Flüchtlingsbetreuung:Aus Helfern werden Mitglieder

Flüchtlingsbetreuung: Gerhard Bieber von den Johannitern beobachtet, dass viele Menschen sich langfristig engagieren.

Gerhard Bieber von den Johannitern beobachtet, dass viele Menschen sich langfristig engagieren.

(Foto: Schunk)

Die Johanniter haben während der vergangenen Monate so viele Menschen aufgenommen wie schon lange nicht mehr. Die meisten stießen dazu, weil sie in der Dornacher Notunterkunft spontan Flüchtlinge unterstützten.

Von Sabine Oberpriller, Aschheim

Die Johanniter in der Region verzeichnen so viele neue Mitglieder wie noch nie. Seit September haben 60 freiwillige Helfer aus der Notunterkunft im Aschheimer Gemeindeteil Dornach einen Mitgliedsantrag gestellt. Sprecher Gerhard Bieber erwartet bis Jahresende noch 30 weitere Anträge. Das sei Rekord, sagt er: "Sonst haben wir nach Freiwilligenmessen vielleicht zwei bis vier Anfragen."

Offenbar haben durch die Flüchtlingskrise viele der Helfer dauerhaft zum Ehrenamt gefunden. Ein Beispiel ist Linda Düvel. Vor drei Monaten fühlte sich die 22-Jährige in der Pflicht zu helfen, als all die Menschen ankamen. Von einer Ausbildung zur Sanitätshelferin war da noch keine Rede - mittlerweile ist sie sogar fest angestellt und in Dornach tätig. Als nächstes will sie Erste-Hilfe-Ausbilderin werden, sie überlegt sogar, die Ausbildung zur Sanitäterin zu machen.

Die Aufwandsentschädigung wollen viele gar nicht, aber die Versicherung

Seit Anfang November bieten die Johanniter den Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung für ihren Einsatz bei der Betreuung von Flüchtlingen. Wer vier oder sechs Stunden in einer Flüchtlingsunterkunft hilft, bekommt 30 beziehungsweise 60 Euro erstattet. Finanziert wird das durch Geld, das die Johanniter von der Regierung Oberbayern für den Unterhalt der Flüchtlingsunterkünfte beziehen. In anderen Ehrenamtsbereichen ist bei den Johannitern eine ähnliche Entschädigung seit Langem üblich.

Das ist aber wohl nicht das ausschlaggebende Argument für die vielen Beitritte. "Viele haben sogar kritisch nachgefragt, ob sie die Entschädigung zwingend beantragen müssen", sagt Bieber. Wichtiger als Geld sei den Helfern der bessere Versicherungsschutz. Gerade im Bereich der Flüchtlingsbetreuung ist für eine Mitgliedschaft etwas Papierkram notwendig. So muss zum Beispiel ein Führungszeugnis vorgelegt werden, weil die Helfer häufig mit Kindern oder unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu tun haben.

Bieber beobachtet begeistert den Ruck, der mit der Ankunft der Flüchtlinge durch die Region München gegangen sei, wo sonst Jobs, Nebenjobs und andere Verpflichtungen die Menschen vom sozialen Engagement fernhielten. Die Dornacher Notunterkunft wäre in der Form ohne die freiwilligen Helfer nicht möglich gewesen, heißt es immer wieder. 4426 Mal waren seit der Eröffnung freiwillige Helfer im Einsatz für insgesamt fast 15 400 Flüchtlinge. Zum Vergleich: 212 Mal waren hauptamtliche und ehrenamtliche Johanniter aktiv.

Dass die Unterkunft geschlossen werden sollte, machte viele wütend

Die riesige Unterkunft, die vielen Flüchtlingen als Zwischenstation gedient hat, hat auch in der Gemeinde Aschheim Diskussionen ausgelöst. Als die Regierung von Oberbayern offen darüber nachdachte, aus Dornach eine große Erstaufnahmeeinrichtung zu machen, engagierten sich sogar Mitglieder des Helferkreises in einer Bürgerinitiative, die sich gegen den Plan stemmte. Als vor Kurzem das Aus der Notunterkunft bekannt gegeben wurde, hätte man annehmen können, dass die Helfer erleichtert reagieren, nach all den durchgemachten Nächten.

Im Gegenteil: In der Facebook-Gruppe der Johanniter äußerten sie sich traurig bis wütend. Und waren umso erfreuter, als es hieß, ein Teil der Gebäude werde vorerst in eine Überbrückungsunterkunft umgewandelt. In der großen Unterkunft herrscht ein positives Klima, das seinesgleichen sucht. "Der Dusel ist, dass alle, die etwas zu sagen haben, sich sofort gut verstanden haben", sagt Bieber - vom Helferkreis über die Security bis zu Bürgermeister Thomas Glashauser. "Die Helfer kommen hier auch einfach so auf einen Kaffee vorbei", sagt er. "Das ist die höchste Auszeichnung."

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