Sport in München:Wasserwacht übt für die European Championships

Sport in München: Die Bergung gekenterter Ruderer ist das Szenario einer Übung der Wasserwacht an der Regattastrecke.

Die Bergung gekenterter Ruderer ist das Szenario einer Übung der Wasserwacht an der Regattastrecke.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Mitte August finden auf der Regattastrecke bei Oberschleißheim die Wettbewerbe der Ruderer und Kanuten statt. Wie sich die Einsatzkräfte darauf vorbereiten.

Von Anna-Maria Salmen

Nur noch wenige Züge, dann ist das Ziel der 2000 Meter langen Ruderstrecke erreicht. Der Athlet gibt alles, lässt sein Boot über das Wasser schnellen, die Konkurrenz ist dicht hinter ihm. Plötzlich wird dem Sportler schwummrig. Die Ruder gleiten ihm aus den Händen, er kippt aus seinem Boot ins Wasser.

Es ist ein Horrorszenario, das gerade bei Wettkämpfen durchaus vorkommen kann, wie Dennis Poyda weiß. "Bei Ruderern ist es wie bei jedem Sportler, der einen Wettkampf gewinnen will: Viele verausgaben sich bis ans Limit oder darüber hinaus. Aber anders als Marathonläufer können kollabierende Ruderer ertrinken, wenn sie ins Wasser fallen und nicht schnell genug gerettet werden." Poyda ist Vorsitzender der Wasserwacht-Ortsgruppe Lohhof, die bei den European Championships Mitte August die Regattarettung an der Ruderstrecke in Oberschleißheim übernimmt. Damit im Ernstfall alles reibungslos und vor allem schnell abläuft, hat am Freitagnachmittag eine von mehreren Übungen stattgefunden.

Sport in München: Wasserwacht-Vorsitzender Dennis Poyda koordiniert die Einsatzkräfte.

Wasserwacht-Vorsitzender Dennis Poyda koordiniert die Einsatzkräfte.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Rund 115 Ruder- und 110 Kanurennen gibt es an der Regattastrecke bei den European Championships, bei denen sich vom 11. bis 21. August die besten Athleten Europas in insgesamt neun Sportarten messen. Die Anlage, die zu den Olympischen Spielen 1972 erbaut worden war, ist in den vergangenen Jahren immer mehr verfallen - eine Sanierung scheiterte am Streit zwischen der Stadt München und dem Freistaat über die Aufteilung der Kosten. Die ursprünglich geplante Modernisierung für insgesamt rund 100 Millionen Euro wurde aufgrund der finanziellen Unsicherheiten durch die Pandemie zunächst völlig gestrichen, bevor die Stadt anlässlich der Championships zumindest einen Teil der Anlage für neun Millionen sanieren ließ.

Sport in München: Die Tribüne der Regattaanlage ist für die European Championships neu möbliert worden.

Die Tribüne der Regattaanlage ist für die European Championships neu möbliert worden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Für diese Summe wurden unter anderem die Bänke auf den Tribünen ausgetauscht sowie die Wege neu asphaltiert. Auch die hölzernen Stege sind größtenteils neu. Auf einem davon, nahe der Haupttribüne, wartet bereits ein rotes Boot, der Name Schalu prangt in schwarzen Buchstaben am Bug. Sanft schaukelt es beim Einsteigen, bevor es Richtung Zieleinlauf der Regattastrecke ablegt. Gnadenlos prallt die Sonne vom Himmel, das türkise, klare Wasser verheißt Erfrischung. Neidisch blickt man auf die Mitglieder der Wasserwacht, die sich in Neoprenanzug und Tauchausrüstung gleich zu Übungszwecken ins kühle Nass stürzen dürfen.

Die Retter kümmern sich im Ernstfall auch um das Publikum

Die Retter bereiten sich auf die verschiedensten Einsatzarten vor, wie Mathias Schreiber, Leiter der Regattarettung, erzählt. Vom Kreislaufkollaps über Hyperventilation bis hin zu Verletzungen durch Ruderschläge - "wir sind auf alle möglichen Verletzungsmuster eingestellt". Nicht nur auf solche, die auf dem Wasser passieren können: Das Team kümmert sich auch um die Zuschauer. "Rettung aus einer Hand" nennt sich dieses Konzept, das die Lohhofer Wasserwacht bereits vor rund 30 Jahren entwickelt hat. "Jeder weiß, wer wofür zuständig ist und was wo zu tun ist", erläutert Schreiber. "Alle Abläufe sind jedem bekannt." Bis zu 40 Mitglieder der Wasserwacht werden laut Poyda bei den Championships im Einsatz sein. Bereits seit November läuft die Vorbereitung auf das Großereignis, durch Trainings sollen erfahrenen Einsatzkräfte ihr Wissen auffrischen und neue eingelernt werden.

