Feiern im Kloster:Hüter der Wunschzettel

Feiern im Kloster: Der Wallfahrtsort Maria Eich lockt nicht nur zu Weihnachten viele Gläubige an.

Der Wallfahrtsort Maria Eich lockt nicht nur zu Weihnachten viele Gläubige an.

(Foto: Sabine Wejsada)

In der Wallfahrtskirche Maria Eich bei Planegg bereiten sechs Brüder des Augustinerordens Weihnachten vor.

Von Sabine Wejsada

Schon der Weg ist einladend. Alte Eichen säumen auf beiden Seiten die kleine Straße, hie und da raschelt es im Unterholz und der Wind fährt durch die trockenen Blätter der hohen Bäume. Kurz vor der Abzweigung zum Augustinerkloster und Wallfahrtsort Maria Eich mit Freialtar, Seelengärtchen und Fürbittenraum in Planegg steht ein alter Briefkasten. Könnte sein, dass Kinder hier ihre zu Papier gebrachten Wünsche ans Christkind einwerfen. Vielleicht in der Hoffnung, dass die Magie dieses im Wald gelegenen Platzes die Wunscherfüllung befördert. Den sechs im Kloster lebenden Brüdern dient der gelbe Kasten als Möglichkeit, die Post für die bevorstehenden Feiertage an Angehörige, Freunde und Menschen, mit denen sie verbunden sind, auf die Reise zu schicken.

Der Konvent wurde 1953 gegründet, als Münchens damaliger Kardinal Michael Faulhaber dem Augustinerorden zuvor die Seelsorge in Maria Eich anvertraut hatte. Ein Jahr später bauten die Augustiner die frühere Eremitenklause unweit der Würm zu einem kleinen Kloster aus. Da die Wallfahrtsseelsorge und damit auch der Konvent an Bedeutung gewannen, wurde neben der Kirche auch das Kloster erweitert. Seit 2013 nimmt Maria Eich Novizen auf; aktuell erfährt dort Bruder Damian Link seine Ausbildung. Seit September lebt der 29-Jährige mit den Brüdern. Auf Weihnachten freut er sich dieses Mal ganz besonders, wie er sagt. Bruder Damian arbeitete zuvor als Psychotherapeut. Für ihn sei der Schritt, ins Kloster zu gehen, "ein großes Wagnis". Sein Wunsch zum Fest ist deshalb schnell erzählt: Die Zukunft bei den Augustinern möge gelingen.

Im Kloster leben sechs Brüder

Pater Matthäus Klein, Prior des Klosters, Novizenmeister und Wallfahrtskurat in Maria Eich, wird zusammen mit den anderen vier Brüdern unterschiedlichen Alters alles daran setzen, dass der Neuzugang den eingeschlagenen Weg gehen kann. An Weihnachten, dem Fest der Familie, gibt es im Kloster zwar keine Geschenke, Zuwendung und Gemeinsamkeit stehen aber auch hinter den Mauern von Maria Eich im Vordergrund. "So wie es in vielen Familien der Fall ist", sagt Pater Matthäus. Der 55-Jährige ist seit 1984 im Augustinerorden und seit 2013 in Maria Eich zu Hause. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Das Heim in den Eichen wird getragen von Zuversicht und Freundlichkeit, von Verständnis und Achtsamkeit für sich selbst und die anderen. All das strahlen Pater Matthäus und seine Kollegen aus.

Feiern im Kloster: Im Augustinerkloster leben sechs Brüder, die sich ganz besonders auf die Feiertage freuen, wie Pater Felix, Pater Alfred, Pater Matthäus und Bruder Damian (v.l.) sagen.

Im Augustinerkloster leben sechs Brüder, die sich ganz besonders auf die Feiertage freuen, wie Pater Felix, Pater Alfred, Pater Matthäus und Bruder Damian (v.l.) sagen.

(Foto: Robert Haas)

An diesem kalten Abend in der Woche vor Weihnachten sitzen vier der Brüder zusammen in lockerer Atmosphäre im einem heimeligen Raum und sprechen über den Advent und die nahen Feiertage. Der Advent ist für die Brüder genauso anstrengend wie für alle anderen. Termine, Treffen, Vorbereitung. Nein, eine stade Zeit, wie es volkstümlich so gern heißt, sind die Wochen vor dem Fest auch für die Augustiner nicht, wie Pater Alfred Issing, 68, Ökonom des Klosters und Mitarbeiter in der Wallfahrtsseelsorge, sagt. Auf dem Adventskranz brennen an diesem Abend drei Kerzen und man kann sich gut vorstellen, wie familiär es an Heiligabend im Refektorium, dem Speisesaal, zugehen wird.

Das Brechen von großen Oblaten

Der Christbaum ist geschmückt, wenn am 24. Dezember mittags Bratwürste auf den schweren Holztisch kommen. Nach dem gemeinsamen Essen und einer kurzen Einkehr steht die erste Mette an. Um 17 Uhr wird diese gemeinsam mit Gläubigen in der Klosterkirche gefeiert. Danach treffen sich die Brüder zur Weihnachtspredigt nach Augustinus in Refektorium. Pater Matthäus bricht dabei eine große Oblate, die ihm eine Bekannte alle Jahre aus Polen mitbringt. "Jeder bekommt ein Stück, verbunden mit jeweils einem Wunsch an den anderen", sagt der Prior.

Nach dem Abendessen mit kalten Speisen, für deren Besorgung der seit 2015 in Maria Eich lebende Pater Felix Meckl, Subprior des Klosters sowie Fachreferent für Berufungspastoral des Erzbischöflichen Ordinariats München und Freising, zuständig ist, wird zur Christmesse geladen. Sie beginnt um 22 Uhr in der wohl auch heuer wieder bis auf den letzten Platz besetzten Kirche. Der emotionale Höhepunkt für die Brüder ist dabei, wenn im dunklen Kirchenraum das "Stille Nacht" erklingt - und von allen gesungen wird, wie Pater Matthäus sagt: "Das ist Weihnachten, das tut allen gut." Die Lieder, die brennenden Kerzen. Das Licht. Zeit für Gefühle.

"Weihnachtsgesichter"

Dass so viele Menschen jedes Jahr nach Maria Eich kommen, freut die Augustiner. "Wunderbar, dass die Leute mit uns feiern wollen, unser Angebot wahrnehmen - und sei es nur einmal im Jahr", findet Pater Felix. Der 35-Jährige hält nichts davon, Gläubige dafür zu kritisieren, nur zum Christfest in die Kirche zu gehen. Hauptsache, sie finden den Weg. Mit erwartungsvollem Ausdruck säßen die Besucher im Gottesdienst "und wir versuchen, ihnen Hoffnung zu schenken", sagt Pater Matthäus. Ihm ist anzusehen, wie er sich selbst an den "Weihnachtsgesichtern" in den Messen erfreuen kann. Nicht umsonst heißt die Botschaft von Christi Geburt "Freuet Euch!". Das Warten - der Advent - sei vorbei. Nun sei es Zeit für gute Wünsche. Diese sind für die Augustiner in Maria Eich überhaupt ein großes Thema. Zu Weihnachten und das ganze Jahr über.

Der kleine Wallfahrtsort im Eichenwald bei Planegg hat eine lange Geschichte. Seit die beiden Buben des örtlichen Schmieds Thallmayr zwischen 1710 und 1712 eine kleine Muttergottesstatue in den Hohlraum einer alten Eiche stellten, entwickelte sich dort eine Stätte, zu der Menschen kommen, um ihre Bitten, Wünsche und Nöte anzubringen, aber ebenso oft auch um Dank zu sagen für empfangene Hilfen. Bis heute habe sich Maria Eich den Charakter eines stillen Gnadenortes bewahren können, heißt es bei den Augustinern.

Die Dienstmagd des Hofbauern zu Planegg, Katharina Merger, gilt als erste Pilgerin. Schwer erkrankt, erinnerte sie sich an das Marienbildnis in der Eiche und bat um Heilung. Nach ihrer Genesung kam sie auf den Knien als Wallfahrerin zur Mutter Gottes. Von 1732 bis 1734 wurde an der Stelle eine hölzerne Kapelle erbaut, die mehreren Pilgern Platz bot. Das Gnadenbild, das von der Rinde der Eiche teilweise überwuchert gewesen war, wurde aus dem Baum gestemmt und vor diesem frei aufgestellt. Als aus der unverschlossenen Kapelle 1742 die Ausstattung und der Inhalt des Opferstockes gestohlen wurde, lieferte dies den Anlass für den Bau eines gemauerten Kirchengebäudes.

Große und kleine Sorgen

Ende des 18. Jahrhunderts fanden immer mehr Pilger den Weg nach Maria Eich - nicht bloß einfache Leute aus der näheren Umgebung, auch aus München kamen die Wallfahrer, darunter sogar Adelige. Sie alle einte das, was sie bei ihrer Ankunft in Maria Eich im Gepäck hatten: große und kleine Sorgen, Wünsche für die Zukunft und Bitten um Hilfe. Vor allem die Eiche war zu allen Zeiten Gnadenort. Beim Bau der steinernen Kapelle wurde für den hinter dem Hochaltar wurzelnden Baum eine Dachöffnung ausgespart, sodass die Äste in den Himmel ragen konnten. Im August 1805 aber schlug ein Blitz in die Eiche ein und zerstörte die Krone. Um den Stamm zu retten, wurde er gestutzt und das Dach geschlossen.

Der Eichenstamm ist noch heute hinter dem Hochaltar zu besichtigen, er wird jetzt allerdings von einer Glasvitrine umschlossen, um den früheren Wallfahrer-Brauch, Splitter herauszuschnitzen und mit heimzunehmen, zu vereiteln. Angestrahlt von warmem Licht, bildet der Stamm den Mittelpunkt des Fürbitten-Raumes: Viele Hundert bunte Zettel stecken rechts und links neben der Vitrine in dafür vorgesehen Tafeln, rund um den Eingang und an der Decke oben haben Wallfahrer ebenfalls ihre notierten Wünsche dagelassen. Die Gebetszettel, Eichenblätter, wie man sie in Maria Eich nennt, werden im Osterfeuer verbrannt. Sie sind die modernen Ausgaben der historischen Votivtafeln in der vor vier Jahren renovierten Gnadenkapelle des mystischen Ortes.

Seelengärtlein

Seit August 2015 können Wallfahrer darüber hinaus im Sommer das Seelengärtlein besuchen, einen Klanggarten am Rande des Wallfahrtsplatzes, um Ruhe und Besinnung zu finden. Doch auch im Winter hat Maria Eich nichts von seinem spirituellen Charakter eingebüßt. Vor allem kurz vor Heiligabend nicht, wenn in der Dunkelheit die nur in Mondlicht getauchten Gebäude zu erkennen sind und dann noch ein Käuzchen irgendwo im Eichenwald ruft. Drinnen im Augustinerkloster warten sechs Brüder genauso gespannt auf Weihnachten wie die Menschen draußen.

Vierter Advent, 16 Uhr: gesungene Vesper; Heiligabend, 17 und 22 Uhr: Christmette; 25. Dezember, 9 und 11 Uhr: Festgottesdienst; zweiter Feiertag 9 und 11 Uhr: Heilige Messe.

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