FRM II:Richter geben TU beim Garchinger Reaktor freie Hand

Lesezeit: 2 Min.

Im kommenden Jahr soll die Forschungs-Neutronenquelle der Technischen Universität (TU) in Garching, hier das Reaktorbecken sowie das Abklingbecken, wieder hochfahren - auch ohne niedriger angereichertes Uran. (Foto: Robert Haas)

Die Anlage kann auch ohne Umrüstung auf niedriger angereichertes Uran hochgefahren werden. Das begründet der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil mit einer unwirksamen Frist. Das juristische Ringen ist noch nicht zwangsläufig beendet.

Von Patrik Stäbler, Garching

Die Klage des Bundes Naturschutz gegen den Betrieb des Garchinger Forschungsreaktors mit hochangereichertem Uran hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VHG) bereits im Juni abgewiesen. Nun liefert das Gericht die schriftliche Begründung seines Urteils nach, das Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) seinerzeit als „Entscheidung für die Wissenschaft und gegen Ideologie“ bezeichnete. In der Begründung weist der VGH die Auffassung des Umweltschutzverbands zurück, wonach in der Genehmigung für den Forschungsreaktor München II, kurz FRM II, eine Frist bis Ende 2010 für die Umrüstung des Reaktors auf niedrig angereicherte Brennelemente gesetzt worden sei.

Vielmehr sei dies lediglich als Auflage zu sehen, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Jedoch habe die Technische Universität München (TU) als Betreiberin allein schon mangels geeigneter Brennelemente den Reaktor noch gar nicht umrüsten können.

Genau dies soll aber bald möglich werden. So vermeldete der FRM II im April die Unterzeichnung eines Vertrags mit der französischen Firma Framatome über die Fertigung eines niedrig angereicherten Brennstoffs für die Umrüstung des Reaktors. Dies sei „die Garantie für eine zuverlässige und nachhaltige Versorgung mit Neutronen für Forschung und Innovation“, sagte damals Christian Pfleiderer, der Wissenschaftliche Direktor des FRM II. Nach derzeitigen Plänen will die TU 2025 einen Genehmigungsantrag für die Umrüstung vorlegen. Ebenfalls im kommenden Jahr soll der Reaktor auch wieder hochgefahren werden, nachdem er nun schon seit März 2020 stillsteht – erst aufgrund von Corona und danach wegen diverser Reparatur- und Wartungsarbeiten, Engpässen im Abklingbecken sowie Problemen bei der Lieferung von neuen Brennstäben.

Unter anderem, um die Wiederaufnahme des Betriebs mit hochangereichertem Uran zu verhindern, hatte der Bund Naturschutz (BN) im Mai 2020 Klage gegen den Freistaat Bayern erhoben. „Wir nehmen es nicht hin, dass der Reaktor in Garching weiterhin mit diesem hochgefährlichen Brennstoff betrieben wird“, sagte BN-Vorsitzender Richard Mergner im Vorfeld der Verhandlung vor dem VGH im vergangenen Juni. „Die atomrechtliche Genehmigung ist glasklar und hat einen Betrieb nur bis Ende 2010 erlaubt.“ Dies bewertet das Gericht jedoch anders, wie nun in der Urteilsbegründung dargelegt wird.

Zwar bestehe weiterhin die Pflicht zur Umrüstung auf niedrig angereichertes Uran, so der VGH. Doch weil dies technisch noch nicht möglich sei, sei die Fristbestimmung unwirksam geworden. „Dem Umrüstungszeitpunkt, der letztlich auf einer politischen Entscheidung beruht habe und nicht auf rechtlichen Vorgaben, komme keine so wesentliche Bedeutung zu, dass durch die Nichteinhaltung die gesamte Betriebsgenehmigung nichtig geworden wäre“, heißt es in der Mitteilung zur Urteilsbegründung.

Der BN will eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht prüfen

Eine Revision gegen seine Entscheidung hat das oberste bayerische Verwaltungsgericht nicht zugelassen. Dennoch könnte das juristische Ringen um den Garchinger Forschungsreaktor noch nicht zu Ende sein. Denn dem BN steht die Möglichkeit offen, Beschwerde gegen die Nichtzulassung beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. Ob der Verband diesen Weg gehen wird, lässt Landesgeschäftsführer Peter Rottner offen. „Wir schauen uns jetzt erst mal die Urteilsbegründung an. Danach werden wir entscheiden, ob wir eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.“

Kernforschung in Garching
:Ein Reaktor, der seit 20 Jahren spaltet

Am 2. März 2004 ging der Forschungsreaktor FRM II im Norden Münchens in Betrieb, doch seit vier Jahren steht er still. Im Juni steht ein Gerichtstermin an, bei dem sich voraussichtlich entscheidet, ob die Neutronenquelle wieder hochgefahren wird.

Derweil laufen in Garching die Planungen für ein Wiederhochfahren des FRM II im kommenden Jahr. Dieser war 2004 als Nachfolger des sogenannten Atomeis in Betrieb gegangen, dem 1957 erbauten ersten Forschungsreaktor überhaupt in Deutschland. Eigenen Angaben zufolge liefert der FRM II Neutronen für Forschende aus aller Welt sowie für Medizin und Industrie. Laut Wissenschaftsminister Blume handelt es sich bei dem Reaktor um eine „extrem wichtige Forschungsinfrastruktur für Bayern, Deutschland und Europa“. Um diese fit für die Zukunft zu machen, arbeite man „mit vollem Einsatz und gemäß Fahrplan“ an der Umrüstung auf einen Betrieb mit niedrig angereichertem Uran, versicherte FRM-II-Direktor Christian Pfleiderer nach dem VGH-Urteil im Juni. „Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Krebspatientinnen und -patienten sowie Industrieunternehmen benötigen die Neutronen der Forschungs-Neutronenquelle dringend.“

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusSZ-Serie: Gründerzeit
:Auf der Jagd nach den besten Spermien

Das Neubiberger Start-up Biospire arbeitet zusammen mit dem Labor des Kinderwunschzentrums der LMU daran, die Erfolgschancen bei künstlicher Befruchtung zu erhöhen. Ein spezielles Mikroskop hilft, die Samenzellen zu identifizieren.

Von Angela Boschert

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: