Frauenförderung:"Wir werden weiblicher geprägt"

Frauenförderung: Frauenpower an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg: Präsidentin Merith Niehuss (Mitte) mit den Vizepräsidentinnen Eva-Maria Kern (links) und Rafaela Kraus.

Frauenpower an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg: Präsidentin Merith Niehuss (Mitte) mit den Vizepräsidentinnen Eva-Maria Kern (links) und Rafaela Kraus.

(Foto: Claus Schunk)

Im Leitungsgremium der Universität der Bundeswehr sitzen erstmals drei Frauen. Merith Niehuss, Rafaela Kraus und Eva-Maria Kern über ihr Zusammenspiel.

Von Interview von Angela Boschert

Seit 1973 werden an der Universität der Bundeswehr Neubiberg Offiziere, aber auch Studierende aus Behörden, etwa dem Verteidigungsministerium, und der Industrie wissenschaftlich ausgebildet. Das Angebot für die etwa 3000 Studierenden umfasst 34 Studiengänge. Das stark strukturierte Studium rüstet sie für Aufgaben beim Militär und ebenso für einen Beruf in der zivilen Gesellschaft. Die Leitung der Universität obliegt seit 2005 Präsidentin Merith Niehuss. Sie wird von jetzt vier Vizepräsidenten unterstützt, die auch die hochschulpolitische Entwicklung der Universität mitbestimmen. So ist Uwe Borghoff seit 2004 Vizepräsident für den Bereich Lehre. Der Bauingenieur Karl-Christian Thienel war zwei Jahre lang Vizepräsident für Forschung und verantwortet nun das neue Aufgabenfeld Internationales und Digitales. Für das Gebiet Forschung berief Niehuss die Ingenieurin Eva-Maria Kern und für Entrepreneurship und Hochschulbereich für angewandte Wissenschaften die Betriebswirtschaftlerin Rafaela Kraus.

Jetzt stehen also drei Frauen an der Spitze einer Männerdomäne. Eine Quotenwahl? Was sie erwarten und planen, berichten sie im Interview.

Frau Professor Niehuss, wie kam es zur Berufung von zwei Frauen als Vizepräsidentinnen?

Merith Niehuss: Jede von ihnen hat spezifische Eigenschaften, die sie qualifizieren. Frau Kern hat viele Erfahrungen im Senat als dem zentralen Gremium der Universität gewonnen und ist sehr gut mit dem Verteidigungsministerium vernetzt, das uns finanziert. Sie ist eine Teamarbeiterin und kann gut vermitteln. Bei Frau Kraus ist es ähnlich. Ich habe sie kennengelernt, als sie den Studiengang "Management und Medien" an der Fakultät für Betriebswirtschaft aufgebaut hat. Sie hat Erfahrung als belastbare Dekanin. Wie sie in der Zeit auch noch ein Baby bekommen und alles miteinander kombiniert hat, war schon toll und bewundernswert. Es ist ja nicht so, dass ich verzweifelt nach Frauen gesucht hätte.

Eva-Maria Kern: Es hätte mich auch gestört, hätte es geheißen, du sollst das jetzt machen, weil du eine Frau bist. Die Qualifikation sollte zählen und dann sollte es egal sein, ob man Mann oder Frau ist. Meine Idee ist: Auch wenn ich ein Mann wäre, wäre ich etwas geworden. Ich habe an der Uni gemerkt: Wenn sich Frauen für Naturwissenschaften und Technik interessieren und Ehrgeiz haben, dann sind sie da auch gut.

Rafaela Kraus: Allerdings. Es geht ums Können, nicht ums Geschlecht.

Niehuss: Einer meiner früheren Chefs - ich war bei Gerhard Albert Ritter wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München - wurde gefragt, warum er ausgerechnet vier Frauen um sich als Assistentinnen habe. Da guckte er etwas kariert und sagte, das sei ihm gar nicht bewusst, er hätte immer die Besten genommen, die zur Verfügung stehen. Das kann ich hier in Neubiberg auch sagen.

Frau Professor Kern und Frau Professor Kraus, wie empfinden Sie ihre Berufung und die neue Aufgabe?

Kraus: Beim Aufbau des oben genannten Studiengangs habe ich gemerkt, wie viel Spaß es macht, mitzugestalten und auch für eine Weiterentwicklung zu sorgen. Und so habe ich Blut geleckt dafür.

Kern: Bei der eigenen Forschung muss ich natürlich Abstriche machen, aber Sorgen wegen der Größe der Aufgabe habe ich aufgrund meiner Erfahrung keine.

Niehuss: Das Amt der Vizepräsidenten ist sozusagen ein Ehrenamt. Die Kollegen müssen darauf achten, dass sie in der Forschung am Ball bleiben. Auch müssen verschiedene Fakultäten beteiligt sein. Ich bin Geisteswissenschaftlerin. Der Bereich Technik ist jetzt mit den zwei männlichen Kollegen vertreten. In Eva-Maria Kern haben wir zudem eine Ingenieurin, die aber von der wirtschafts - und organisationswissenschaftlichen Fakultät kommt.

Frauen hätten also die Qualität, sind aber an der Bundeswehr-Universität in der Minderheit.

Niehuss: Für Frauen sind wir im Grunde immer nur mit interessanten Studiengängen attraktiv. Der Zulauf in Geistes- und Sozialwissenschaften ist hoch, in Mint-Fächern gering. Das Problem haben andere Universitäten aber auch. Daher haben wir vermehrt Studiengänge neu eingerichtet, wie etwa Psychologie. Hier beträgt der Frauenanteil etwa die Hälfte, obwohl bei uns insgesamt nur 15 Prozent der Studierenden Frauen sind. Wir versprechen uns für bald mehr Anziehungskraft durch die Studiengänge Soziale Arbeit und Human Resources-Management, die Frau Kraus verantwortet.

