Forschungsreaktor:Garching ist für kürzere Laufzeit

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Stadträte tolerieren aber weiter schwach radioaktives Abwasser aus dem Reaktor

Von G. Passarge, Garching

Die Grünen hatten gehofft, dass Garching ein Zeichen setzt. Doch die große Mehrheit im Bauausschuss des Stadtrates wollte kein Zeichen setzen: Mit zwölf gegen drei Stimmen hat sie dem Vorhaben der Technischen Universität zugestimmt, weiterhin schwach radioaktives Abwasser, das vom Forschungsreaktor (FRM II) und vom Institut der Radiochemie (RCM) stammt, in die Isar einzuleiten. Grünen-Fraktionssprecher Hans-Peter Adolf hatte sich zuvor vergeblich gegen den seiner Meinung nach "rechtswidrigen Betrieb" des Reaktors ausgesprochen, der mit hochangereichertem Uran arbeitet, und gerügt, dass dieser gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoße. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) wollte wie Adolf auch ein Zeichen setzen, "aber nicht eines des Misstrauens", wie er sagte, "sondern des Vertrauens" in die Wissenschaftler, von denen viele in Garching wohnten.

Seit 20 Jahren leitet die TU schwach radioaktive Abwässer in die Isar ein; da die Genehmigung in diesem Jahr ausläuft, hat sie eine Verlängerung um 30 Jahre beantragt, mit geringeren Werten. Das Planfeststellungsverfahren wird vom Landratsamt geleitet und nach einem Erörterungstermin entschieden. Momentan läuft noch die Einwendungsfrist. Um die Stadträte zu informieren, hatte die TU drei Vertreter in den Bauausschuss geschickt. Sie beantworteten Fragen der Stadträte und des Umweltreferenten Christoph Marquart.

Der Umweltreferent wollte vor allem wissen, warum der Zeitraum so lang gewählt wurde und was die Becquerel-Zahl von 3,7 Milliarden pro Jahr für den Einzelnen bedeutet. Die 30 Jahre erklärte Anton Kastenmüller, technischer Direktor des Forschungsreaktors, mit der üblichen Laufzeit solcher Einrichtungen, wobei er den Rückbau eingerechnet habe. Zur Strahlung merkte Kastenmüller an, ein Liter des Abwassers weise maximal 4000 Becquerel auf, ein Kilogramm Kunstdünger dagegen 6300 Becquerel. Sehe man das als Gefahr an, "dann müssten wir auch um den Baumarkt einen Zaun machen".

Christoph Lierse von Gotomski, der Leiter der Radiochemie an der TU, nannte zum Vergleich die künstliche Strahlenexposition, der ein Mensch ausgesetzt ist. Davon gingen fast 50 Prozent auf medizinische Röntgendiagnostik zurück, während die Kernkraft, den Gau von Tschernobyl schon eingerechnet, nur 0,045 Prozent ausmache. Er nahm auch Stellung zu dem Antrag der Grünen, die gefordert hatten, die radioaktiven Abwässer so zu behandeln, dass sie als Feststoffe gelagert werden könnten. Lierse sagte, radioaktive Stoffe zu verdampfen, sei eine vernünftige Methode, aber das funktioniere nur bei wirklich radioaktiven Abwässern. In Garching sei das Destillat nach einer solchen Behandlung "genau so sauber wie der Ausgangsstoff". Es bringe also nichts, erfordere aber einen riesigen Energieaufwand.

In der Diskussion betonte Bürgermeister Gruchmann, er nehme die Abwägung sehr ernst, denn er habe selbst kleine Kinder und fische auch in der Isar. Doch er vertraue den Wissenschaftlern, dass sie verantwortungsbewusst mit den Stoffen umgingen. Außerdem gebe es unabhängige Kontrollen. Sein Stellvertreter Alfons Kraft (Bürger für Garching) sah sich dagegen "als Bürger von Garching nicht in der Lage zu entscheiden, ob es bedenkenlos ist oder nicht". Adolf nannte die Ausführungen der TU-Vertreter einen "wunderschönen Werbespot" und wies darauf hin, dass nicht aufgeführt sei, welche Nuklide in die Isar gelangten. Deshalb sei nicht ersichtlich, was sich im Fluss ablagere. Das wies Lierse zurück: "Die Nuklide, die wir einleiten, sind aufgeführt." Wenn auch nicht alle einzeln, sondern zum Teil als Nuklidvektoren.

"Wir werden es fachlich nicht beurteilen können", sagte Albert Biersack (CSU). Er fand, jeder Stadtrat müsse selbst entscheiden: "Kann ich damit leben oder kann ich nicht damit leben?" Er selbst habe jedoch "keine Angst, dass wir über den Tisch gezogen werden". Bastian Dombret und Florian Baierl von den Unabhängigen Garchingern setzten sich für ein Einvernehmen ein, aber mit der Einschränkung, die Laufzeit auf lediglich 20 Jahre zu begrenzen, um dann erneut zu verhandeln. So hat es die Mehrheit beschlossen - gegen die Stimmen der beiden Grünen und von Alfons Kraft.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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