Süddeutsche Zeitung

Familienzentrum:Gut, dass wir darüber geredet haben

Die Bürgerbeteiligung für das Familienzentrum auf dem Rufgelände steht kurz vor dem Abschluss. Während Planer und Initiatoren die Ergebnisse loben, hält Bürgermeisterin Mayer den Aufwand nicht für gerechtfertigt

Von Sabine Oberpriller, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Das Protokoll über die jüngste Sitzung des Lenkungskreises ist eben fertig gestellt. Nun bereitet Oliver Prells vom Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München die Entwürfe und letzten Entscheidungen auf: Die Abschlussveranstaltung zur Bürgerbeteiligung für das Familienzentrum auf dem Rufgelände steht an. Am 24. November wird den Anwohnern das Konzept vorgestellt, an dem viele von ihnen mitgewirkt haben. Es ist das erste Mal, dass das Rathaus den Bürgern derart große Möglichkeiten eingeräumt hat, sich an einer Planung zu beteiligen. Die Teilnehmer ziehen eine sehr unterschiedliche Bilanz.

"Aus den Workshops haben wir wertvolle Dinge gezogen. Die wesentlichen Entscheidungen lagen bei der Bürgern, der Lenkungskreis hat ihre Anregungen ausgearbeitet", sagt Sabine Wölfel - sie gehört zu den führenden Köpfen der Initiative, die mit ihrer Unterschriftensammlung vor etwa einem Jahr die Bürgerbeteiligung durchgesetzt hat. Das Rathaus hat daraufhin die Organisation der Planungen an den Planungsverband vergeben, es gab offene Workshops und ein Lenkungskreis mit Vertretern aller Beteiligten wurde eingerichtet. Wölfel ist zufrieden. "Unsere Arbeit ist getan", sagt sie.

Im ersten Workshop konnten die Anwohner ihre Vorstellungen von der Nutzung des Zentrums äußern. Im zweiten ging es um städtebauliche Fragen, etwa die Anordnung der Gebäude. "Lärmbelastung, im Allgemeinen Verkehrslärm, war ein großes Thema", sagt Prells. Herausgekommen ist ein Plan, der dem ursprünglichen Entwurf der Gemeinde gar nicht unähnlich ist. "Er unterscheidet sich vor allem in der Nutzung. Das Konzept ist vielfältiger geworden", so Prells. Der Lenkungskreis, da sind sich viele Mitglieder einig, sei eine wertvolle Institution im Planungsprozess gewesen. "Gerade in diesem Fall, wo der ursprüngliche Vorschlag der Verwaltung für Konflikte gesorgt hat", sagt Prells, "war es wichtig, ein Gremium zu schaffen, in dem alle Beteiligten vertreten sind." Man habe außerdem vermeiden wollen, den Planungsprozess zu einer reinen Bürgerveranstaltung zu machen, die die Verwaltung vor vollendete Tatsachen stelle.

Ganz anders als Wölfel und Prells bewertet Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) die Bürgerbeteiligung. Der Aufwand sei überflüssig gewesen, gemessen am Ergebnis, das dem ursprünglichen Konzept sehr ähnlich sei. "Offenbar ist Kinderbetreuung doch nicht so dringlich und die Wohnungsnot nicht so groß", kommentierte sie die Anregungen, die von den Bürgern kamen. "Die Plätze in der Großtagespflege wurden im Gebäude auf 16 begrenzt, während der ursprüngliche Entwurf nahezu das ganze Haus als Betreuungspuffer vorsah." Wohnungen, zum Beispiel für Erzieher seien nun überhaupt nicht berücksichtigt. "Die hätten wir dringend gebraucht", sagt sie. Ohne diese Aktion wäre das Familienzentrum längst gebaut. "Aber so ist Demokratie", räumt sie ein. "Dem beuge ich mich selbstverständlich."

Kinderbetreuung, Bewegungsraum, Tagungsräume, Teeküche, Übungsräume, das sind unter anderem die Elemente des Familienzentrums. Offen bleibt, ob das ehemalige Verwaltungsgebäude der Firma Ruf dafür abgerissen oder umgebaut werden soll. Der Planungsverband hat beim zweiten Workshop verschiedene Anordnungen der Gebäude vorgeschlagen, die entweder entlang der Straße oder im hinteren Bereich des Geländes angelegt sind. "Der Grundtenor lag in den Workshops definitiv auf Abriss", sagt Wölfel. Im Lenkungskreis sei eine entsprechende Empfehlung an den Gemeinderat aber an der Bürgermeisterin und Luitgart Dittmann-Chylla (Grüne) gescheitert. Dittmann-Chylla hatte schon vor einem Jahr auf die Vorteile eines Auftrags hingewiesen, der sowohl einen Abriss als auch eine Sanierung in Erwägung zieht. So wird es nun wohl kommen. "Wahrscheinlich wird der Auftrag an die Architekturbüros Vorschläge zu beiden Szenarien fordern", sagt Wölfel.

Die könne man dann eventuell den Bürgern vorlegen. Eine reine Informationsveranstaltung, wie von Mayer angekündigt, wird am Dienstag, 24. November, von 19.30 Uhr an in der Mehrzweckhalle aber nicht stattfinden. "Die Besucher werden die Möglichkeit zu letzten Anmerkungen haben", sagt Prells. Danach liegt noch ein gutes Stück Arbeit an. Einzelne Aspekte müssten noch ausgearbeitet werden. Außerdem sei eine Begehung der alten Apotheke mit Vertretern des Denkmalschutzamtes notwendig, sagt Prells. Die müssten sagen, "was in dem Gebäude möglich ist." Bagger rollen auch nach der Abschlussveranstaltung noch lange nicht an.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2015
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