Fairtrade-Town Unterschleißheim:Kleine Schritte zu einer gerechteren Welt

Fairtrade-Town Unterschleißheim: In der Stadtbücherei bekommt Jolanta Wrobel fair gehandelten Kaffee aus dem Automaten.

In der Stadtbücherei bekommt Jolanta Wrobel fair gehandelten Kaffee aus dem Automaten.

(Foto: Catherina Hess)

Als Fairtrade-Town muss Unterschleißheim darauf achten, dass genug Geschäfte, Vereine oder Institutionen Waren mit dem Zertifikat vertreiben. Obwohl die Quote übererfüllt wird, will ÖDP-Stadträtin Jolanta Wrobel das Angebot ausbauen.

Von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Die Frage, warum im Unterschleißheimer Stadtrat Ananassaft auf dem Tisch steht, ist leicht zu beantworten. Dahinter stehen das Zertifikat als Fairtrade-Town und Menschen mit Visionen, Menschen wie Jolanta Wrobel. Die ÖDP-Stadträtin ist zugleich auch Sprecherin des Fair-Trade-Teams der Stadt. Als solche wünscht sie sich, dass eines Tages gar keine Etiketten mehr nötig sind, weil sämtliche Waren fair gehandelt werden und die Erzeuger in aller Welt auch davon leben können. Doch weil das momentan noch nicht so ist, vertritt sie die Interessen der Fair-Trade-Idee. Ein teils zähes Geschäft, sagt sie, aber eines mit Perspektive: "Die Errungenschaften mögen einem klein vorkommen, aber es geht voran."

Die Idee, fairen Handel in Unterschleißheim voranzubringen, kam von den Schülern des Carl-Orff-Gymnasiums. Sie waren auf die Agenda-21-Gruppe zugegangen. Die Agenda stellte einen Antrag im Stadtrat, Unterschleißheim solle sich um das Zertifikat Fairtrade-Town bemühen. "Demokratie pur", sagt Wrobel. Der Beschluss im Stadtrat fiel im Februar 2013, seitdem ist viel passiert. Um sich mit dem Titel schmücken zu können, müssen allerdings zuerst fünf Kriterien erfüllt werden. Geprüft wird das von Trans-Fair, einem Verein mit Sitz in Köln. Einige waren schnell abzuhaken, erzählt die Team-Sprecherin, "denn die Basis war bereits vorhanden".

Vorreiter war das Carl-Orff-Gymnasium

So gilt der Stadtratsbeschluss als erstes Kriterium, dann muss eine lokale Steuerungsgruppe gebildet werden, deren Sprecherin eben Jolanta Wrobel ist, und es müssen Produkte aus fairem Handel in Vereinen und Kirchen angeboten werden. Da das Carl-Orff-Gymnasium ebenfalls den Titel einer Fairtrade-Schule trägt und die Kirchengemeinde St. Ulrich schon seit mehr als 20 Jahren Eine-Welt-Waren verkauft, war auch das nicht weiter schwer.

Erfüllt ist mittlerweile auch die Anforderung, faire Säfte in Ratssitzungen anzubieten, was schwierig war, weil die Verwaltung kleine Flaschen haben wollte. Genauso wie die geforderte Quote erreicht wird, dass in lokalen Supermärkten und in der Gastronomie faire Artikel angeboten werden.

Die vorgeschriebene Anzahl der Betriebe, die fair gehandelte Bananen im Regal haben oder Kaffee aus fairer Produktion ausschenken müssen, wird nach der Einwohnerzahl berechnet. Für Unterschleißheim bedeutet das, sechs Geschäfte, drei Cafés oder Restaurants, eine Schule, Kirchengemeinde oder ein Verein müssten Fair-Trade-Produkte vertreiben. Da liegt die 30 000-Einwohner-Stadt mit ihrem Engagement weit drüber. Außerdem sind noch vier Medienberichte im Jahr zum Thema fairer Handel vorzuweisen - jetzt nur noch drei - und eine gewisse Anzahl an Veranstaltungen.

