Ida schnürt die weißen Schuhe mit den hellblauen Rollen fest, streicht sich noch einmal über die geflochtenen Haare und rollt dann los. Ein gutes Dutzend weiterer Mädels, ein Bub und die Co-Trainerinnen haben sich schon in der Osterfeldhalle verteilt an diesem Freitagnachmittag. Sie gleiten über den Parkettboden, drehen sich in Pirouetten. Thora fährt rückwärts elegant durch die Halle, dann setzt die 17-Jährige an zu einem doppelten Rittberger. Man spürt die bewundernden Blicke der Jüngeren. Auch Trainerin Tanja Rietdorf nickt zufrieden.
Seit sie sieben Jahre alt ist, steht die heute 31-Jährige auf den Rollschuhen. Die Nachbarskinder haben sie damals mitgenommen zum Training beim SV Solidarität in ihrem Heimatort Ismaning. Seither hat Rietdorf, so sagt sie, vermutlich mehr Zeit in der Halle verbracht als zu Hause, als aktive Läuferin und, seit 16 Jahren, auch als Trainerin.
„Ein Leben ohne den Rollsport kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagt Rietdorf. Was sie so begeistert, ist der Facettenreichtum beim Rollkunstlauf: Die Sportart umfasst tänzerische Elemente, gleichzeitig verlangt sie eine starke Muskulatur und gute Körperspannung wie auch ein gutes Koordinationsvermögen, um Sprünge und Figuren vollführen zu können. Je nach Vorlieben können die Sportlerinnen und Sportler verschiedene Disziplinen wählen, Einzel- oder Paarlauf, Tanz, in der Gruppe oder als Formation auftreten.
Trotzdem ist Rollkunstlauf nicht so bekannt wie andere Sportarten. In Ismaning umfasst die Abteilung aktuell etwa 50 Aktive, die meisten von ihnen sind Kinder und Jugendliche. „Olympische Sportarten wie Eiskunstlauf stehen eben eher im Fokus“, sagt Rietdorf. Das tut der Begeisterung der Mitglieder aber keinen Abbruch. „Die Bewegung auf den Rollschuhen macht echt Spaß und es ist ein guter Ausgleich zum Lernen in der Schule“, sagt etwa Lisa. Ihre Freundin Emilia und sie machen seit drei Jahren Rollkunstlauf; dreimal die Woche fahren sie dafür aus der Region nach Ismaning in die Halle. „Es ist auch etwas Besonderes, das macht nicht jeder“, ergänzt Emilia.
In Ismaning im nördlichen Landkreis München hat der Rollkunstlauf eine lange Tradition, seit 1949 wird er dort betrieben. Barbara Fesl kam 1961 dazu; heute ist sie Ehrenvorsitzende des Vereins und trainiert die Nachwuchsläufer. Fast jedes Familienmitglied der Fesls steht oder stand mal auf Rollschuhen. „Das Besondere an diesem Sport ist die Ausstrahlung“, sagt Fesl. Die überträgt sich auch in den Alltag: „Alle meine Söhne und Enkelkinder sind gefahren und alle haben heute eine gerade Haltung, auch wenn sie am Schreibtisch sitzen.“

Ausprobieren kann jede und jeder den Sport, der Freude an der Bewegung hat. Immer freitags von 14.30 Uhr an trainiert der Nachwuchs des SV Solidarität in der Osterfeldhalle. Die Gemeinde hat die große Turnhalle vor drei Jahren eigens mit einem speziellen Boden ausstatten lassen für ihre Rollsportler. Die jüngsten Sportlerinnen und Sportler sind etwa fünf bis acht Jahre alt; danach folgt das Training für die Jugendlichen. „Jeder darf bei uns mitfahren“, sagt Fesl. Nur auf eines sollten sich Neugierige gefasst machen: „Hinfallen muss man können bei unserem Sport“, sagt Tanja Rietdorf und grinst.
Nach einer Weile sortiert sich dann, wer besonders ambitioniert ist und mehr Zeit investieren will, um auch bei Meisterschaften anzutreten. Die Sportlerinnen in der Leistungsgruppe erhalten dann eigene Trainingspläne für die Halle wie auch das Kraft- und Ausdauertraining zu Hause. Bald beginnt die Wettkampfsaison. Ein Höhepunkt wird sicherlich die bayerische Meisterschaft, die im Juli in Ismaning stattfinden wird. Tanja Rietdorf und Barbara Fesl werden ihre Mädels fit machen.
Nähere Informationen zum Rollkunstlauf beim SV Solidarität Ismaning im Internet unter https://soli-ismaning.de/rollsport. Jeden ersten Freitag im Monat können Neugierige zu einem Probetraining kommen.