Süddeutsche Zeitung

Filmtheater:Für eine Handvoll Euro

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Wirtschaftlich ist der Betrieb von Kinos wie dem "Capitol" in Unterschleißheim derzeit nicht

Von Udo Watter, Unterschleißheim

Der Vorhang geht auf und die Eingangstür, durch die sich gerade noch ein letzter Lichtstrahl in den Raum gestohlen hat, wird geschlossen. Dunkelheit und Surround-Sound hüllen den Besucher ein, begleitet vom Knacken der Popcorn-Mampfer. Das Auge taucht in die Leinwand, Panorama-Optik, zwei Stunden Eskapismus der schönsten Art.

Ja, das Kino kann ein besonderer Erlebnisort sein, gegen den auch ein geschmackvoll eingerichtetes Wohnzimmer mit überdimensioniertem Flachbildschirm, auf dem der neueste heiße Scheiß aus der Netflix-Welt läuft, atmosphärisch nie ankommen wird. Wenn es dann, wie das "Capitol" im Unterschleißheimer Ortsteil Lohhof, noch intimes Flair hat und ein Programm macht, das Arthouse-Filme auch in Gegenden jenseits der Großstädte bringt, dann hat es zudem eine besondere Bedeutung für das lokale Kulturleben.

Für Stefan Stefanov, den Betreiber des Capitols, das seit dem 1. Juni (nach zuvor sieben Monaten Pause) wieder geöffnet hat, bedeutet allein der Kontakt zum Publikum schon viel: "Die Dankbarkeit der Leute ist groß: Endlich wieder Kino." Häufig werde beim Kartenkauf nun aufgerundet, denn alle spüren: Angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen lohnt sich der Betrieb finanziell nach wie vor nicht. Von seinen 81 Plätzen kann Stefanov, 2016 Gewinner des Tassilo-Kulturpreises der SZ, im Capitol nur 25 besetzen. "Wir sind weit davon entfernt, wirtschaftlich zu sein", sagt der gebürtige Bulgare.

Das Capitol gehört zu jenen Kinos, die für ihre kulturell wertvolle Programmgestaltung immerhin regelmäßig staatliche Förderungen erhalten. Und diese Prämien sind seit 2019 kontinuierlich erhöht worden, was Stefanov natürlich freut. Ähnlich sehen es die beiden Grünen Landtagsabgeordneten aus dem Landkreis München, Claudia Köhler und Markus Büchler: "Ein wichtiges Signal der Wertschätzung", schreiben sie in einer Presseerklärung zur Situation der Kinos. Freilich monieren sie auch, dass kleineren Kinos mit anspruchsvollem Programm diese Förderungen wieder von Corona-Hilfen abgezogen werden. Die Förderbank Bayern rechnete Prämien für 2019 auf die Corona-Hilfen für 2020 an. Dass "somit von den besten und fleißigsten Filmtheatern in Bayern über die Hintertür staatliche Mittel rückwirkend wieder eingesammelt werden", sei ein "Unding", so Köhler und Büchler.

Kritisch sieht das auch Thomas Wilhelm, der neben dem bei Unterhachingern beliebten Cincinnati-Kino im Stadtteil Fasanengarten das Neue Rex und Neue Rottmann betreibt: "Einerseits werden Kinoprogrammprämien für qualitative Programme vom FFF Bayern verliehen und groß gefeiert. Auf der anderen Seite wird genau diese Prämie als öffentliche Hilfsleistung im Rahmen der Pandemie wieder zurückgefordert. Ist es nicht ungerecht, weil wir damit wieder gleichgestellt werden mit denen, die eben kein so gutes Programm gemacht haben?", wird er in der Mitteilung der Grünen zitiert. Generell fordern Büchler, Köhler und ihre Parteikollegen schon länger flexiblere Maßnahmen zum sicheren und wirtschaftlich Betrieb von Kinos sowie sinnvolle Besucherregelungen je nach Raumgröße und Platzanzahl.

Auch Stefanov, der mittlerweile ein Luftreinigungsgerät für sein Kino angeschafft hat, wünscht sich klügere Lösungen. Immerhin gilt kein Verzehrverbot. "Das ist entscheidend", so Stefanov, der generell nicht zu Pessimismus neigt. "Die Weichen sind gestellt für einen guten Kinosommer", sagt er angesichts von Filmen wie "Nomadland", "Der Rausch" oder "Kaiserschmarrndrama", der im August startet. Auch andere Kinos im Landkreis wie die Ottobrunner und Haarer Häuser sind schon länger wieder geöffnet und zeigen derzeit ein breites Programm von Blockbustern bis zu anspruchsvollen Werken. Ob dem Versprechen des Sommers freilich ein guter Kinoherbst folgen wird, ist angesichts der Corona-Lage ungewiss.

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SZ vom 24.07.2021
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