Süddeutsche Zeitung

Europawahl im Landkreis München:Unser Mann in Brüssel

Weil es keine Sperrklausel gibt, legen sich kleine Parteien im Europawahlkampf ins Zeug

Von Stefan Galler, Haar/Unterföhring

Unter insgesamt 40 Parteien können sich die Wähler in Deutschland bei der Europawahl diesen Sonntag entscheiden. Die meisten von ihnen hätten bei einer Bundestags- oder Landtagswahl nicht den Hauch einer Chance, ins Parlament einzuziehen, schließlich gilt dort die Fünf-Prozent-Hürde. Doch die ist bei der Europawahl außer Kraft gesetzt, sodass bereits vor fünf Jahren mehrere Klein- und Kleinstparteien ins Parlament einzogen. Der ÖDP etwa reichten 2014 bundesweit 0,6 Prozent der Stimmen, um den pensionierten Universitätsprofessor Klaus Buchner aus München ins Parlament zu schicken. Buchner führt die Liste der ÖDP-Kandidaten auch diesmal wieder an - und wird vom Kreisverband München-Land nach Kräften unterstützt.

"Wir haben für ihn auch im Landkreis Plakate aufgehängt, Infostände organisiert und Flyer verteilt", sagt die stellvertretende ÖDP-Kreisvorsitzende Katharina Graunke aus Unterhaching. Darüber hinaus gab es ein paar Veranstaltungen, beispielsweise im März, als man mit Buchner in Siegertsbrunn über die Folgen des Volksbegehrens zur Artenvielfalt diskutierte.

Die ÖDP, die auch im Kreistag und in einigen Stadt- und Gemeinderäten vertreten ist, konnte zuletzt in den Umfragen deutlich zulegen: Beim neuesten Bayerntrend zur Europawahl erhielt die konservative Ökopartei bei der Sonntagsfrage vier Prozent. Bei der Landtagswahl im Herbst 2018 hatte die ÖDP nur 1,6 Prozent der Stimmen erhalten. "Wir hoffen, dass sich der positive Trend noch ausweitet", sagt Katharina Graunke, die auf "ein bis zwei zusätzliche Mandate" spekuliert.

Katharina Graunke verweist auf die Abgrenzung zu den Grünen, die ihrer Partei in der Programmatik ähnelt: "Die ÖDP steht für volle Transparenz, ist völlig unabhängig von der Industrie, weil wir keine Firmenspenden annehmen und man genau einsehen kann, wer uns unterstützt."

Die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) um den AfD-Gründer und früheren Vorsitzenden Bernd Lucke warten anders als die ÖDP bisher vergeblich auf den großen Rückenwind. Sollte er noch kommen, könnte es die Landesvorsitzende Ulrike Schütt aus Haar ins Europaparlament schaffen, denn sie steht auf Listenplatz drei. Schütt war damals bei jenem AfD-Parteitag in Essen als Protokollantin auf der Bühne gesessen, als Lucke ausgepfiffen und aus dem Amt gedrängt wurde. "Es war erschreckend", sagt die heute 53-Jährige. Lucke konnte den islam- und ausländerfeindlichen Strömungen in der Partei nichts abgewinnen und gründete zunächst die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa), die er später in LKR umbenannte.

Schütt folgte ihm, ebenso wie Eva-Marie Neufahrt, die ebenfalls in Haar wohnt und auf Platz neun der Liste für die Europawahl steht. Gemeinsam haben die beiden auch einen politischen Stammtisch ins Leben gerufen, sie treffen sich ausgerechnet in einem griechischen Lokal, wo doch die Schuldenkrise der Südeuropäer einst die Kritik an der Einheitswährung befeuert hat. Schütt bekennt sich klar zur Europäischen Union, gerade in Sachen Geldpolitik hält sie jedoch nichts vom gemeinsamen Weg: "Die Euro-Rettung ist eine riesige Umverteilung von oben nach unten. Griechische Spekulanten haben sich dumm und dusselig verdient. Und der deutsche Steuerzahler musste es bezahlen", sagt die Haarerin.

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SZ vom 24.05.2019
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