Frauen in der Lokalpolitik:Mehrheit in der Minderheit

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Der Pullacher Gemeinderat illustriert recht gut das Geschlechterverhältnis in Kommunalparlamenten im Landkreis: Zu Beginn der Amtsperiode 2014 standen fünf Frauen inklusive Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Mitte) 16 Männern gegenüber. Heute sind es nach Nachbesetzungen acht. (Foto: Claus Schunk)

In den Stadt- und Gemeinderäten des Landkreises sitzen weniger Frauen als im bayernweiten Durchschnitt. Kommunalpolitikerinnen wollen das ändern, fordern mehr Selbstvertrauen - und einige auch die Quote.

Von Irmengard Gnau und Anna Majid, Landkreis

50,4 Prozent der bayerischen Bevölkerung sind weiblich. In der Politik spiegelt sich das bislang allerdings nicht wieder, auch nicht in den Städten und Gemeinden: Bayernweit sind weniger als ein Drittel aller kommunalpolitischen Vertreter Frauen. Im Landkreis München ist diese Quote sogar noch etwas schlechter. In den 29 Kommunen sind gerade einmal 208 von insgesamt 644 gewählten Stadt- oder Gemeinderäten Frauen; das sind 32,3 Prozent.

Unter den Rathauschefs gibt es gar nur fünf Bürgermeisterinnen. Die Hintergründe dieses Umstands müssen ergründet werden, finden etwa die Grünen in Unterschleißheim. Sie laden am Samstag zu einem Frühstück mit Diskussion ein (10 Uhr, Cupcake 4 You am Rathausplatz).

Auffällig ist die große Schwankung des Frauenanteils in den Gemeinde- und Stadträten im Landkreis. Am meisten Frauen, nämlich 14, sitzen im Ottobrunner Gremium, eine Quote von 45,1 Prozent. Außerdem tun sich Oberschleißheim und Höhenkirchen-Siegertsbrunn mit einem Frauenanteil von je 44 Prozent hervor, im letztgenannten Ort führen mit Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) und den Stellvertreterinnen Mindy Konwitschny (SPD) und Luitgart Dittmann-Chylla (Grüne) sogar drei Frauen die Geschäfte.

Kommentar
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Von Irmengard Gnau

Auffallend wenige Frauen vertreten hingegen die Bürger in Sauerlach, Aying und Planegg - obwohl Sauerlach in Barbara Bogner eine Bürgermeisterin hat. Dennoch wurden neben ihr nur zwei weitere Vertreterinnen unter die 21 Mitglieder des Gremiums gewählt.

Den Grund dafür sieht Bogner im Wählerverhalten. Ihre eigene Gruppierung, die Unabhängige Bürgervereinigung Sauerlach, habe wie auch die Grünen bei der Kommunalwahl 2014 ihre Wahlliste paritätisch besetzt. Obwohl die Frauen der UBV sogar auf den vorderen Listenplätzen vertreten gewesen seien, schickten die Wähler ausschließlich Männer für die UBV in den Gemeinderat. "Vielleicht sind die Männer einfach die Bekannteren", sagt Bogner.

Dieses Phänomen beobachte sie vor allem in kleineren, ländlichen Gemeinden. Frauen würden zwar viel arbeiten, dies jedoch nicht kommunizieren. "Das sagen immer Männer: Ich habe, ich mache, ich tue. Wir Frauen sind nicht diejenigen, die sich auf den Misthaufen stellen und krähen", sagt die Sauerlacher Politikerin. Der Kern liegt aus Bogners Sicht in der Erziehung: Mädchen werde das notwendige Selbstbewusstsein oft nicht zugestanden, ihnen stattdessen von Klein auf beigebracht, Führungsrollen an Männer abzugeben. Somit würden Frauen Führungspositionen aus Selbstzweifel oft ablehnen.

