Forschungsreaktor FRM II:Streit um radioaktives Abwasser in der Isar

Forschungsreaktor FRM II: Seit 20 Jahren ist es erlaubt, schwach radioaktives Abwasser aus dem Forschungsreaktor in die Isar einzuleiten. Dies geschieht unter der Kaskade an Kilometer 130,300. Die TU hat eine Verlängerung der Genehmigung.

Seit 20 Jahren ist es erlaubt, schwach radioaktives Abwasser aus dem Forschungsreaktor in die Isar einzuleiten. Dies geschieht unter der Kaskade an Kilometer 130,300. Die TU hat eine Verlängerung der Genehmigung.

(Foto: Robert Haas)

Die Technische Universität hat eine Verlängerung der seit 20 Jahren bestehenden Einleitungsgenehmigung in die Isar bei Garching beantragt. Kritik kommt von den Grünen im Landkreis und vom Umweltinstitut in München.

Von Gudrun Passarge, Garching

Wie gefährlich ist die Einleitung schwach radioaktiver Abwässer in die Isar und ist sie überhaupt notwendig? Diese Fragen muss das Landratsamt München in einem öffentlichen Genehmigungsverfahren klären. Die Technische Universität als Betreiberin des Forschungsreaktors FRM II hat eine Verlängerung der seit 20 Jahren bestehenden Genehmigung zur Abwassereinleitung für ihren Reaktor und die Radiochemie beantragt. Die Grünen sehen das kritisch, ebenso wie das Umweltinstitut in München. "Im Strahlenschutz gilt das Minimierungsgebot. Wir sind der Ansicht, dass technisch alles Mögliche ausgeschöpft werden sollte, um die radioaktiven Einleitungen zu minimieren", sagt der Physiker Hauke Doerk.

Das Institut wurde nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl gegründet. Es ist ein unabhängiger Verein, der sich nach eigener Auskunft "gegen Atomkraft, für gentechnikfreies Essen, für eine nachhaltige Energiewende und für den ökologischen Landbau" einsetzt. Technisch sei es machbar, die Einleitungen zu reduzieren, erläutert Doerk, deswegen finde er es unverständlich, dass die TU die gleichen Werte wie vor 20 Jahren beantragt habe. "Da ist noch Luft nach oben", sagt er.

Das finden auch Markus Büchler und Claudia Köhler, die zwei Landtagsabgeordneten der Grünen aus dem Landkreis. Beide rufen die Bürger dazu auf, Einwendungen gegen diesen Antrag einzureichen, und stellen wie zahlreiche ihrer Fraktionskollegen auch Musterformulare zur Verfügung. In neun Punkten sind darin die Vorbehalte zusammengefasst. Die Grünen bemängeln etwa, dass die Vorbelastung des Flusses durch natürliche und künstlich erzeugte Radioaktivität nicht dargestellt sei und dass eine Auflistung fehle, welche Nuklidgemische eingeleitet werden, um nachzuprüfen, ob die Gefahr von Toxizität für die Umgebung besteht.

Fraglich sei auch, warum die TU eine Genehmigung für die nächsten 30 Jahre beantragt. Die Grünen fordern, die Nullvariante zu prüfen, also die radioaktiven Stoffe als Atommüll zu behandeln. Und es fehlt auch nicht die Kritik daran, dass der Forschungsreaktor immer noch mit hochangereichertem Uran arbeitet, einem "international geächteten, waffenfähigen" Material. Die Grünen fordern die sofortige Umrüstung auf einen Brennstoff mit niedriger Anreicherung.

"Es geht um die Vermeidung unnötiger Belastung", sagt Büchler zur beantragten Wasserableitung. Für ihn gehe es ums Prinzip. "Ich gehe auch lieber durch einen sauberen Wald spazieren, ohne Müll. Unsere Isar ist doch kein Abwasserkanal." Büchler ärgert sich über das Verfahrensprozedere, das zwar eine Bürgerbeteiligung vorsieht, aber voraussetzt, dass sich der Einzelne durch Aktenberge durcharbeitet, die noch dazu für einen Laien kaum verständlich seien. Er orientiere sich gerne an der Schweiz.

