Süddeutsche Zeitung

Filmgeschichte:Kulisse nach Maß

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Vor 60 Jahren drehte der damals noch unbekannte Regisseur Stanley Kubrick den Anti-Kriegsfilm "Wege zum Ruhm" im Schloss Schleißheim. Dabei lernte er auch seine spätere Ehefrau kennen

Von Klaus Bachhuber

Als der junge und noch weitgehend unbekannte Regisseur Stanley Kubrick dem berühmten Schauspieler Kirk Douglas ein Drehbuch über einen Kriegsfilm vorlegte, antwortete ihm der Hollywood-Star: "Stanley, I don't think, this picture will ever make a nickel, but we have to make it." (Ich denke nicht, dass wir mit dem Film was verdienen werden, aber den müssen wir machen.) Douglas produzierte den Streifen und spielte die Hauptrolle, für Kubrick bedeutete er den künstlerischen Durchbruch und den Beginn seiner lebenslangen Ehe.

Unverzichtbarer Co-Star des Streifens aber ist die kongeniale Kulisse. "Wege zum Ruhm", der vor 60 Jahren in die Kinos kam, wurde fast ausschließlich in Schleißheim gedreht. Zehn Jahre nach der Veröffentlichung sagte Kirk Douglas: "There's a picture that will always be good, years from now. I don't have to wait 50 years to know that; I know it now." (Der Film wird immer gut sein, noch nach Jahren. Ich brauche nicht 50 Jahre warten, um das beurteilen zu können, ich weiß es jetzt schon.)

"Paths of Glory", so der Originaltitel, demaskiert eine Salon-Intrige französischer Offiziere im Ersten Weltkrieg, mit der sie zur Beförderung der eigenen Karriere die Soldaten in einen militärisch sinnlosen Opfergang schicken - und für das Desaster anschließend auch noch Sündenböcke füsilieren lassen. Bei einer derart bitteren Sicht auf die Offizierswelt am Exempel der französischen war es für die Filmemacher aussichtslos, Drehgenehmigungen an französischen Originalschauplätzen zu erlangen; tatsächlich wurde der Film bis 1975 in Frankreich nicht einmal gezeigt.

Die Illusion eines Châteaus der französischen Generalität

So landete die Crew in Schloss Schleißheim. Das Anfang des 18. Jahrhunderts an französischen Vorbildern orientierte Neue Schloss schuf hier die perfekte Illusion eines Châteaus der französischen Generalität. Das barocke Interieur an der Grenze zur Dekadenz, das Kubrick in seinen Einstellungen stets mit edlen Likören, feinsten Diners und sogar einem Galaball noch aufwertet, kontrastiert mit dem Dreck und der Dunkelheit der Schützengräben.

Die Einstellungen an der Front wurden übrigens in der Nähe von Puchheim gefilmt, die Statisten für die kämpfenden Heere stellte die Münchner Polizei. Kurioserweise lieferte Schleißheim aber nicht nur mit den barocken Schauräumen die ästhetische Kulisse für die abgehobene Offizierswelt. In der großen Galerie wurde die Gerichtsverhandlung gefilmt, im Park die standrechtliche Erschießung, die alten Ökonomiegebäude des Wilhelmshofes dienten als Kerker der Soldaten und als Kneipe in der verstörenden Schlussszene und das Alte Schloss als Quartier des Colonel Dax, gespielt von Kirk Douglas.

1957 war das Alte Schloss nach einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg noch eine Ruine - und genau so zeigt es der Film über den Ersten Weltkrieg. "So sah Dax' Quartier nicht nur aus, als ob es gerade bombardiert worden wäre", heißt es in einer Produktionsnotiz, "das war es in der Tat".

Konflikte mit dem bayerischen Arbeitsrechts

Ein zufällig im Schloss vorgefundenes Detail hat Kubrick in der Gerichtsszene für eine geniale Sequenz genutzt, deren Interpretation in kaum einer Besprechung des Films fehlt: Auf dem schachbrettartigen Marmorboden des Großen Saals wirken die Soldaten vor Gericht wie Schachfiguren, die im großen Spiel der Generäle beliebig verschoben werden - bis hin zum Bauernopfer. Die Exekution findet dann auf der Mittelachse im Park statt, hinter den Kugelfängen lugt am Horizont das Dach von Lustheim hervor.

Unter den Anekdoten aus der Produktion war ein Konflikt Kubricks mit bayerischem Arbeitsrecht. Bei einer Szene der Todeskandidaten im Wilhelmshof soll der detailbesessene Regisseur bei der 63. Aufnahme der gleichen Szene gelandet sein, als er darauf hingewiesen wurde, dass in Bayern Überstunden an einem Samstag nicht gestattet seien. Kubrick soll einige Flüche abgelassen und weiter gedreht haben, bis Aufnahme 74.

Als einzige Frau im Film und als einzige Deutsche wirkte Susanne Christian in "Paths of Glory" mit, wo sie in auch nur einer einzigen Szene auftritt. In der Schlussszene singt sie in den Ökonomieräumen des Wilhelmshofs vor Soldaten ohne Begleitung und in deutscher Sprache das Volkslied vom treuen Husaren. Am Set des Films lernten sich der Regisseur und die Schauspielerin kennen, heirateten 1958 und blieben bis Kubricks Tod 1999 ein Paar. Zum Jahreswechsel 1957/58 lief "Paths of Glory" nach einer Vorpremiere in München weltweit an. Ein großer kommerzieller Erfolg wurde er in der Tat nicht. Heute gilt er freilich als ein Meisterwerk der Filmkunst und einer der prägnantesten Anti-Kriegsfilme. Für Stanley Kubrick, später Regisseur von weiteren Filmklassikern wie "Spartakus", "Lolita", "2001 - Odyssee im Weltraum", "Uhrwerk Orange" oder "Shining", bedeutete er den künstlerischen Durchbruch.

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SZ vom 13.01.2018
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