Europawahl:Der Landkreis München wählt schwarz-grün

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Schlange stehen zum Wählen: Die Beteiligung an der Europawahl war im Landkreis München am Sonntag höher als vor fünf Jahren. (Foto: Claus Schunk)

Die Grünen verlieren deutlich, bleiben aber im Landkreis München mit 16,7 Prozent zweitstärkste Kraft hinter der CSU, die auf 38,4 Prozent kommt. Die AfD landet auf Platz vier hinter der SPD.

Von Bernhard Lohr, Lars Brunckhorst, Landkreis München

Die Wähler im Landkreis München ticken politisch anders als im überwiegenden Rest Deutschlands. Bei der Europawahl am Sonntag wurden hinter der CSU, die wie erwartet mit 38,4 Prozent (+ 0,8 Prozent) am meisten Stimmen holte, die Grünen wie schon 2019 erneut zweitstärkste Kraft mit 16,7 Prozent; das sind allerdings 7,1 Prozent weniger als 2019. Die AfD landete nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis um 21.03 Uhr mit 8,2 Prozent (+ 1,5) auf Platz vier, hinter der SPD, die mit 10,1 Prozent (+0,1) nahezu unverändert blieb. Die FDP schnitt mit 6,7 Prozent (+ 1,5) deutlich besser ab als deutschlandweit. Die Linken bleiben im Landkreis München mit 1,1 Prozent (- 0,7) bedeutungslos, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kam dagegen auf Anhieb auf 3,0 Prozent. Die Freien Wähler erhielten 4,0 Prozent (+ 0,2), Volt 3,2 Prozent und ÖDP 2,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,4 Prozent.

CSU-Kandidatin Nicola Gehringer bei ihrer Stimmabgabe in Neubiberg mit Wahlhelfer Michael Weigle. (Foto: Claus Schunk)

Nicola Gehringer (CSU), eine der zwei einzigen Kandidatinnen aus dem Landkreis München, nannte das Ergebnis ihrer Partei im Land wie auch im Landkreis am Wahlabend „definitiv zufriedenstellend“, auch wenn sie sich „einen Ticken mehr“ gewünscht hätte. Das „starke Ergebnis“ der CSU und den „klaren Wählerauftrag“ führt die Neubibergerin auf den „extrem engagierten“ Wahlkampf ihrer Partei zurück. Die 34-Jährige, die von ihrem Listenplatz neun selbst keine Chance auf den Einzug ins Europaparlament hatte, hat nach eigenen Worten alleine 194 Wahlkampftermine absolviert. Sorgen bereite ihr allerdings das deutschlandweit starke Abschneiden der AfD. Dieses müsse alle Wähler demokratischer Parteien aufrütteln.

Das beschäftigt auch den Fraktionschef der Grünen im Kreistag, Christoph Nadler, der auch gleich den FPÖ-Sieg in Österreich ansprach. Dem allgemeinen Rechtsruck in Europa habe man sich nicht entziehen können. „Ich bin natürlich nicht glücklich“, so Nadler über das Ergebnis. Auch wenn man im Landkreis wieder mit etwa fünf Prozentpunkten über dem Bundesergebnis liegt, entspreche das nicht dem eigenen Anspruch. Bei der schwierigen politischen Lage würden wohl Parteien belohnt, die „einfache Wahrheiten“ anböten. „Man hat den Eindruck, für manche ist es eine Jux-Wahl gewesen.“ Kleinparteien wie die Volt-Partei, die mit Slogans wie „Sei kein Arschloch“ anträten, hätten Zulauf. Aus Sicht von Nadler belastet das Erscheinungsbild der Ampel-Koalition die Grünen. „Ich glaube, die Bevölkerung erwartet zu Recht, dass wir zusammen Lösungen erarbeiten.“ Es gebe zu viel Streit. „Das muss besser werden.“

SPD-Kreisvorsitzender Korbinian Rüger (SPD) sprach von einem „katastrophalen Ergebnis“. Das Ergebnis im Landkreis spiegele den Bundestrend wider. Er forderte eine klare Analyse der Fehler, man dürfe das jetzt nicht auf allgemein schwierige „Umstände“ schieben. Die SPD zeige in der Ampel zu wenig Profil. Auch wenn man als stärkste Kraft dort ein ausgleichendes Element sein müsse, müsse doch erst mal klar werden, wofür man stehe. Das habe auch im Europawahlkampf gefehlt. Die SPD habe einen ganz anderen Ansatz als die CSU. Mehr Europa sei die Lösung, bei den Investitionen und auch bei den Schulden. „Wir wollen die großen Aufgaben unserer Zeit gemeinsam meistern.“ Das sei nicht deutlich geworden. Die SPD im Landkreis versuche das anders zu machen, auch mit Blick auf kommende Wahlen.

Die AfD ist zufrieden – und hofft bei der nächsten Wahl auf noch mehr

Dass die AfD am Münchner Stadtrand nicht so stark abgeschnitten hat wie bayern- und bundesweit, daran ist die Partei nach den Worten ihrer Kreisvorsitzenden Christina Specht gewohnt. „In und um der Stadt wird linker und grüner gewählt“, so Specht, die aber auch in den Zugewinnen im Landkreis einen Trend sieht. „Wir haben uns verbessert und nächstes Mal wird es hoffentlich noch besser.“ Die Diskussionen um die AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron haben ihrer Meinung nach ebenso wie das erstmalige Antreten des BSW der Partei sicher ein paar Punkte gekostet. „Wir sind aber trotzdem zufrieden.“

FDP-Kreisvorsitzende Monika Bock ist zufrieden, wie sich die FDP im Landkreis München geschlagen hat. „Es ist nicht die Riesenklatsche“, die man als Teil der Ampelregierung zu befürchten gehabt habe. Zu verdanken sei das auch dem eigenständigen Wahlkampf von Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die einen „eigenen Markenkern“ entwickelt habe. Die FDP im Landkreis habe sich stabilisiert, man registriere Parteieintritte. „Ich bin Optimistin“, sagte Bock, die den Zulauf zur AfD bedrückend, aber auch nachvollziehbar findet. Viele junge Wähler seien zu der Rechtspartei gewandert und hätten sich von den Grünen abgewandt. Sie höre aus Gesprächen mit jungen Menschen Frust über zu viel Zuwanderung heraus. Manchen werde in Berlin oder Neuperlach ihr Viertel fremd, weil fremde Kulturen dominierten.

„Die Richtung stimmt“, kommentierte Otto Bußjäger von den Freien Wählern das Ergebnis seiner Partei im Landkreis. Ähnlich wie die AfD sieht er auch für Freien Wähler im städtischen Bereich weniger Potenzial. Mit den leichten Zugewinnen vom Sonntag nehme man aber „Schwung mit für die Bundestagswahl“, so der Leiter der FW-Grundsatzkommission.

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