Dort würden Sachverhalte vor Abstimmungen verständlich auf einem Din-A-4-Blatt zusammengefasst. "Ich habe auch nicht die Möglichkeit, wissenschaftliche Studien zu erstellen", sagt der Abgeordnete, "aber wir haben das, was uns Bauchschmerzen bereitet, formuliert." Wenn die Fachleute ihm beim Erörterungstermin belegen könnten, dass die Einwendungen unbegründet sind, dann sei es ja gut, sagt Büchler: "Aber es muss schon viel passieren, dass mich die TU davon überzeugen kann, dass es notwendig ist." Er wisse, dass Grenzwerte eingehalten würden und die Fische nicht mit dem Bauch nach oben schwämmen, sagt Büchler. Doch es bliebe die Frage: "Warum einleiten? Entsorgt es woanders."

Wie viele Einwendungen bisher schon eingegangen sind, kann das Landratsamt noch nicht sagen, da die Anzahl erst nach dem Ende der Frist am 25. Januar erhoben wird. Aber die Behörde macht Angaben zum Inhalt des Verfahrens, so auch zu den neuen Mengen. "Die vom Betreiber beantragte Jahresaktivitätsableitung für Tritium und andere Radionuklide ist insgesamt geringer als die bisherige. Für die Radiochemie (RCM) soll diese für Tritium nur noch ein Zehntel betragen, für die anderen Radionuklide etwa die Hälfte. Die beantragte Jahresaktivitätsableitung des FRM II bleibt gleich", teilt das Landratsamt mit.

Auch insgesamt werde mengenmäßig weniger Abwasser in die Isar eingeleitet. Vor der Einleitung werde das gesammelte radioaktive Abwasser zudem aufbereitet. Die dabei herausgefilterte Radioaktivität werde als radioaktiver Abfall entsorgt. Was die Einleitung der radioaktiven Stoffe für die Umwelt bedeutet, dafür nennt das Landratsamt Zahlen. In den vergangenen Jahren habe die tatsächliche Einleitung unterhalb von einem Prozent des gesetzlichen Grenzwerts gelegen.

Laut Andrea Voit, Pressesprecherin des Reaktors, haben die Forschungseinrichtungen, der Reaktor und die Radiochemie, an der Gesamtbelastung der Radioaktivität der Isar einen Anteil von 0,33 Prozent. Dagegen gingen 93 Prozent auf die Kernkraftwerke Isar I und II zurück, auch die Kläranlage Großlappen steuere 3,78 Prozent bei, sagt Voit.

Dem Landratsamt zufolge wird das Abwasser zunächst gesammelt und chargenmäßig abgegeben. Die radioaktiven Stoffe im Abwasser werden mit Messeinrichtungen überwacht, Sachverständige übernähmen die Prüfung. Sie schickten ihre Untersuchungsergebnisse ans Landratsamt, das sie wiederum an die Fachbehörden weiterleitet. "Diese Messungen führt der Betreiber selbst durch", teilt das Landesamt für Umwelt (LfU) mit und schreibt weiter: "Zur Kontrolle der Eigenüberwachung misst das Bundesamt für Strahlenschutz ebenfalls Abwasserproben des FRM II."

Zudem gebe es das Umgebungsüberwachungsprogramm des Landesamts, bei dem Proben aus allen Umweltbereichen, auch Wasser- und Sedimentproben der Isar, regelmäßig ausgewertet werden. Die Ergebnisse veröffentlicht das LfU in seinem Strahlenhygienischen Jahresbericht, der auch im Internet nachzulesen ist.

Mustereinwendungen gibt es auf den Homepages der Grünen-Abgeordneten. Die Unterlagen zur Genehmigung sind abrufbar unter www.landkreis-muenchen.de/themen/umwelt/wasser/bekanntmachung-wasserrechtlicher-verfahren. Der Garchinger Bauausschuss berät das Thema am Dienstag, 15., der Gemeinderat Ismaning am 16. Januar.

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