Ulrike Haerendel, Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Tutzing unter anderem für Geschlechter- und Gleichstellungsfragen, sieht das ähnlich. "Ich glaube schon, dass Frauen sich vielleicht öfter mit einer Rolle zufrieden geben, die unterstützend ist und ihre Karriereansprüche vielleicht nicht nachdrücklich genug unterstreichen", sagt sie. Die 55-Jährige ist Vorsitzende des Garchinger SPD-Ortsvereins und Stadträtin; gemeinsam mit nur vier weiteren Frauen sitzt sie im Gremium 20 Männern gegenüber.

Am stärksten ist dies ihrer Ansicht nach darin begründet, dass es für Frauen heute schwierig ist, die drei Bereiche Beruf, Familie und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen. Um das zu ändern, seien auch die Männer gefragt. Katharina Dworzak (SPD) betont etwa, wie wichtig die Unterstützung ihrer Familie sei. Die 35-jährige hat zwei kleine Kinder und ist Zweite Bürgermeisterin in Haar. Ihr Mann halte ihr den Rücken frei, sonst wäre es ihr nicht möglich, das Amt auszufüllen, sagt Dworzak.

Ein Grund für die niedrigere Frauenquote im Haarer Gemeinderat, wo trotz einer weiblichen Doppelspitze mit Gabriele Müller (SPD) als Erster und Dworzak selbst als Zweiter Bürgermeisterin insgesamt nur 36 Prozent der Vertreter weiblich sind, ist laut Dworzak, dass Kommunalwahlen Personenwahlen und eine Frage der Bekanntheit seien.

So argumentiert auch Angelika Kühlewein. "Kommunalpolitisch ist es immer die Arbeit vor Ort, die zählt", sagt sie. Die Chemikerin und Kommunikationstrainerin ist seit 2014 Kreisrätin, Zweite Bürgermeisterin in Oberschleißheim und leitet den CSU-Ortsverband. Mit drei Frauen und drei Männern ist die CSU-Fraktion in Oberschleißheim sogar paritätisch besetzt. Der Ortsverband habe bei der Kommunalwahl 2014 versucht, seine Kandidatenliste sehr gemischt zu besetzen, sagt Kühlewein. Grundsätzlich hält sie die Diskussion um Parität für schwierig. "Wer gut ist, soll eine Chance haben - und da kommt es mir nicht auf das Geschlecht an, genauso wenig wie auf Religion oder Hautfarbe." Dennoch sagt sie: "Wir sind noch lange nicht bei Gleichberechtigung."

Wie aber lässt sich diese erreichen? Darüber wird im bayerischen Landtag zurzeit heftig diskutiert. Mit der Wahl 2018 ist der Anteil der weiblichen Abgeordneten auf nur noch 26,8 Prozent gesunken, so niedrig wie seit 16 Jahren nicht. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat deshalb für kommende Woche die frauenpolitischen Sprecherinnen aller Parteien eingeladen, gemeinsam auszuloten, wie mehr Frauen in die Parlamente kommen.

Die Ansätze sind unterschiedlich. Während CSU und Freie Wähler vor allem auf Freiwilligkeit setzen, fordern SPD und Grüne eine gesetzliche Regelung. Bei ihren Kommunallisten wenden SPD und Grüne schon heute das Reißverschlussverfahren an, männliche und weibliche Kandidaten wechseln ab. Gerade die Grünen haben auffallend viele Vertreterinnen in den Gremien im Kreis. "Das liegt an der Quote", ist Brigitte Huber, Dritte Bürgermeisterin in Unterschleißheim überzeugt. Unter den vielen Neumitgliedern aktuell seien besonders viele Frauen, die sich engagieren wollten, sagt Huber.

Ist eine Quote also auch kommunalpolitisch das Mittel der Wahl? Ulrike Haerendel findet, ja: "Ich würde gern sagen, das braucht es nicht, aber wir kommen ohne feste Zielvorgabe nicht weiter." Eine gesetzliche Regelung könne der erste Schritt sein, sagt auch Kühlewein. Aber man müsse irgendwann davon wegkommen. Gerade im Kommunalpolitischen sollten der Mensch und seine Arbeit im Vordergrund stehen. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen, sieht auch Haerendel als zentral an: "Ich bin optimistisch, dass sich das langfristig verändern wird, wenn es uns gelingt, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht mehr nur als Frauenthema gesehen wird."

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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