Corona-Auflagen:Fitnesscenter stemmen sich gegen die Krise

Corona-Auflagen: Mit aller Kraft gegen den Trend: Nico Steinegger (stehend) hat mitten in der aktuellen Pandemiewelle sein Fitnessstudio eröffnet.

Mit aller Kraft gegen den Trend: Nico Steinegger (stehend) hat mitten in der aktuellen Pandemiewelle sein Fitnessstudio eröffnet.

(Foto: Claus Schunk)

Die Lockdowns der vergangenen Jahre und die aktuell geltende 2-G-plus-Regel setzen der Branche schwer zu. Dennoch gibt es sogar Unternehmer, die gerade während der Pandemie ein neues Studio eröffnet haben.

Von Michael Morosow und Daniela Bode, Landkreis München

Während ihre Mitglieder in Trainingsräumen Hanteln in die Höhe stemmen, stöhnen die Betreiber von Fitnessstudios im Landkreis München unter der Last der Corona-Auflagen. Viele stemmen sich nach deutlichen Einnahmeverlusten während der beiden Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021 mit dem Mut der Verzweiflung gegen eine drohende Insolvenz. Aber es gibt auch welche, die mitten in der Pandemie ein Fitnessstudio eröffnet haben. Was alle eint, ist die Enttäuschung darüber, dass Wirtshäuser in Bayern Genesene oder doppelt Geimpfte hereinlassen dürfen, während bei ihnen die 2-G-plus-Regel gilt, also zudem ein negativer Test vorgelegt werden muss.

"Ich denke darüber nach, mein Geschäft aufzugeben", sagt Heidi Knözinger, seit acht Jahren Betreiberin des Frauen-Fitnessclubs Mrs. Sporty in Aschheim. Die Mitgliederzahl habe sich seit dem ersten Lockdown halbiert. Hätten nicht viele ihrer Mitglieder ihre Beiträge auch während der insgesamt zehnmonatigen Schließung weiter bezahlt, wäre sie heute bereits insolvent, sagt die Geschäftsfrau. "Wer drei Mal die Woche trainiert, muss drei Mal einen Test vorlegen" - die aktuell gültige 2-G-plus-Regelung sei für viele ihrer Mitglieder einfach zu aufwendig. Dabei sei ihr Studio mit 200 Quadratmetern klein und überschaubar, sodass sie die Einhaltung der Abstandsregeln zu jedem Zeitpunkt kontrollieren könne. "Aber die Großen und die Kleinen werden über einen Kamm geschert", moniert sie. Im Moment komme sie nicht über die Runden, sie hoffe jetzt auf einen Boom in der Branche. Aber was die Zukunft der Fitnessstudios anbelangt, dazu gebe es keine klaren Aussagen. "Wir fischen leider im Trüben", sagt Heidi Knözinger.

Viele Kunden sind in den vergangenen zwei Jahren weggeblieben

"Ich weiß nicht, was weiter kommt" - das beklagt auch Luca Adriano, Geschäftsführer der Clever-fit-Filiale in Oberhaching. Er hat nach eigenen Worten während den Zwangsschließungen zwar viele Kunden verloren, aber auch zahlreiche Neuanmeldungen verbucht. Die 2-G-plus-Regel sei für die Leute in jedem Fall nervig, sagt er. Wenigstens müssten Jugendliche mit Schülerausweis keine Booster-Impfung nachweisen. Testen lassen können sich die Mitglieder dabei vor dem Gebäude in einem Container, dazu habe man extra eine Zeitarbeitsfirma ins Leben gerufen. Diesen Service dürfen laut Adriano auch Nichtmitglieder in Anspruch nehmen. "2020 und 2021 waren für die Branche keine schönen Jahre", sagt Michael Pribil, Inhaber und Geschäftsführer von neun Body-and-Soul-Trainingsstudios im Raum München, darunter eines in Grünwald. Für ihn sei es eine Riesenherausforderung gewesen, durch beide Lockdowns zu kommen, sagt Pribil: "Wir haben viele Kunden verloren, der wirtschaftliche Schaden ist enorm, ich bleibe auf 30 bis 40 Prozent meiner Kosten sitzen."