Das hört sich trotz allem nach Arbeit an. Lohnt es sich also, diesen Titel anzustreben? Wrobel sagt, es gehe gar nicht so sehr um den Titel, "aber er erleichtert den Weg, um gerechten Handel ins Bewusstsein der Bürger zu bringen". Auch bei den Stadtratskollegen stelle sie viel Interesse fest. Der jüngste Beschluss, Grabsteine nur zuzulassen, wenn sie ohne Kinderarbeit gefertigt würden, stehe in einer Reihe von Entscheidungen, die sich nahtlos in diese Denkweise einfügten.

"Immer mehr Leuten wird klar, worum es hier geht", sagt Wrobel. "Das Ziel ist natürlich, etwas zu verändern im Großen, zum Beispiel zu verhindern, dass Kaffeebauern in Armut leben müssen." Die Alternative zu fairem Handel wäre in ihren Augen denkbar schlecht. "Das alte Denken, teilweise noch mit einem Fuß in der Kolonialzeit zu stehen", lehnt sie entschieden ab.

Damit befindet sie sich auf einer Linie mit den Mandatsträgern der Stadt, Wrobel kann einige Erfolge aufzählen. Sie sieht die Stadt als Vorbild und nennt als leuchtendes Beispiel die Nikolaussäckchen, die im vergangenen Jahr verteilt wurden: Nikoläuse, garantiert aus Schokolade, für die keine Kinder auf Plantagen ausgebeutet wurden, und feine Lebkuchen, ebenfalls mit Gewürzen aus sicheren Quellen, die den Erzeugern ihren Lebensunterhalt sichern.

Oder ein anderes Beispiel: In der Stadtbücherei steht ein Kaffeeautomat, der fair gehandelten köstlich duftenden Kaffee in die Tassen fließen lässt. Wrobel schwebt vor, die Arbeit noch auszudehnen und mit Hilfe der Stadt auch den Kontakt zu Unternehmen zu suchen. "Man müsste mit den großen Firmen reden, aber dazu sind wir zu wenige", sagt sie. Andererseits erlebt sie hin und wieder "schöne Überraschungen", wenn sich Geschäftsinhaber wie etwa ein Optiker aus eigenem Antrieb engagieren und beispielsweise Brillen für Afrika einsammeln oder Geschäftsleute nachhaltig in ihrem Laden wirtschaften.

Wrobels Traum wäre ein Welt-Laden in der Stadt

Ein Problem sieht Wrobel vor allem in der irreführenden Vielfalt an Labels. Das Team hat deswegen eigens ein Merkblatt mit den wichtigsten Etiketten und ihrer Bedeutung erarbeitet. Wrobels großer Traum wäre ein Weltladen in der Stadt. Der Verbraucher ginge rein und könnte sehen, was es bedeutet, woher die Produkte kommen und warum es so wichtig ist, vielleicht mal einen Euro mehr zu investieren. "Das spricht für sich selbst."

Übrigens würden dort auch Produkte regionaler Anbieter, wie etwa Rohzucker aus heimischen Zuckerrüben, angeboten. Zu Preisen, von denen Wrobel hofft, sie ermöglichten auch hiesigen Bauern ein gutes Auskommen. Allerdings sei es schwierig, dafür geeignete Räume zu finden, denn viel Miete darf es natürlich nicht kosten. Doch Wrobel ist optimistisch. "Ich erhoffe mir sehr die Unterstützung der Stadt." Gemeint ist Unterschleißheim, 314. von inzwischen 486 Fairtrade-Towns in Deutschland und die dritte im Landkreis, denn Neubiberg trägt die Nummer 100, Gräfelfing die Nummer 168.

Ob auch der Landkreis sich künftig mit dem Fairtrade-Zertifikat schmücken darf, wird sich in einer der nächsten Kreistags-Sitzungen zeigen. Eine Abstimmung ging allerdings schon negativ aus. Wrobel kann das nicht nachvollziehen, "wenn man sich wirklich mit dem Thema befasst, wird man erkennen: Es kann nur Gutes bringen". Eine Konkurrenz von Kaffee- oder Kakaoproduzenten für hiesige Landwirte vermag sie eh nicht erkennen.

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