Flüchtling aus Afghanistan:Wie aus Maqsoud Maxi wurde

Unterhaching, Hotel Holiday Inn, Asylbewerber Maqsoud Adeeb macht Ausbildung zum Hotelfachmann,

Dass er im Hotel alle paar Monate die Abteilung wechseln muss, macht Maqsoud nichts aus. Auch an der Bar des Unterhachinger Hauses fühlt er sich wohl.

(Foto: Angelika Bardehle)

Vor vier Jahren sprach er noch kein Wort Deutsch, jetzt macht er eine Ausbildung zum Hotelkaufmann: Maqsoud ist aus Afghanistan geflohen und in Unterhaching angekommen. Er fühlt sich hier so zu Hause, dass sogar sein Leibgericht ein typisch deutsches ist.

Von Roman Schukies, Unterhaching

Afghanistan ist weit weg. Sehr weit weg. Und das nicht nur geografisch. Für die rund 6500 Kilometer lange Strecke bräuchte man mit dem Auto mehr als 70 Stunden. Aber kaum jemand kann sich vorstellen, was es heißt, das eigene Land, die vertraute Umgebung, liebe Verwandte, die gewohnte Sprache, kurz: einen guten Teil seiner Identität zurückzulassen. Kein Grund zum Grübeln für Maqsoud. Er hat sein Geburtsland lange nicht mehr gesehen. Und blickt doch optimistisch in die Zukunft. Der 21-Jährige macht in Unterhaching eine Lehre zum Hotelkaufmann und ist heuer im zweiten Lehrjahr.

Vor vier Jahren sprach Maqsoud kein Wort Deutsch

Eine rasante Entwicklung: noch vor vier Jahren sprach Maqsoud kein Wort Deutsch. Ohne Eltern kam er nach Deutschland und bat um Asyl. Und hatte Glück im Unglück: Die Behörden glaubten ihm sein Alter nicht. Ein Zahnarzt taxierte sein Gebiss und schätzte ihn jünger ein. Damit war er schulpflichtig. Nach einem nur dreimonatigen Sprachkurs kam er auf die Hauptschule - und legte schon ein Jahr später seinen qualifizierenden Hauptschulabschluss ab. Damit war der Grundstein für eine Ausbildung gelegt. Zusammen mit der Betreuerin der Flexiblen Jugendhilfe München überlegte Maqsoud, welchen beruflichen Weg er einschlagen könnte.

Sabina Mesic erinnert sich gut an Maqsoud. Gerade am Anfang ist die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen besonders intensiv. An zwei bis drei Terminen in der Woche erarbeitet die Einrichtung der Diakonie Chancen und Möglichkeiten für die jungen Menschen. "Seine Fremdsprachenkenntnisse haben uns die Auswahl sehr erleichtert", erzählt sie. "Wir mussten nur noch etwas finden, was ihm Spaß macht." Durch Praktika fand Maqsoud schließlich die Traumstelle im Hotel Holiday Inn. Als der Betrieb zusagte, sprang er vor Freude in die Luft.

Viele Firmen zögern, Flüchtlinge anzustellen

Nicht ohne Grund, wie Mesic weiß. Viele Firmen zögern noch, Flüchtlinge anzustellen. Zu groß sind Unwissen und Unsicherheit. "Hier gilt es, in Zukunft Hemmschwellen abzubauen", findet sie. So wie bei Maqsoud. Er hielt sich zunächst mit dem Reden zurück. Eine Lehrerin riet ihm, erst das Fragen zu lernen: "Wer die W-Fragen kennt, lernt am schnellsten". Ein arabischer Kollege gab ihm noch einen weiteren Tipp: einfach anfangen zu reden. Seitdem lernt und fragt und redet Maqsoud, was das Zeug hält. Manchmal ziehen ihn Freunde auf: "Maxi, du redest zu viel." Er lacht.

Für seine Kumpels ist Maqsoud "Maxi". Sie machen keine große Sache aus seiner Herkunft. Auch für ihn ist die Herkunft eher Teil seiner Geschichte als seines Alltags. Im Hotel kommt er glänzend zurecht. Hier hilft es ihm, dass er selbst einmal auf Gastfreundschaft und Entgegenkommen angewiesen war. Er ist in seinem Beruf besonders aufmerksam. Und anpassungsfähig. In der Ausbildung müssen die Lehrlinge alle paar Monate die Abteilung wechseln. "Ich glaube schon, dass ich hier einen Vorteil habe", findet er. "Ich habe schließlich gelernt, mich an neue Umgebungen zu gewöhnen." Das bestätigt auch Sabina Mesic: "Maqsoud hat eine schnelle Auffassungsgabe, das erleichtert ihm vieles."

Im Hotel stand zuletzt Housekeeping auf dem Lehrplan, als nächstes wird der junge Mann in der Küche stehen. Und bestimmt lernen, seine Leibgerichte selbst zuzubereiten. Kurz nach seiner Ankunft bat er Bekannte um eine Empfehlung. "Schnitzel mit Pommes", rieten die ihm, erinnert er sich. Kartoffeln mag er auch unfrittiert, sie sind inzwischen sein Lieblingsessen.

Wenn er Sehnsucht nach den Gerichten seiner alten Heimat hat, muss er zum Glück nicht auf ein Wiedersehen mit Verwandten warten. In München gibt es ein Restaurant, in dem das Essen nach zu Hause schmeckt. So wie Naan, das Brot seiner Heimat. Die traditionellen, handgeformten Fladen erinnern ihn an die Gerüche seiner Jugend. Für das Essen muss man allerdings Zeit einplanen. "Afghanisches Essen dauert immer lange", sagt Maqsoud lachend. Unter zwei Stunden dürfe man für ein gemeinsames Mahl nicht zu veranschlagen. Glücklicherweise leben einige Verwandte in Deutschland. Mindestens einmal im Jahr treffen die sich. Dann wird zusammengesessen, geratscht, gekocht und gegessen.

"Ich bin schon ein bisschen deutscher geworden`"

Und wenn ihn doch mal die Sehnsucht packt? Dann telefoniert er mit der Mama. "Ich bin Mamas Boy", sagt Maqsoud. "Aber ich bin schon ein bisschen deutscher geworden." Vor allem im Job ist ihm die vermeintliche Tugend Pünktlichkeit zur Gewohnheit geworden. Er ist lieber eine halbe Stunde vorher in der Arbeit als zu spät. Maqsoud ist angekommen: "Hier sind alle so nett. Ich habe mich gar nicht so einsam gefühlt", sagt er. Und möchte hierbleiben: "In München fühle ich mich zu Hause." Außerdem habe er "keinen Bock", noch eine andere Sprache zu lernen. Und was er an den Bayern mag? "An den Bayern? Gar nichts." Kurzes Innehalten. "Ich bin Barcelona-Fan."

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