Feldkirchen:Nachverdichtung entzweit Nachbarn

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Die Danziger Straße gehört zu den Bereichen in Feldkirchen, in denen künftig eine Nachverdichtung möglich sein soll. (Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde will das Schließen von Baulücken ermöglichen, zieht dafür aber enge Grenzen. Manche Anwohner befürchten, dadurch benachteiligt zu werden gegenüber Eigentümern, die früher ihre Häuser erweitert haben. Andere wollen wiederum, dass alles so bleibt, wie es ist.

Von Julia Fietz, Feldkirchen

Wohnraum ist nicht nur in München ein hart umkämpftes Gut. Auch Feldkirchen ächzt unter dem Siedlungsdruck. "Wir könnten jeden Tag mehrere Wohnungen vergeben, so viele Anfragen gibt es", sagt Feldkirchens Bürgermeister Werner van der Weck (SPD). Um weitere Flächenversiegelung zu vermeiden, setzen die Behörden zumeist auf die Nachverdichtung - so auch die Gemeinde Feldkirchen. Bezahlbar, modern, gerecht und möglichst klimafreundlich soll eine Verdichtung sein und dann auch noch so viele Einwohner wie möglich zufriedenstellen.

Wie schwierig es sein kann, hier einen goldenen Mittelweg zu finden, zeigt sich am Beispiel des Bebauungsplans 50, der im Herbst 2018 zum ersten Mal ausgelegt worden war. An der Sudetenstraße sind die Hausnummern 44 bis 64 sowie 23a bis 29 von den Plänen der Kommune betroffen, hinzu kommen die Danziger Straße, die Breslauer Straße, der Königsberger Weg, die Philipp-Holly-Straße und auf dem Riemer Gangsteig die Hausnummern 10 bis 20. Dort soll nachverdichtet werden.

Der Gemeinderat hat sich nun mit den Einwänden von Bürgern befasst und wollte diese in die zweite Änderung des Bebauungsplans aufnehmen. Doch nach vier Stunden war um 23 Uhr die 58 Seiten starke Sitzungsvorlage erst auf Seite 13 geöffnet und Bürgermeister van der Weck beendete den öffentlichen Teil der Sitzung. Immerhin 17 Oberpunkte, unter denen Änderungswünsche zusammengefasst waren, hatten die Gemeinderäte intensiv diskutieren können. Beim nächsten Mal sind die individuellen Stellungnahmen und Wünsche der Grundeigentümer an der Reihe.

Verärgerung über Mindestgrundstücksgröße

Der jetzige Stand der Veränderungen lässt sich kurz zusammenfassen: Das gesamte Plangebiet wird ein allgemeines Wohngebiet, die erlaubte Wandhöhe liegt bei 6,70 Metern, die Grundflächenzahl (GRZ) wird auf 0,25 erhöht und Lichtgräben sind in der Tiefe von 1,50 Meter und mit einer Breite von drei Metern sind zugelassen. Die Mindestgrundstückgröße beträgt 400 Quadratmeter mit mindestens 250 Quadratmetern pro Wohneinheit. Außerdem sind nur Satteldächer zugelassen mit einer Dachneigung von 28 Grad.

Bisher gab es mit Ausnahme eines Baulinienplans aus den Sechzigerjahren keinen Bebauungsplan für das Gebiet. Von den Eigentümern der 46 Grundstücke haben sich die Besitzer von 25 Flächen, die für eine Nachverdichtung zur Verfügung stehen könnten, einem Ende 2018 eingereichten Sammelantrag angeschlossen.

In diesem fordern sie weniger restriktive Vorgaben bei künftigen Bauvorhaben wie etwa dem Ausbau eines Dachgeschosses. "Im Wesentlichen zielen wir darauf ab, dass wir die gleichen Möglichkeiten haben wie auf Basis des Baulinienplans", sagt Juan Roderigo, der sich in der Bürgerfragestunde zu Wort gemeldet hatte und im Namen der Antragsteller sprach. Es könne nicht angehen, dass zukünftige Bauherren schlechter gestellt sein sollten als Eigentümer, die in den vergangenen 30 Jahren ihre Häuser umfangreich erweitern konnten. Mit der Erhöhung der Grundflächenzahl und der Wandhöhe seien sie sehr zufrieden, so Roderigo, bedauerlich sei aber die weiterhin bestehende Vorgabe der Mindestgrundstückgröße. Die verhärtete Diskussion mit den Eigentümern, die sich nicht dem Sammelantrag angeschlossen hatten und möglichst wenig Veränderungen im Siedlungsbild wollen, führt Roderigo auf Missverständnisse zurück. "Die klare Mehrheit will ja auch keine Hochhäuser auf den Grundstücken bauen", betont er.

Angst vor Kleingewerbe und Kneipen

Klaus-Dieter Nitsche gehört zur anderen Seite, zu denen, die so viel wie möglich bewahren und so wenig wie möglich verändern wollen. Der 76-Jährige lebt seit 1973 in dem Wohngebiet und ist nach eigenen Angaben teilweise entsetzt über die beschlossenen Änderungen. Besonders die Festsetzung als allgemeines Wohngebiet liegt ihm schwer auf der Seele. "Wir wollen hier niemanden, der ein Kleingewerbe oder eine Kneipe eröffnet", sagt Nitsche nachdrücklich. Der neue GRZ-Wert sei überdies viel zu hoch. "Mit 0,2 waren wir vollkommen einverstanden, aber 0,25 ist ein gewaltiger Sprung." Zum Glück sei immerhin der Wunsch nach Flachdächern abgeschmettert worden, die optisch nicht ins Bild passen würden. Unter den Eigentümern sei durch die Konflikte um Bewahren und Verändern ein Riss entstanden, sagt Nitsche, viele hätten die Kommunikation miteinander abgebrochen.

Dagmar Herrmann ist vor zwölf Jahren in ihr Elternhaus an der Sudetenstraße gezogen und lebt dort mit Kindern und Mutter zusammen. Sie halte nicht viel von zu starker Reglementierung, sagt die 49-Jährige. Natürlich solle der Siedlungscharakter erhalten bleiben. Dennoch bleibe sie offen für Veränderungen in ihrer Nachbarschaft: "Ich bin nicht so der Gartenzwergmensch, ich kann mir schon auch etwas anderes vorstellen." Die Gründe für die Fronten zwischen den Eigentümern vermute sie weiter zurückliegend. "Ich wohne hier sehr gern in dieser Ecke", sagt Herrmann. "Die Welt dreht sich weiter und mit seinen Nachbarn muss man sich arrangieren."

© SZ vom 07.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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