Kraus: Das Wort Bundeswehr schreckt Frauen eher ab. Daher ist es günstig, wenn wir uns persönlich an Wissenschaftlerinnen wenden, die für offene Stellen in Frage kommen. Für eine kürzlich ausgeschriebene Professur haben sich zum Beispiel zwei Frauen für die engere Auswahl qualifiziert, die sich sonst vielleicht nicht beworben hätten.

Kern: Die Vorbehalte, wir seien eine Militärakademie, möchten wir abstellen, indem wir zeigen, was wir sind: Eine Universität, die aber ebenso spezifische Themenbereiche behandelt, deren Erkenntnisse man militärisch oder auch zivil nutzen kann. Etwa wenn wir mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zusammenarbeiten, wie es Anfang April vereinbart wurde. Da geht es um Digitalisierung im Gesundheitswesen und um Gesundheitssystemforschung. Beides ist auch im zivilen Bereich von großer Relevanz.

Personen-Steckbriefe

Die Österreicherin Eva-Maria Kern studierte Kunststofftechnik und promovierte in Verfahrenstechnik an der Montanuniversität Leoben (Österreich). Nach Tätigkeiten in der Industrie und an der Technischen Universität Hamburg-Harburg kam sie 2006 als Professorin für Wissenschaftsmanagement und Geschäftsprozessgestaltung an die Fakultät für Wirtschafts- und Organisationswissenschaften der Bundeswehr-Universität. Von 2014 bis 2018 war sie stellvertretende Vorsitzende beziehungsweise Vorsitzende des Senats, der unter anderem Schwerpunkte in der Forschung festlegt und über Reformen innerhalb der Studiengänge entscheidet. Das Interview mit ihr wurde geführt, bevor Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sie in den Wehrmedizinischen Beirat, den Wissenschaftlichen Beirat für die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr, berufen hat.

Rafaela Kraus studierte Betriebswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und promovierte dort in Wirtschafts- und Organisationspsychologie. Nach einer Tätigkeit als Unternehmensberaterin wurde sie 2006 Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalmanagement, an der Universität der Bundeswehr München. Von 2010 bis 2014 war sie Dekanin und bis 2018 Prodekanin ihrer Fakultät. Kraus beschäftigt sich in der "Angewandten Forschung" mit Führung, Change-Management und Kompetenzmanagement.

Die aus Bielefeld stammende Merith Niehuss kam 1994 an die Universität der Bundeswehr München, zunächst als Vertretung, von 1996 an als Professorin für deutsche und europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. "Damals war ich die einzige C 4-Professorin, 2005 die erste Universitätspräsidentin in ganz Bayern", sagt Niehuss. Die Frauenbeauftragte hatte sie gedrängt, sich um das Präsidentenamt zu bewerben, in dem sie zuletzt 2016 bestätigt wurde. Niehuss genießt die Gestaltungsmöglichkeiten ihres Amtes, und dass sie mit überaus inspirierenden und herausfordernden Menschen in Wissenschaft, aber auch Behörden zusammenkommt. abo

Niehuss: Auch entwickeln wir seit Jahren sogenannte Serious Games. Dabei können Studenten die Erstversorgung von Verwundeten in Extremsituationen, etwa bei einer Naturkatastrophe, am Computer üben. Aufgrund der präzisen Simulation verankern sich die Handlungsroutinen tiefer im Gedächtnis der Übenden. Auch Nicht-Mediziner erlernen dabei Fertigkeiten, die sie später brauchen. Die Feuerwehr und die Polizei sind an diesen "Serious Games" zu Einsatzsituationen interessiert. Sie herzustellen, ist allerdings sehr aufwendig und benötigen Kenntnisse der Medienpädagogik. Den Bereich haben wir hier.

Was sind neben Kooperation mit Unternehmen und Forschung ihre Ziele im neuen Amt?

Kern: Ich will die wissenschaftliche Sichtbarkeit der Universität der Bundeswehr erhöhen und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses hier bei uns ausbauen, der bei uns schon sehr gute Rahmenbedingungen mit verhältnismäßig wenigen Doktoranden je Professur vorfindet. Darüber hinaus möchte ich auch den universitätsinternen Forschungsservice weiterentwickeln.

Kraus: Ich habe mir vorgenommen, dass zwei neue Studiengänge entstehen. Zum einen ein Personalmanagement-Studiengang, was auch mein eigenes Fachgebiet ist. Dann arbeiten wir noch an der Idee eines Studiengangs Soziale Arbeit. Hier in Deutschland kommen Fragen zur Verbesserung der individuellen Lebensverhältnisse und der Gestaltung des sozialen Miteinanders ebenso auf wie in Einsatzländern der Bundeswehr. Das betrifft nicht nur interkulturelle Kompetenz, sondern auch Konfliktlösung und Deeskalation. Es fällt auf, dass viele Berufssoldaten Pädagogik - das ist unser ältester Studiengang überhaupt - wählen. Ein Hochschulstudiengang Soziale Arbeit wäre für Soldaten also spannend.

Niehuss: Es soll auch noch ein kulturwissenschaftlicher Studiengang in Neubiberg entstehen. Der ist sicher auch für Frauen interessant. Wir werden weiblicher geprägt. Konnte man vor elf Jahren die Professorinnen an gut zwei Händen abzählen, sind es heute rund zehn Prozent mehr, genau 29 von 182 Professoren. Aber dass wir bei den Vizepräsidenten jetzt paritätisch besetzt sind, hat eben nichts mit Frauenquote zu tun. Das war sozusagen eine reine Qualitätsfrage.

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