Aber nicht nur Kunden sprangen ab. Es sei viel schwieriger geworden, neue Mitarbeiter zu finden, so Pribil. Dass Mitglieder gekündigt haben und bei Neukunden der Zuspruch gerade nicht so hoch sei, das liegt seiner Meinung nach auch an der Berichterstattung in den Medien. Hier werde die Angst geschürt, dass man sich in Innenräumen schnell infizieren könne. "Klar, in einem kleinen Keller ist erhöhte Ansteckungsgefahr gegeben, aber wir führen stündlich 60 000 Kubikmeter Frischluft zu, da gibt es keine Aerosole." Die Bestandskunden seien zudem sehr diszipliniert, bei welchen ohne Booster-Impfung werde ein Test unter Überwachung im Studio gemacht.

Eine "Chance in der Krise" hat Nico Steinegger gesehen, als er am 12. Dezember - die Inzidenzwerte schossen gerade wieder nach oben - das Fitnesstudio "Fit+" in Aying eröffnete. Der 23-Jährige hat dafür 150 000 Euro investiert und zeigt sich durchaus zuversichtlich. Im Januar 2020 habe er erstmals Werbung gemacht, nachdem er gemerkt hatte, dass es in seiner Heimatgemeinde keine entsprechenden Angebote gibt. Hundert Kunden habe er am ersten Tag gehabt, inzwischen 140, sagt er. Der junge Mann hofft, eine Amortisierung seiner Investition bereits in vier Jahren zu erreichen. "Klar, ohne Corona würde es besser laufen."

Manche investieren in Qualität: neue Geräte und sogar Whirlpools

Bereits im September 2020 hat Christian Freinecker damit begonnen, seinen Lebenstraum zu verwirklichen und mit einem Geschäftspartner das "Bayernfitnessstudio" in Hohenschäftlarn eröffnet. "Und nach zwei Monaten hat es Bumm gemacht", erinnert sich der Fitness-Betriebswirt. Aber als er von dem Lockdown erfahren habe, habe er gleich gesagt: "Von dem Virus lass' ich mir das nicht versauen." Freinecker gibt sich trotz des Pandemie-bedingt holprigen Starts zuversichtlich - und trotzig: "Wir wollen aufdrehen, jetzt erst recht", sagt er. Er habe das Glück gehabt, dass während der Lockdowns kaum Kündigungen von Mitgliedern eingegangen seien, während der Zeit der Zwangsschließung habe er sein Studio um "180 Grad gedreht": hochwertigere Geräte und sogar einen Whirlpool gekauft. Dass in Fitnessstudios nicht nur Muskeln trainiert würden, sondern allgemein die Gesundheit gestärkt, das wird seiner Meinung nach von der Politik nicht wertgeschätzt. "Die für November 2020 angekündigte Überbrückungshilfe habe ich übrigens erst im Mai bekommen", berichtet Freinecker.

Beim Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen DSSV sieht man die Lage der Branche als schwierig an. "In den letzten zwei Jahren haben wir bundesweit mehr als zwei Millionen Mitglieder verloren", sagt Präsidentin Birgit Schwarze. Auf der anderen Seite blieben Neuanmeldungen aus, die den Verlust von Kunden ausgleichen könnten. Den Grund für die Zurückhaltung bei neuen Mitgliedschaften sieht die Präsidentin vor allem in der "allgemeinen Verunsicherung der Bevölkerung". Weil die Menschen nicht abschätzen könnten, welche Regeln in den nächsten zwei, drei Monaten gelten, seien sie auch nicht bereit, Vereinbarungen mit den Fitnessstudios zu treffen. Völlig schwarz sieht sie für die Fitnessbranche jedoch nicht: "Unsere Betriebe kämpfen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln - sie wollen ja ihre Kunden behalten."

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