Forschung:Fledermäuse als Katastrophen-Schützer

Wissenschaftler der Bundeswehruniversität Neubiberg beobachten das Bewegungsverhalten von Flugtieren - mit Hilfe der internationalen Raumstation ISS.

Von Frederick Mersi, Neubiberg

Forschung: Andreas Knopp (links), Professor an der Bundeswehruniversität in Neubiberg, setzt Drohnen ein, um die Datenübermittlung von fliegenden Tieren ins All zu simulieren. Foto: OH

Andreas Knopp (links), Professor an der Bundeswehruniversität in Neubiberg, setzt Drohnen ein, um die Datenübermittlung von fliegenden Tieren ins All zu simulieren. Foto: OH

Drohnen haben normalerweise keine gute Presse. Wenn es darüber hinaus die Universität der Bundeswehr ist, die mithilfe der Flugroboter forscht, schrillen schnell einmal die Alarmglocken. Doch Andreas Knopp, Professor für Informationsverarbeitung, und seine Mitarbeiter könnten mit ihren Simulationen und Messungen einen entscheidenden Teil zum Erfolg eines ambitionierten Forschungsprojekts, der Intiative Icarus (International Cooperation for Animal Research Using Space) beitragen.

Die Ziele der Wissenschaftler unter der Leitung des Ornithologen Martin Wikelski sind dabei alles andere als bedrohlich: Durch die Erforschung des Bewegungsverhaltens von Zugvögeln und Fledermäusen sollen Epidemien eingedämmt, Vulkanausbrüche und Erdbeben vorhergesagt, Klimaveränderungen erkannt und bedrohte Tierarten besser geschützt werden können.

Auf der Raumstation ISS sollen die Daten der Tiere gesammelt werden

Bisher wurden die Daten dafür durch Beringung und unmittelbare Beobachtung der Tiere gesammelt, ein ineffizienter und teurer Prozess. Durch Icarus soll sich das vom August 2016 an ändern: Dann wird ein Empfangsmodul für die Daten der Tiere auf der Internationalen Raumstation ISS installiert und in Betrieb genommen.

Um dies zu realisieren, arbeiten das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR), die Europäische Raumfahrtbehörde Esa und die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos zusammen. "Die russischen Kosmonauten nehmen die Hardware mit und werden geschult, sie einzubauen und in Betrieb zu nehmen", sagt Knopp.

Verzögerungen hatte es bei der Kooperation aufgrund der politischen Spannungen zwar gegeben, auf persönlicher Ebene habe die Zusammenarbeit jedoch gut funktioniert. "Die russischen Wissenschaftler wurden hier sehr freundschaftlich eingebunden", berichtet Knopp.

Etwa tausend Tiere werden mit Sendern ausgestattet

Wenn nach dem Einbau in den russischen Teil der ISS auch das Empfangsmodul gut funktioniert, soll Icarus damit beginnen, Daten zu sammeln: Rund 1000 Tiere werden im Rahmen zehn verschiedener Projekte auf fünf Kontinenten bis 2018 mit Sendern ausgestattet, die unter anderem Daten zu Position, Umgebungstemperatur und Luftdruck an das Modul in der Raumstation ISS übermitteln sollen. Dort werden die Informationen gebündelt und über ein russisches und ein deutsches Kontrollzentrum in eine Datenbank eingespeist, die "Movebank".

Am Ende sollen dabei umfangreiche Erkenntnisse über verschiedenste Tierarten stehen. Unter anderem soll auch die Frage beantwortet werden, ob Tiere einen siebten Sinn für nahende Naturkatastrophen haben. Indizien weisen schon seit Langem darauf hin.

Durch Icarus soll klar werden, welche Tierarten für Vorhersagen am verlässlichsten sind. In Testprojekten wurde 2012 beispielsweise bei Ziegen am Ätna auf Sizilien auffälliges Verhalten gemessen, sechs Stunden bevor der nahe gelegene Vesuv ausbrach.

Drohnen als Testvögel

Dies ist nicht nur für Wissenschaftler, sondern auch für Versicherungsunternehmen interessant. "Für Wikelski geht es aber nur um die wissenschaftliche Nutzung", stellt Knopp klar. Der Beitrag seines Teams liegt im Test und der Anpassung der Übertragungstechnik zwischen den Sendern und der Raumstation.

Drohnen, die über dem Landkreis München flogen, fungierten als Testvögel und sendeten Daten je an ein Flugzeug und einen Satelliten der Bundeswehr. Dies war notwendig, um herauszufinden wie die Datenübermittlung zur Raumstation ideal vonstatten gehen kann. Ein gerade einmal fünf Gramm leichter Sender soll die Informationen über 400 Kilometer Entfernung schicken können.

Zum Vergleich: Das verwendete Flugzeug flog in mehreren Kilometern Höhe, der Satellit 36 000 Kilometer über der Erde. Mit ihren Berechnungen durch eine "Interpolierung" der Daten konnten Knopp und sein Team herausfinden, mit welcher Sendeleistung der Kontakt zur ISS optimal hergestellt werden kann.

In Zukunft sollen auch Insekten mit Sendern ausgestattet werden

"Ohne die Bundeswehr", sagt Knopp, "ist mir nicht klar, wie wir das hätten machen sollen." Einen Satelliten bekommt man eben nicht an jeder Universität. Dank Knopps Erfolg kann Icarus aber nun in die Bauphase eintreten. Für die Herstellung der Antennen und des Empfängermoduls an der ISS ist das Unternehmen SpaceTech aus Immenstaad am Bodensee zuständig.

Knopp und sein Team an der Universität der Bundeswehr warten jetzt auf einen neuen Vertrag, um bei Icarus später weiterhin mit elektromagnetischen Tests helfen zu können: "Ich bin guter Hoffnung, dass wir das finanziert bekommen", gibt sich Knopp optimistisch.

Von deutscher Seite, also der DLR und der Max-Planck-Gesellschaft, wurden bislang 22 Millionen Euro in das Projekt investiert. Langfristig sollen sogar Insekten mit Sendeeinheiten ausgestattet werden, um deren Bewegungsverhalten zu verfolgen. Die fünf Gramm, die ein Sender aktuell wiegt, sind für sie jedoch noch ein bisschen zu viel.

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