Flüchtlingspolitik:Brandbrief an den Innenminister

Unterhaching, Rathaus, Fotoausstellung über Flucht und Heimat, Helferkreis Asyl und Fotoclub Lichtwerk,

Flüchtlinge haben mit Hilfe des Fotoclubs Lichtwerk und des Helferkreises ihren Alltag in Unterhaching dokumentiert. Dabei entstand diese Aufnahme. Repro: Angelika Bardehle

Unterhachinger Lokalpolitiker von CSU, SPD, Grünen und FDP beklagen in einem Schreiben an Joachim Herrmann die Verweigerung von Arbeitsgenehmigungen für Flüchtlinge. Sie sehen die Integrationsbemühungen konterkariert.

Von Daniela Bode und Martin Mühlfenzl, Unterhaching

Die strikten Vorgaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zur Verweigerung von Arbeitsgenehmigungen für Flüchtlinge mit geringer Bleibeperspektive empören die Unterhachinger Gemeinderäte quer durch die Parteien. Die Fraktionsvorsitzenden Karin Radl (SPD), Richard Raiser (CSU), Claudia Köhler (Grüne) und Bernard Maidment (FDP) haben sich in einem offenen Brief gemeinsam an den Minister gewandt.

Sie bemängeln darin, dass die Arbeit der ehrenamtlichen Flüchtlingsbetreuer zunichte gemacht werde, und bitten den Minister, den Landratsämtern wieder Entscheidungsmöglichkeiten zuzugestehen. Landrat Christoph Göbel (CSU) hat jüngst deutlich gemacht, dass er die Pläne, Asylbewerbern mit geringer Bleibeperspektive keine Arbeitserlaubnis mehr zu erteilen, nicht gutheißt. "Ich halte das für falsch und fatal", sagte er beim Neujahrsempfang der CSU in Ottobrunn.

In Unterhaching wohnen laut den Lokalpolitikern derzeit knapp 500 Flüchtlinge, viele davon auch aus Nigeria und Afghanistan. Zahlreiche Unterhachinger hätten die Integrationsbemühungen von Anfang an in ihrer Freizeit engagiert unterstützt. Fast alle Flüchtlinge, die länger in Unterhaching untergebracht sind, hätten einen festen Arbeitsplatz.

"Anträge unserer Schützlinge aus Nigeria und Afghanistan werden derzeit nicht behandelt"

Doch einige davon sind offenbar in Gefahr: Aufgrund der Weisung Herrmanns, Arbeitsgenehmigungen nur noch nach der Bleibeperspektive des Flüchtlings zu erteilen, würden derzeit auch keine Arbeitsgenehmigungen verlängert, kritisieren die Fraktionssprecher. "Anträge unserer Schützlinge aus Nigeria und Afghanistan werden derzeit nicht behandelt", schreiben sie und weisen auch auf den Schaden für die Unternehmen hin, die kurzfristig ohne bewährte Mitarbeiter dastünden. So fehlten zum Beispiel dem Caterer, der die Grund- und Mittelschule mit Mittagessen versorge, zwei Mitarbeiter. Gemeinde-Sprecher Simon Hötzl berichtet auch von zwei Nigerianern, deren Arbeitserlaubnis nicht verlängert wurde.

Die Unterhachinger Fraktionsvorsitzenden kritisieren die Folgen für die Integration: Die Flüchtlinge, die fleißig gearbeitet hätten, würden zum Nichtstun gezwungen. Mit sozialen Spannungen in den Unterkünften würde die Kommune allein gelassen. Die Lokalpolitiker fordern den Innenminister daher zum Handeln auf. Er solle die Weisung, Arbeitsgenehmigungen restriktiver zu erteilen, insofern zurücknehmen, dass alle ausstehenden Anträge zur Fortführung von Arbeitsverhältnissen zügig behandelt werden können. Ebenso bitten sie den Minister, den Landratsämtern wieder Spielraum zu geben, etwa bei Einzelfallentscheidungen.

Das Landratsamt hat seine Praxis nicht geändert

Laut einer Sprecherin des Landratsamtes gibt es keine ministerielle Weisung, Asylbewerbern mit geringer Bleibeperspektive eine Arbeitserlaubnis generell zu verwehren. Es gebe lediglich ein Ministerialschreiben, das den Landratsämtern Kriterien an die Hand gibt, die in eine Entscheidung über eine Arbeitserlaubnis einfließen können. Der endgültige Beschluss liege im Ermessen der Ausländerbehörden, das Landratsamt nutze den Ermessensspielraum. "Daher wurden auch noch keine Arbeitserlaubnisse ausschließlich aufgrund einer geringen Bleibeperspektive verwehrt", sagt die Sprecherin.

In den vergangenen Monaten seien allerdings einige Beschäftigungsanfragen in der Ausländerbehörde aufgelaufen. Grund ist, dass nun jeder Fall im Detail geprüft werde, ob anhand des Kriterienkatalogs die jeweilige Arbeitserlaubnis erteilt oder verlängert wird. Von den Fällen, die die Unterhachinger Politiker anführen, "hatten wir bisher keine Kenntnis", sagt die Sprecherin. "Wir werden diese Fälle selbstverständlich vorrangig prüfen", betont sie und weist darauf hin, dass bei einem abgelehnten Asylverfahren die Aufforderung zur freiwilligen Ausreise ein Grund sein kann, eine Beschäftigungserlaubnis zu versagen.

Bei Afghanen darf die Bleibeperspektive keine Rolle mehr spielen. Denn den Ausländerbehörden liegt eine Ergänzung zu der Weisung Herrmanns vor. Darin erklärt das Ministerium, dass es "rechtlich unzulässig" sei, "Afghanen während eines laufenden Asylverfahrens grundsätzlich oder gar generell eine Beschäftigungserlaubnis zu versagen". Grund ist: Die Anerkennungsquote für Afghanen sei in den letzten Monaten auf 55,8 Prozent gestiegen, hieß es in dem Ergänzungsschreiben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: