Flüchtlingsunterkunft in Baierbrunn:Zahlenspiele und diffuse Ängste

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Dass die geplante Unterkunft für Geflüchtete die Baierbrunner bewegt, zeigte sich bei einer Informationsveranstaltung zum Thema im Mai. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Baierbrunn will ihr Soll bei der Unterbringung von Asylbewerbern erbringen, der Landkreis dringt auf eine rentable Größe der Unterkunft. Und im Gemeinderat gibt es Bestrebungen, die Bürger über die Pläne abstimmen zu lassen.

Von Udo Watter, Baierbrunn

Manchmal sagen Zahlen mehr als tausend Worte, aber es ist dennoch keine schlechte Idee, den Zahlen auch ein paar Worte hinzuzufügen. Die Antwort auf die Frage, wie viele Flüchtlinge Baierbrunn im Sinne gerechter Verteilung aufnehmen soll – die Gemeinde ist bisher quotenmäßig ein Underachiever im Landkreis München – birgt ja durchaus Brisanz und weckt eventuell Ängste. Wie Landrat Christoph Göbel (CSU) bei der zurückliegenden Bürgerversammlung in Baierbrunn konstatierte, ist die Zahl deutlich geringer als schon kolportiert wurde. Nicht zur Unterbringung von deutlich mehr als 100 Schutzsuchenden wäre die Kommune demnach verpflichtet. Sie müsste nur rund 40 aufnehmen – was damit zu tun hat, dass die Gemeinde bei der Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge, die einen anderen rechtlichen Status haben als klassische Asylbewerber, ihr Soll übererfüllt und dies teilweise angerechnet wird.

Nicht zuletzt dank der Unterstützung des im Ort ansässigen Wort & Bild Verlages sind mehr als 75 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Gemeinde untergekommen. Die geplante Flüchtlingsunterkunft am Wirthsfeld rechnet sich für den Landkreis erst, wenn dort Platz für mehr als 40 Leute geschaffen würde. Im Moment sehen die Pläne daher drei Fertighäuser vor, die Platz für je 24 Menschen böten, also insgesamt für 72.

„Weil wir uns aber vor allem für die Aufnahme von Familien mit Kindern bewerben, gibt es da Spielraum“, erklärt Baierbrunns Bürgermeister Patrick Ott (ÜWG). Heißt konkret, dass nicht alle der Teil-Einheiten voll aufgefüllt werden, wenn dort etwa eine Familie mit zwei Kindern wohnt, und es theoretisch noch Platz für zwei weitere Bewohner gäbe. Ott rechnet mit einer etwa 80-prozentigen Auslastung, rund 50 bis 55 Plätzen, die letztlich belegt würden. Ott hofft, dass ein Teil der Wohneinheiten sogar mit ukrainischen Familien belegt werden könnten, die im Moment noch in einer größeren Sammelunterkunft im Norden des Landkreises lebten. Das wäre eine akzeptablere Entwicklung für jene besorgten Bürgerinnen und Bürger Baierbrunns, die „diffuse Ängste vor Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund“ hätten, wie Ott es ausdrückt. Gemeint sein dürften damit wohl Menschen aus Afghanistan oder Syrien.

In der Gemeinde Baierbrunn leben derzeit noch neun Menschen, die in der Zeit der großen Fluchtbewegungen 2015/16 im Isartal untergekommen sind, sogenannte „Fehlbeleger“ die ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland, aber auf dem normalen Wohnungsmarkt keine Chance haben.

Die geplante Flüchtlingsunterkunft am Wirthsfeld, die auf einen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats im Mai 2022 zurückgeht, könnte bereits im Frühjahr 2025 bezugsfertig sein. Glücklich mit dieser Festlegung und den Plänen sind am Ort allerdings nicht alle, auch aus der Reihe der Gemeinderäte erklingt die ein oder andere skeptische Stimme. Interessant dürfte in dieser Hinsicht die für diesen Dienstag anberaumte Gemeinderatssitzung sein: Da geht es in Punkt fünf der Tagesordnung um die Flüchtlingsunterkunft am Wirthsfeld. Gleich danach, und unter Punkt sechs steht der Antrag von drei CSU- und zwei SPD-Gemeinderäten, ein Ratsbegehren anzusetzen. Zudem wurde am Wochenende ein Flugblatt mit den Logos der beiden Parteien verteilt, in dem eine „gemeinsame Suche nach besseren Standortmöglichkeiten“ ins Spiel gebracht wird. Die Grundsatzentscheidung von 2022 und somit der Standort Wirthsfeld solle neu überdacht und bewertet werden.

Möglicherweise gilt es also, noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten – und irgendwann werden dann aus den Zahlen Menschen. Menschen, die da sind.

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