Sport in München: Mathias Schreiber ist Chef der Regattarettung und auf alle möglichen Unglücksszenarien vorbereitet.

Mathias Schreiber ist Chef der Regattarettung und auf alle möglichen Unglücksszenarien vorbereitet.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Bevor es an diesem Nachmittag ernst wird, erläutert Poyda den am Zieleinlauf versammelten Rettungskräften das Vorgehen: Die Füße der Ruderer seien oft mit dem Boot verbunden, vor der Rettung müsse man daher überprüfen, ob die Befestigung bereits gelöst ist. Erst dann könne man den Verletzten sicher ins Rettungsboot ziehen. "Es ist zwar Eile gefordert, aber es darf nie so hektisch werden, dass ein Fehler passiert", sagt Poyda. Beispielsweise müsse man auch darauf achten, beim Anfahren nicht das Boot des verunglückten Ruderers zu beschädigen - ein Achter könne durchaus mehrere Zehntausend Euro kosten.

Sport in München: Retter nähern sich dem gekenterten Boot.

Retter nähern sich dem gekenterten Boot.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Zwei Mädchen haben sich bereit erklärt, verunglückte Athletinnen zu mimen. In ihrem schmalen Zweierboot rudern sie die Strecke entlang, bevor sie das Gefährt zum Kentern bringen und ins Wasser gleiten. Auf dem Steg kommt ein Kommando an, sofort schießen zwei Boote der Wasserwacht zum Unglücksort. Die Gischt spritzt, erst kurz vor den beiden Mädchen bremsen die Retter ab, um sich dann ganz vorsichtig zu nähern. Jetzt muss es schnell gehen: Gerade einmal zwei Minuten dauere eine Rettung im Normalfall, erläutert Schreiber.

Sport in München: Mit einem Tragetuch wird ein Mädchen, das eine Verletzte mimt, an Land gehoben.

Mit einem Tragetuch wird ein Mädchen, das eine Verletzte mimt, an Land gehoben.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Retterin im Neoprenanzug springt ins Wasser, greift das erste Mädchen unter den Armen und zieht es rückwärts zum Boot ihrer Kollegen. Die zweite Verunglückte wird von zwei Einsatzkräften an den Armen gepackt und aus dem Wasser geholt. Schnell gleiten die Rettungsboote zurück zum Steg, wo bereits weitere Wasserwachtmitglieder warten. Mit perfekt aufeinander abgestimmten Griffen packen sie die Tragetücher, auf denen die Verunglückten liegen, und heben sie auf die bereitstehende Rettungswanne. Lachend stehen die Mädchen nach geglückter Rettung auf, leicht zitternd vom kühlen Wasser.

Sport in München: Auf der Regattaanlage weht schon die Fahne der European Championships.

Auf der Regattaanlage weht schon die Fahne der European Championships.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Selbstredend hoffen die Mitglieder der Wasserwacht auf ruhige Championships mit möglichst wenig Einsätzen. Gleichzeitig fiebern sie auch auf das Großereignis hin, wie Schreiber sagt. Lange habe es keine derartigen Events gegeben, zwischenzeitlich hätten nicht einmal Übungen oder Zusammenkünfte stattfinden können - für die Wasserwachtmitglieder, denen ihre Kameraden laut Schreiber wie eine zweite Familie sind, keine schöne Zeit. "Da ist uns schon etwas abgegangen." Umso größer sei die Freude auf die Championships: "Ich glaube, das wird eine ganz tolle Veranstaltung."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusOlympia-Architektur 1972
:Als München die Zukunft war

Eine Ausstellung zeigt, wie waghalsig, mutig und bahnbrechend modern die Planungen des Olympiaparks für die Spiele 1972 waren.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: