Fasching:Der Schutzraum unter der Narrenkappe

Prof. Karl-Heinz Renner, Studiengang Psychologie, Bundeswehruniversität Neubiberg

Forscht über Selbstdarstellung: In seiner wissenschaftlichen Arbeit an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg beschäftigt sich der Psychologe Professor Karl-Heinz Renner auch mit der Kostümierung im Fasching.

(Foto: privat)

Psychologe Karl-Heinz Renner von der Bundeswehr-Universität erklärt, warum wir uns verkleiden und was Kostüme über die Persönlichkeit aussagen

Interview Von Anna Majid, Neubiberg

Ob ausgefallen als Spiegelei oder klassisch als Clown - zu Fasching verkleiden sich viele Menschen und schlüpfen in neue Rollen. Der Psychologe Karl-Heinz Renner von der Universität der Bundeswehr in Neubiberg forscht im Bereich Selbstdarstellung. Im Interview erklärt er, woher die Lust an der Kostümierung kommt und wie Verkleidungen auf unser Verhalten wirken.

SZ: Feiern Sie persönlich Fasching und falls ja, als was verkleiden Sie sich dieses Jahr?

Karl-Heinz Renner: Ich persönlich feiere schon seit Jahren nicht mehr Fasching. Ich finde diese Tradition ist bei uns nicht so stark wie im Kölner Karneval. Da kann der Karneval ja so eine Art Lebensstil sein, der das ganze Jahr über gepflegt wird. Ich habe mich zuletzt als Scheich verkleidet, weil es einen Turban gab, der mir ganz gut passte.

Warum verkleiden sich Menschen überhaupt?

Zum einen sind Verkleidungen seit vielen Jahrtausenden in ganz unterschiedlichen Kulturen zu gewissen Zeiten üblich und mit unterschiedlichen Zielsetzungen verbunden. In den keltischen Riten wurden Verkleidungen getragen, um den Winter zu vertreiben. Es gab in den römischen Saturnalien, einem Fest zu Ehren des Gottes Saturn, den Brauch, dass plötzlich die Herren die Sklaven bedienen. Menschen verkleiden sich, jetzt auch im Fasching wieder, weil es zu gewissen Zeiten so Brauch und Tradition ist, weil alle anderen es machen und auch ein gewisser Gruppenzwang entsteht. Ein weiterer psychologischer Grund wäre, weil man damit die Möglichkeit hat, Kreativität umzusetzen.

Man kann sich ja überlegen, eine besonders originelle Verkleidung zu entwickeln und dann auch umzusetzen. Ein weiterer Grund kann darin liegen, dass Verkleidungen Schutzräume bieten und explizite Rollen darstellen. Mit expliziten Rollen meine ich, dass alle sehen: Ich bin jetzt verkleidet, ich spiele jetzt eine Rolle. Dann kann ich in diesem Schutzraum Verhaltensweisen ausprobieren, die ich im Alltag noch nicht umsetzen kann. Wenn jemand beispielsweise schüchtern ist, dann kann er versuchen, als König oder Fürst verkleidet selbstbewusster aufzutreten. Er oder sie kann dann Personen des anderen Geschlechts ansprechen. Und wenn das auf Missbilligung stößt, dann besteht immer die Möglichkeit zu sagen: Das war nicht ernst gemeint, sondern die Rolle, die ich gespielt habe. Dann hat man eine Rückzugsoption. Man kann die Rolle natürlich auch missbrauchen, um Verhaltensweisen zu zeigen, die ungebührlich und auch strafbar sind. Es kommt vor, dass vor allem Männer Frauen sexuell ungebührlich begrapschen und dann durch Masken auch unerkannt bleiben.

Also wirkt Verkleidung direkt auf unser Verhalten. Welche Tendenzen lassen sich feststellen?

Sie kann erleichternd wirken, in dem Sinn, dass man sich Dinge zu erproben traut. Sie kann aber auch enthemmend wirken, in dem Sinn, dass man Dinge tut, die nicht erlaubt sind. Dazu kann beitragen, dass es zu Faschingszeiten traditionell zu einer Umkehrung der Rollen kommt. In der Weiberfastnacht werden die "normalen Verhältnisse" umgekehrt. Dann haben auch mal die Frauen das Sagen. Das wird symbolisiert, indem sie sich erlauben können, die Krawatten der Männer abzuschneiden. Das ermöglicht auch Verhaltensweisen, die sehr grenzwertig sind, gerade wenn man Gesichtsmasken hat und nicht erkannt wird.

Um noch mal auf die klassischen Rollenbilder einzugehen: Wieso werden im Fasching immer noch vorwiegend stereotypische Geschlechterrollen gewählt? Mädchen verkleiden sich häufig als Prinzessin, während sich Jungen für das Cowboy-Kostüm entscheiden.

Meine Hypothese wäre, dass das Tradition hat. Das sind Verkleidungen, die schon immer zur Verfügung stehen. Man kann die klassischen Rollenbilder übertrieben zum Ausdruck bringen. Das wäre dann eine Zuspitzung von traditionellen Geschlechtsrollenstereotypen. Weniger häufig kommt es aber auch vor, dass sich insbesondere Männer als Frauen verkleiden und mit diesen unterschiedlichen Identitäten spielen.

Was sagen unsere Verkleidungen über uns aus? Lassen sich Rückschlüsse auf die Persönlichkeit eines Menschen ziehen?

Man kann natürlich sagen, dass bestimmte Verkleidungen das repräsentieren, was eine Person gerne wäre. Das ist dann der Fall, wenn jemand sich als sein Idol verkleidet. Man kann sich in der Verkleidung kurzfristig so fühlen. Es sagt etwas über die Wünsche und Ideale aus, die eine Person hat. Der Rückschluss auf Persönlichkeitsmerkmale ist vor allem dann möglich, wenn Verkleidungen ungewöhnlich sind und wenn sich jemand in der Verkleidung ganz anders verhält, als in seiner normalen Kleidung im Alltag.

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