das: viele Stunden im Büro. Morgens um acht Uhr erste Telefonate mit Kunden in Asien, gerne mal abends um 23 Uhr die letzten mit US-Amerikanern.

Der Einsatz lohnte sich: Alle drei Jahre rückte Wiesner eine Karrierestufe weiter, ehe sie als Steuerberaterin zur Partnerin aufstieg. Sechs Beschäftigte arbeiten ihr seit drei Jahren zu, ihre Abteilung berät ein breites Spektrum vom kleinen Mittelständler bis zum Großkonzern in Steuerfragen.

"Es ist schon so ein Gefühl da, dass es schwerer sein könnte, als Frau nach oben zu kommen", sagt die 43-Jährige. "Aber das muss nicht objektiv so sein." Eine Quotenregelung hält sie zumindest bei Deloitte nicht für sinnvoll. "Aber ein Unternehmen muss ein Umfeld schaffen, dass Frauen aufsteigen können" - eine breite Akzeptanz von Heimarbeit etwa oder die Einrichtung eines Betriebskindergartens.

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Frauenquote:Bettina Nickel, 40, stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros Bayern

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Quelle: oh

Lange Zeit hätte sich Bettina Nickel nicht träumen lassen, dass ihr Geschlecht von Nachteil sein könnte. Ob es richtig ist, dass sie studiert? Das stand in ihrer Familie nie zur Debatte. Auch als Jurastudentin in Passau war sie überzeugt, dass Frauen nicht benachteiligt sind. "Damals habe ich gedacht, mir steht alles offen", sagt sie. Doch je tiefer sie ins Berufsleben einstieg, desto mehr fiel ihr der Unterschied auf.

Häufig, erzählt sie, kam sie bei Bewerbungen zwar in die Endauswahl, zog aber gegen einen Mann den Kürzeren - obwohl sie wusste, dass sie die besseren Noten hatte. "Manche haben mir ins Gesicht gesagt: Sie sind eben im gebärfähigen Alter."

Bettina Nickel arbeitete acht Jahre lang als Anwältin, vor fünfeinhalb Jahren wurde sie stellvertretende Leiterin des Katholischen Büros Bayern - als erste Frau auf einem solchen Posten, bundesweit. Nach alledem befürwortet sie die Quote: "Frauen in Spitzenpositionen sind Vorbilder für andere Frauen. Sie verändern das Bild der Frau in der Gesellschaft."

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Frauenquote:Christiane Schneider-Knoll, 38, Allianz-Vertriebsleiterin

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Quelle: Robert Haas

Ein Leben lang im grünen Kittel ihren Dienst zu verrichten, diese Aussicht war Christiane Schneider-Knoll zu wenig. "Ich wollte mich entwickeln, und das wäre in meinem ersten Beruf kaum gegangen." Also gab die ehrgeizige Frau den Job als OP-Schwester auf und stieg ins Versicherungsgeschäft ein, erst als Vertriebsmitarbeiterin. Sechs Jahre lang war sie also Vertreterin und absolvierte nebenher ein Studium.

Ihr Einsatz und ihre Qualifikation brachten sie schließlich in erste Führungsjobs - umgeben von Männern. "Ich war praktisch überall die erste Frau", sagt die 38-Jährige. Inzwischen ist sie die Chefin von acht Mitarbeitern, die ihrerseits Führungskräfte sind, sowie 100 Vertretern in ganz Deutschland, allesamt Spezialisten für vermögende Privatkunden. Aktuelles Ziel ist natürlich die nächste Karrierestufe: "Ich will die erste Vertriebsdirektorin bei der Allianz sein."

Dass eine Quote überhaupt notwendig sein könnte, findet sie bedauerlich - und empfiehlt Frauen vor allem, die eigene Leistung besser zu verkaufen. "Darin sind Männer stärker."

