Abzocke:Wenn der Parkplatz zur Falle wird

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Ein Schild weist darauf hin, dass man sein Auto auf den Parkplätzen an der Erdinger Straße in Aschheim nur noch 180 Minuten stehen lassen darf. Doch das ist leicht zu übersehen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Eine private Überwachungsfirma hat die Kontrolle über eine Reihe von Stellplätzen in Aschheim übernommen. Wer sein Auto dort öfter zu lange stehen lässt, weil er das neue Schild nicht gesehen hat, merkt erst einmal nichts davon. Bis auf einen Schlag eine Flut von Rechnungen kommt.

Von Anna-Maria Salmen, Aschheim

Claudia Brenner legt einen Berg von Briefen auf den Tisch. Knapp zehn Zentimeter hoch stapeln sich die insgesamt 52 Rechnungen, die ihre Bekannte an einem einzigen Tag erhalten hat. Mehrere Monate, nachdem sie falsch geparkt haben soll, hätte sie mehr als 3200 Euro auf einen Schlag zahlen sollen, berichtet Brenner. Sie selbst ist hingegen noch glimpflich davongekommen, wie sie sagt: Bei ihr kamen lediglich zwei Rechnungen in Höhe von je knapp 40 Euro an, ebenfalls beide am selben Tag.

Brenner weiß eigenen Angaben zufolge von insgesamt mehr als 400 Betroffenen, die ihr Auto im Sommer auf dem Parkplatz vor einer Ladenzeile an der Erdinger Straße in Aschheim abgestellt hatten und Monate später mit teils enormen Rechnungen für Falschparken konfrontiert wurden. Sie wollen das nicht hinnehmen und haben sich zusammengeschlossen, denn die Praktiken der privaten Parkraumüberwachungsfirma Place Control scheinen ihnen unseriös zu sein.

Noch bis Juni war das Parken vor der Ladenzeile uneingeschränkt und kostenlos möglich, berichtet Brenner. Dann habe die Hausverwaltung Place Control mit der Überwachung beauftragt. An der Einfahrt wurde ein Schild angebracht: Parken war nur noch mit Parkscheibe und für begrenzte Zeit möglich. Viele hätten das anfangs nicht bemerkt, sagt Brenner. Denn an den Parkplätzen selbst sucht man Hinweise auf die neuen Regelungen vergebens. Dennoch passierte monatelang nichts: Niemand wies die darauf hin, dass sie etwas falsch gemacht haben könnten.

Erst Ende August kam laut Brenner für viele der Schock: Auf einen Schlag erhielten die Betroffenen die Rechnungen für alle vermeintlichen Vergehen im Juni, bei manchen sollten es sogar mehrere Verstöße am selben Tag sein. Viele hätten mehrere 100 Euro sofort zahlen sollen. Manche hätten eine Rechnung bekommen, obwohl sie sich nach eigenen Angaben richtig verhalten und eine Parkscheibe genutzt hätten, sagt Brenner. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, schickte Place Control sogenannte Beweisfotos mit, die das Falschparken belegen sollten. Brenner hat einige davon aufbewahrt: Zu erkennen ist darauf nichts außer Dunkelheit oder spiegelnde Scheiben. „Die haben sich vogelwild eigene Gesetze gemacht.“

Für Widersprüche sei Place Control telefonisch nicht erreichbar gewesen, sagt Brenner, auf schriftliche Beschwerden habe die Firma nur mit vorgefertigten Textbausteinen geantwortet. Die Aschheimerin fuhr einmal am Münchner Firmensitz vorbei und fand dort nichts außer einem Briefkasten, erzählt sie. Auch eine SZ-Anfrage blieb unbeantwortet.

Der ADAC rät Betroffenen, nicht zu zahlen

Juristen hätten den Betroffenen empfohlen, die Rechnungen nicht zu bezahlen, sagt Brenner. „Die Mehrheit ist überzeugt: Das sitzen wir aus.“ Auch ADAC-Jurist Klaus Heimgärtner rät dazu, die Briefe von Place Control zu ignorieren. Aus seiner Sicht agiert die Firma nicht seriös: Mehrere Passagen in den AGB seien nicht rechtmäßig. „Sie haben eklatant viele Fehler gemacht.“ Unter anderem heiße es, der Halter hafte im Zweifelsfall. Das habe der Bundesgerichtshof aber in einem anderen Fall bereits abgelehnt: Der Halter müsse nicht automatisch zahlen, wenn er nicht selbst gefahren sei.

Seit rund 15 Jahren beschäftigt sich Heimgärtner mit privaten Parkraumbewirtschaftern. Früher habe es kaum Probleme gegeben, auch heute seien längst nicht alle so unseriös wie Place Control. Das Geschäftsmodell dieser Firma seien Massenschreiben wie in Aschheim: „80 Prozent der Leute zahlen einfach, weil es so lästig ist, sich dagegen zu wehren.“ Hinzu komme Druck durch vermeintliche Beweisfotos oder mehrere Zahlungserinnerungen mit immer höheren Forderungen.

Dass die Schilder nur an der Einfahrt aufgestellt wurden und nicht direkt Strafzettel an der Windschutzscheibe hängen, schätzt Heimgärtner als bewusstes Vorgehen ein. Anders als bei staatlichen Bußgeldern sei das Ziel bei Strafen von Place Control nicht ein Lerneffekt, durch den die Betroffenen künftig Fehlverhalten vermeiden könnten, sondern der Profit. Je mehr Verstöße es gebe, desto mehr verdiene die Firma, sagt Heimgärtner.

Der Jurist hat eigenen Worten zufolge die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen wie Place Control kaum gerichtlich dagegen vorgehen, wenn jemand die Strafe nicht bezahlt. „Es wird bewusst in einer Grauzone gehalten.“ Denn ein Gericht könnte zu der Auffassung kommen, dass die Vorgehensweise nicht rechtmäßig sei.

Brenner hat selbst bereits Strafanzeige gestellt, wie sie sagt, eine Entscheidung gibt es bisher nicht. Die Aschheimerin hat außerdem die Hausverwaltung auf die Beschwerden gegenüber Place Control aufmerksam gemacht. Mit Erfolg: Kurz darauf sei der Vertrag mit der Firma gekündigt worden. Seitdem scheine es ruhig zu sein, sagt Brenner. Kontrolleure hat sie nicht mehr gesehen.

Brenners Anliegen bleibt aber bestehen: „Es gibt so viele andere, die ähnlich operieren. Das ist ein lukratives Geschäft geworden.“ Für private Parkraumbewirtschafter gebe es keinerlei Kontrollmechanismen: Nirgends sei etwa geregelt, wie hoch die Strafen sein dürften oder wie groß die Schilder sein müssten. Die Aschheimerin hat daher eine Petition an den Landtag gerichtet mit dem Ziel, ein rechtskonformes, verbindliches Regelwerk zu entwickeln.

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