Fade Zeit:Musik ist der beste Trost

Fade Zeit: Ihre Flöte hat Anneliese Figue auch auf Reisen dabei.

Ihre Flöte hat Anneliese Figue auch auf Reisen dabei.

(Foto: Claus Schunk)

Nach dem Tod ihres Freundes bereitet sich Anneliese Figue auf ein einsames Weihnachtsfest vor. Aber sie hat ja ihr Klavier und ihre Flöte.

Von Michael Morosow, Aying

Es ist ein kleines Wunder, dass Anneliese Figue noch am Leben ist. Am 9. März 2020 war sie während eines Urlaubs am Gardasee zusammengebrochen und mit der Diagnose Corona in ein Münchner Krankenhaus gebracht worden, wo sie elf Wochen lang gegen den Tod kämpfte, davon einen Monat lang im Koma liegend. Die 79-Jährige hat sich inzwischen physisch von den Strapazen erholt, sieht man von der noch nicht ganz wiederhergestellten Lungentätigkeit ab. Aber ihre Seele leidet, weil ihr langjähriger Freund vor einem Jahr gestorben ist.

"In letzter Zeit fühle ich mich traurig und wehmütig", sagt die gebürtige Posenerin, die seit 1989 in Dürrnhaar lebt und Weihnachten alleine in ihrer Münchner Zweitwohnung verbringen wird. "Vor dem Heiligen Abend und dem ersten Weihnachtsfeiertag habe ich richtig Schiss", gesteht sie. Und das, obwohl sie es wunderschön finde, wenn die Lichtlein brennen und zusammen Weihnachtslieder gesungen werden. Sehr schade sei es für sie, dass sie nicht mehr in eine Kirche gehen könne, wo sie Trost finden könnte. Aber unterkriegen lassen will sie sich keinesfalls. "Ich vergrabe mich nicht", sagt sie. Und sie weiß auch schon, welche Stimmungsaufheller sie sich selbst verschreiben wird für die stade Zeit: Klassische Musik und Ausflüge in die Natur.

Anneliese Figue, die im Mozarteum in Salzburg Klavier und Gesang studiert hat, dann mehr als 40 Jahre Statistin, Kleindarstellerin, Schauspielerin und Souffleuse im Münchner Residenztheater und im Nationaltheater war, lässt sich ihre Seele von Mozart, Beethoven, Bach, Bruckner und Grieg trösten, setzt sich dazu auch selbst ans Klavier. Und wenn auch das nichts mehr hilft, steigt sie in die Trambahn-Linie 25 und fährt für einen kleinen Einkaufsbummel nach Grünwald, oder mit der S-Bahn nach Tutzing, um die Natur zu genießen und wieder auf andere Gedanken zu kommen. "Es gibt Busfahrer, die melden sich freiwillig für den Heiligen Abend zum Dienst, um dem Drumherum zu entgehen", sagt die 79-Jährige mit einem Lächeln im Gesicht.

Am Mittwoch ist sie im Nachtzug nach Polen gefahren, um in Bad Flintsberg eine einwöchige Kur anzutreten, "wegen der Gelenke", wie sie sagt. Ständiger Reisebegleiter ist dabei ihre Flöte, die sie seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus im Sommer 2020 mehr denn je bespielt, um ihre angegriffene Lunge zu stärken. Dass sie damals nicht sterben musste, ist für Anneliese Figue Geschenk genug, und sie selbst verschenkt auch etwas. Die beiden "Jungs", die bei ihr Klavierstunden nehmen, bekommen sie demnächst gratis.

Die stade Zeit ist dieses Jahr eine fade Zeit. Mit dieser Serie versucht die SZ, jeden Tag wenigstens ein bisschen Licht in den Advent zu bringen.

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