Forstwirtschaft:Wehe dem Wald, wenn es warm wird

Nach Sturm und Hitze: Borkenkäfer-Invasion bedroht Wälder

Der Borkenkäfer könnte in diesem Sommer zu einer besonderen Bedrohung für die Wälder im Landkreis werden.

(Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Im vergangenen Sommer haben sich drei Generationen des Borkenkäfers entwickelt. Die kalten Temperaturen verhindern bisher, dass sie ausschwärmen. Aber den Waldbauern und Förstern bleibt nicht mehr viel Zeit.

Von Michael Morosow, Sauerlach

Wenn in diesen Tagen Menschen zufrieden zum verregneten Himmel emporschauen, dann werden dies neben von der Dürre geschädigten Landwirten sicher alle Förster und Waldbauern sein. Während der große Rest der Bevölkerung sich nach sonnigen Tagen sehnt, bitten sie ihren Nothelfer, den heiligen Ägidius, inständig um Niederschläge und Kälte auch für die nächsten Wochen. Denn auch wenn der zuletzt anhaltende Regen die Wasserreservoire unter den Waldböden etwas aufgefüllt hat, die ärgste Sorge der Waldbauern konnte er nicht fortspülen: die Angst vor dem Borkenkäfer.

Der aktuell größte Feind des Waldes wartet gegenwärtig, hinter den Baumrinden versteckt, auf das große Fressen. "Noch circa drei Wochen, dann schwärmt er aus", schätzt Johann Killer, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen (WBV) mit 1300 Mitgliedern. Viele davon stammen aus dem Landkreis München, der mit einem Waldanteil von 44 Prozent deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 34 Prozent liegt.

Die Folgen für die Wälder vor allem im Münchner Süden könnten verheerend sein, insbesondere für die Fichtenbestände, haben sich doch im trocken-heißen Sommer 2018 gleich drei Generationen des Borkenkäfers entwickeln können, sodass ihr Potenzial riesig ist und das ohnehin angeschlagene Ökosystem Wald schwer schädigen könnte. Alarmstimmung also bei den Waldbesitzern und Förstern, beim Bayerischen Waldbesitzer-Verband und seinen Regionalstellen sowie beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg (AELF).

Um das Schlimmste zu verhindern, vertrauen die Forstbehörden freilich weniger auf das gütige Zutun des heiligen Ägidius, sondern richten dringende Appelle an die Waldbesitzer. Sie sollten unbedingt und zügig Schadhölzer aus Sturmwürfen und Schneebrüchen aus ihren Waldstücken räumen, damit die Borkenkäfer keine idealen Brutmöglichkeiten mehr vorfinden. Die allermeisten Waldbesitzer brauchen dabei behördliches Wetterläuten gar nicht, um den Ernst der Lage zu erkennen und entsprechend aktiv zu werden. Doch einige Klein- und Kleinstwaldbesitzer, vor allem in der Erbengeneration, sind mit ihrem Forststück nicht so fest verwurzelt. Ihnen fehlt häufig das forsttechnische Wissen oder mitunter auch die Bereitschaft, die Ratschläge der Forstbehörden zu befolgen. Da nun aber der Schädling keine Flurgrenzen kennt und bis zu 500 Meter weit ausschwärmt, sobald es mindestens 16,5 Grad warm ist, sind gewissenhafte Waldbauern angefressen, wenn ein Nachbar dem Borkenkäfer nicht zu Leibe rückt und der sich in der Folge auch an ihren Beständen vergreift.