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Frauenquote:Claudia Odekerken, 47, Münchner Straßenreinigung

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Quelle: oh

In Männerdomänen zu arbeiten, daran hat sich Claudia Odekerken früh gewöhnt. Studiert hat sie Bauingenieurwesen in Aachen, die große Mehrheit ihrer Kommilitonen war männlich. Dann arbeitete sie im Straßenbau, erst für das Autobahnamt in Köln, später für den Baubetriebshof Aachen. Auch hier traf sie nur wenige Kolleginnen. Und seit Oktober 2008 arbeitet Claudia Odekerken für die Münchner Straßenreinigung - und zwar nicht nur als einzige Frau in einem Betrieb mit 450 Männern, sondern auch noch als deren Chef.

Doch das klingt offenbar schlimmer, als es ist. "Ich bin gut und relativ vorbehaltlos aufgenommen worden und fühle mich hier sehr wohl", sagt sie. Dass sie die einzige Frau ist, findet sie schade, aber ob es deswegen eine Frauenquote braucht? "Es ist mit Sicherheit nicht ganz falsch. Bei gleicher Qualifikation finde ich es gut, wenn eine Frau genommen wird."

Aber sie möchte nicht das Gefühl haben, wegen ihres Geschlechts bevorzugt zu werden. "Ich persönlich hatte nie den Eindruck, dass ich es als Mann leichter gehabt hätte."

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Frauenquote:Petra Sandles, 50, Vize-Präsidentin des Bayerischen Landeskriminalamtes

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Quelle: oh

Die Kriminalpolizei hatte es Petra Sandles schon immer angetan. Ein wenig war wohl die Fernsehsendung "XY... ungelöst" daran schuld, in der ungeklärte Verbrechen vorgestellt werden. Vor genau 20 Jahren startete die gebürtige Hessin ihre Laufbahn bei der Polizei. "Damals war ich als Frau noch ein richtiger Exot bei uns", sagt sie. Und: "Karriere zu machen, hatte ich eigentlich nie geplant."

Sie ermittelte beim Morddezernat des Polizeipräsidiums München, war im Innenministerium tätig, beschäftigte sich ausführlich mit dem Fachbereich Verbrechensbekämpfung und wechselte schließlich als Vize-Chefin vor sieben Jahren in die Führungsebene des LKA. Dass es bei der Bayerischen Polizei generell immer noch zu wenig Frauen in Spitzenpositionen gibt, bedauert die 50-Jährige.

Natürlich stehe man als Frau "mehr unter Beobachtung" als männliche Kollegen, "das macht es aber nicht schwerer, eine Spitzenposition zu erreichen". Quoten in der Berufswelt lehnt Sandles ab: "Es kommt darauf an, ob man für die Aufgabe geeignet ist."

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Frauenquote:Brigitte Ederer, 54, Siemens-Personalvorstand

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Quelle: oh

Wer die ersten knapp zwei Jahrzehnte von Brigitte Ederers Laufbahn betrachtet, kommt nicht unbedingt darauf, dass ein solcher Weg in den Vorstand eines Weltkonzerns führen könnte. Die heute 54-jährige Österreicherin war Politikerin mit allem, was dazugehört: ein Sitz im Parlament, Vorsitz von Ausschüssen, Verantwortung in ihrer Fraktion, Posten in der Landesregierung - und natürlich ein Parteibuch.

Die Arbeit in der SPÖ brachte der Sozialdemokratin den Spitznamen "rote Gitti" ein. Seit Mitte 2010 sitzt sie nun in einem der wichtigsten Chefbüros der Siemens-Zentrale am Wittelsbacherplatz, als Personalvorstand und Arbeitsdirektorin. Als solche hat sie gleich einmal den Verkauf der IT-Sparte SIS vollendet, gegen den sich Mitarbeiter auch in München lange gewehrt hatten.

Aber harte Kämpfe ist Ederer nicht nur aus der Politik gewöhnt. Bei Siemens Österreich arbeitete sie sich vom einfachen Vorstandsposten auf den Chefsessel, nachdem sie 2001 in die Privatwirtschaft gewechselt war. Genauso wie ihre weibliche Vorstandskollegin Barbara Kux will sie über die Qualität ihrer Arbeit wahrgenommen werden, nicht über ihre Eigenschaft als Frau. Der Konzern will sich auch an der Diskussion um eine Frauenquote nicht beteiligen. "Wir schaffen Fakten", heißt es stattdessen.

© SZ vom. 5.2.2011/bica
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