Süddeutsche Zeitung

Mitten in Feldkirchen:Zu spät gefreut

Die Deutsche Bahn zitiert in einer Jubelmeldung Werner van der Weck als Bürgermeister, obwohl er gar nicht mehr im Amt ist.

Von Anna-Maria Salmen, Feldkirchen

Dass die Deutsche Bahn eine sehr eigenwillige Zeitrechnung pflegt, wird wohl jeder unterschreiben, der schon einmal morgens frustriert und unterkühlt auf die so oft unpünktliche S-Bahn gewartet hat. Als verspätet erkennt der Konzern selbst aber nur Züge an, die mehr als sechs Minuten nach der planmäßigen Abfahrt ankommen, ausgefallene Bahnen tauchen ohnehin nicht in der Statistik auf. Offenbar hängt die Bahn aber nicht nur um Minuten oder Stunden zurück, sondern um Jahre: In einer kürzlich veröffentlichten Pressemitteilung zur Fertigstellung des barrierefreien Ausbaus am Feldkirchner Bahnhof wird Bürgermeister Werner van der Weck zitiert. Der jedoch genießt seit bald drei Jahren seinen Ruhestand.

Immerhin hätte die Station in Feldkirchen eigentlich schon Ende 2018 barrierefrei sein sollen, und da war van der Weck in der Tat noch Rathauschef. Vielleicht hat man damals ja schon eine Erfolgsmeldung vorbereitet, die aufgrund der ständigen Verzögerungen immer wieder aufgeschoben, aber nicht aktualisiert wurde. Dass mittlerweile jemand anderes Bürgermeister ist? Nebensache.

Er sei "sehr glücklich", dass nun auch Menschen mit Kinderwagen, Rollator oder Rollstuhl zum Gleis gelangen können, lässt die Bahn den vermeintlichen Bürgermeister van der Weck sagen. Dass er sich wirklich über den Abschluss der Bauarbeiten freut, mag sein, immerhin musste er sich in seiner Amtszeit des Öfteren mit den vielen Verzögerungen herumschlagen. Und vielleicht hätte er die lang ersehnte Fertigstellung auch gerne selbst verkündet. Diese freudige Aufgabe blieb nun seinem Nachfolger Andreas Janson vorbehalten. Der wiederum war von der Rathausverwaltung schon verfrüht auf den Chefsessel erhoben worden: Kurz vor der Wahl, als er noch Stellvertreter van der Wecks war, wurde er in einer amtlichen Bekanntmachung schon als Erster Bürgermeister geführt.

Auch Janson ist angesichts der immer wieder erstaunlichen Zeitrechnung der Bahn verwundert darüber, dass der Aufzug jetzt tatsächlich fährt. Glauben konnte er es zunächst nicht, er testete die neue Funktion gleich persönlich - samt Beweisvideo im sozialen Netzwerk Instagram. Und siehe da: Der Aufzug fährt, die Türen öffnen sich, Janson steigt unbeschadet und ohne Verzögerung aus. Ob die Züge oben am Gleis jetzt pünktlicher sind, ist aber fraglich.

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