Diese Unterlassung birgt Konfliktpotenzial. "Wenn einer das nicht tut, dann muss der Förster aktiv werden, und wenn alles nichts hilft, dann gibt es noch die Möglichkeit einer Ersatzmaßnahme", sagt Waldbesitzer-Vorsitzender Killer. Das "Schwert der Hoheitlichkeit" sei allerdings relativ stumpf, da der Amtsweg sehr lang sei. "Bis was passiert, ist der Käfer voll entwickelt und bereits losgeflogen." Das Beste sei, auf seine Nachbarn zuzugehen. Er habe auch schon mal vermitteln müssen, erzählt Killer. Sehr oft aber gingen die unerfahrenen oder verhinderten Waldbesitzer selbst auf den Verband zu mit der Bitte: "Macht ihr das." Die Kosten dafür nehmen sie in Kauf. Hoheitliche Handlungen seien auf nur sehr wenige Fälle beschränkt, sagt auch Georg Kasberger, Leiter des AELF in Ebersberg. Seit er vor zwölf Jahren das Forstrevier in Sauerlach mit mehr als hundert Waldbauern und noch mehr Parzellen übernommen habe, habe er zwar schon mehrmals als Ultima Ratio Ersatzmaßnahmen angedroht, aber noch nie in die Wege leiten müssen, sagt auch Förster Olaf Rahm. Aber sehr oft schon sei er von Waldbauern verständigt worden, wenn deren Nachbarn den Borkenkäfer hatten gewähren lassen. Welche Folgen es haben kann, wenn ein Waldbauer den Käfer einen Käfer sein lässt, kann man auf der Homepage der Ebersberger Forstbehörde nachlesen: "Aus einer übersehenen vom Buchdrucker befallenen Fichte schlüpfen genug Käfer, um 20 weitere Fichten zu befallen. In der zweiten Generation werden aus den 20 neubefallenen Fichten bereits 400." Was eine dritte Generation anrichten würde, kann sich jeder ausrechnen. "Jetzt kommt die Stunde der Waldbesitzer", sagt denn auch Olaf Rahm.

Forstwirtschaft: Die Förster Olaf Rahm (links) und Kira Ullrich inspizieren den Wald von Georg Walser bei Arget.

Die Förster Olaf Rahm (links) und Kira Ullrich inspizieren den Wald von Georg Walser bei Arget.

(Foto: Helga Fendl-Zeyer)

Heute begeht der Förster den Wald von Georg Walser in Arget, in dem das Buchenlaub soeben frisch ausgetrieben hat und die Fichten ihre frischen Maitriebe schieben. Die großen Schneemassen im Winter haben viele Baumkronen von Fichten und Kiefern abgebrochen. Mehr als 300 Festmeter Holz hat Georg Walser in den vergangenen Monaten in seinem Wald aufgearbeitet, auch als der Schnee noch hüfthoch lag. Eine Woche vor Ostern ist er mit den Arbeiten fertig geworden. Seit Anfang April geht er nun regelmäßig durch seinen Wald und kontrolliert die verbliebenen Fichten auf Käferbefall. Dieses Mal werden Förster und Waldwirt von Kira Ullrich vom AELF Ebersberg begleitet. Die 28-jährige studierte Försterin unterstützt seit Anfang April Waldbesitzer im Landkreis München im Kampf gegen den Borkenkäfer, bezahlt vom Freistaat Bayern, der angesichts der Gefahrenlage dafür Geld in den Haushalt gestellt hat. Gemeinsam suchen sie nach Anzeichen von frischem Borkenkäferbefall: feines, wie Schnupftabak aussehendes Bohrmehl am Stammfuß der Fichten, aus dem Stamm tropfender Harz.

Georg Walser zeigt auf eine 30 Jahre alte Tannengruppe, die er als junger Mann zusammen mit seinem Vater gepflanzt hat. "Das war damals auch ein Käferloch." Bereits der Urgroßvater bewirtschaftete den Wald, und er wird ihn an seine heute 17- und 18-jährigen Söhne weitergeben.

Die jüngsten Niederschläge bedeuten in den Augen von Kira Ullrich lediglich eine Verschnaufpause. "Die Käfer sitzen in den Startlöchern", sagt sie. Und einige hätten bereits einen Schwärmflug auf die liegenden Bäume eingelegt. Momentan aber bewegten sich die Käfer ob der kalten Witterung nur sehr langsam. Einen habe sie kürzlich eine Minute lang in der Hand gehalten, durch die Körperwärme sei er wieder aktiv geworden.

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