Süddeutsche Zeitung

Standardhaus für Flüchtlinge:Quadratisch, wohnlich, rentabel

Der Projektentwickler Ehret & Klein aus Starnberg hat ein Standardhaus für Flüchtlinge entwickelt und ist damit in eine Marktlücke gestoßen. In vielen Gemeinden des Landkreises wird der zweigeschossige Holzquader demnächst ganze Siedlungen prägen.

Von Bernhard Lohr

Der erste Versuch war ein ziemlicher Flop. Als ein Projektentwickler in Haar einen Vorschlag für den Bau einer Flüchtlingsunterkunft präsentierte, war beim Anblick des skizzierten Gebäudes die Enttäuschung bei den Gemeinderäten mit Händen zu greifen. Ein lang gezogener Bau, vorne und hinten eine Tür, und mittendurch ein langer Gang, von dem die Zimmer abgehen. Nein, so etwas wollte in Haar keiner auf die Wiese stellen. Niemand wollte Baracken in Haar haben, wie es sie nach 1945 für die vielen Vertriebenen gegeben hatte. Die Suche nach einer intelligenteren, zeitgemäßeren Lösung begann.

Und die war bald gefunden. Auf einen Hinweis des Landratsamts hin nahm das Haarer Rathaus mit dem Projektentwickler Ehret & Klein aus Starnberg Kontakt auf, der ein Standardhaus entwickelt hat, das in diesen Wochen in vielen Gemeinden im Landkreis errichtet wird. Alles andere als Baracken sollen es werden, vielmehr ist unter dem nicht zufällig gewählten Namen Feel Home an Unterkünfte gedacht, die für die Bewohner im Umfeld anzusehen sind und den Bewohnern der Häuser gewisse Wohnqualität bieten.

Die Projektentwickler sind offenkundig in eine Marktlücke gestoßen. Gemeinden suchen händeringend nach Unterkünften, die Flüchtlinge auch auf Jahre beherbergen können. Die Wohnwagensiedlung in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ist zum Symbol für diesen Missstand geworden. Ottobrunn will nun in großem Stil solche Holzblockhäuser aufstellen. Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat bereits einen Bauantrag abgesegnet. In Haar und Taufkirchen laufen die Vorarbeiten für die Errichtung der Gebäude. Am weitesten ist man in Gräfelfing, wo bereits mehrere davon am Ortsrand stehen. Eine kleine, eigene Siedlung ist da am Entstehen.

In den Feel-Home-Häusern werden, weil sie ein Obergeschoss vorsehen, relativ viele Personen auf engem Raum untergebracht, bei dem Versuch zumindest, in den vier jeweiligen Modulen ansatzweise Privatsphäre zu ermöglichen. Die Baracke, die in Haar zunächst vorgesehen war, hätte 48 Personen aufnehmen können, jetzt ist Platz für drei Gebäude und 96 Bewohner.

Für die Investoren ist es ein einträgliches Geschäft

Michael Ehret, Geschäftsführer von Ehret & Klein, sagt, das Landratsamt habe Anbieter von Wohnraum für Flüchtlinge gesucht. Daraufhin habe man ein Angebot gemacht, das nun in mehreren Gemeinden umgesetzt werde. Dazu hat Ehret & Klein in acht Kommunen im Landkreis - in Taufkirchen, Oberhaching, Haar, Gräfelfing, Feldkirchen, Brunnthal, Ismaning und Planegg - eigene Feel Home KGs gegründet, die als Bauherren auftreten und die Gebäude dann für zehn Jahre an den Freistaat vermieten. Auch wenn Michael Ehret sagt, dass es ihn motiviert habe, sich als Immobilienentwickler mit der Kompetenz seines Teams dem gesellschaftlich herausfordernden Thema der Flüchtlingsunterbringung anzunehmen, räumt er ein, dass es natürlich auch ein einträgliches Geschäft sei.

Private Investoren seien mit eingestiegen, sagt er. Hinter der Feel Home Verwaltungs GmbH stehen eine Heads Swiss AG aus dem schweizerischen Zug und eine "W Beteiligungen GmbH" mit Sitz in Frankfurt am Main. Geschäftsführer von letzterer ist Martin Weckwerth, der bis April für den weltweit tätigen Finanzinvestor Permira im Aufsichtsrat von Hugo Boss saß.

Jedenfalls haben die von Ehret & Klein konzipierten Gebäude wenig mit einer Baracke gemein. Es handelt sich in der Regel um zweigeschossige auf Holz basierende Blockhäuser mit in der Mitte liegendem Treppenaufgang. Die vier Wohneinheiten bieten insgesamt 32 Personen Platz. Eine Einheit besteht aus zwei getrennten Schlafzimmern für je vier Personen sowie zwei Bädern, einer Küche und einer Waschmaschine. Die Wände sind, hell und dunkel variierend, in Holzdesign gestaltet. Man habe versucht, schnell zu errichtende solide Gebäude zu planen, sagt Ehre, und "das gesundheitliche und sittliche Wohlempfinden" der künftigen Bewohner zu beachten.

Später könnten die Häuser Studenten beherbergen

Michael Ehret, der als geschäftsführender Gesellschafter auch hinter den einzelnen Gesellschaften in den Gemeinden steht, sagt, Ehret & Klein habe abgestimmt mit staatlichen und nicht staatlichen Organisationen die Gebäude entworfen. Ein Team aus Planern, Ingenieuren und Zulieferbetrieben sei mit dem Projekt befasst.

Die Häuser könnten kleinteilig, an den jeweiligen Standort angepasst aufgebaut werden und entsprächen den Vorgaben des Standardraumbuchs der Staatsregierung. Leitlinien des Bayerischen Sozialministeriums für solche Unterkünfte würden erfüllt. Bei Statik und Brandschutz seien Vorschriften eingehalten. Nach zehn Jahren könnten die Gebäude Wohnungslosen oder Studierenden dienen, sagt Ehret, sie könnten auch umweltgerecht abgerissen und entsorgt werden.

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SZ vom 01.12.2015/wkr
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