SPD:Schulz-Effekt reloaded

SPD: SPD-Quartett in guter Stimmung: Korbinian Rüger, Gabriele Müller, Martin Schulz und Bayern-Chefin Natascha Kohnen (von links).

SPD-Quartett in guter Stimmung: Korbinian Rüger, Gabriele Müller, Martin Schulz und Bayern-Chefin Natascha Kohnen (von links).

(Foto: Claus Schunk)

Der ehemalige SPD-Parteichef entfacht bei seinem Auftritt in Haar anlässlich der kommenden Europawahl große Begeisterung. Auch Korbinian Rüger aus Planegg, der sich um einen Sitz im EU-Parlament bewirbt, überzeugt.

Von Iris Hilberth, Haar

Ein voller Saal, begeisterte Zuhörer, die tischtuchgroße SPD-Fahnen schwingen, und vorne am Rednerpult ein alter Bekannter, der leidenschaftlich für Europa kämpft. Das sind die Zutaten eines Wohlfühlabends für zuletzt arg gebeutelte Sozialdemokraten. Und ein bisschen war es an jenem Freitag in Haar so, als könnten sie es selbst kaum glauben, dass Martin Schulz, ihr geprügelter Ex-Spitzenmann, noch dieses Feuer für die Europapolitik in sich trägt und vor allem imstande ist, die Euphorie bei der Basis weiterhin zu entfachen. Sie feierten ihrem prominenten Gast bei diesem Wahlkampftermin im Bürgerhaus mit minutenlangen Standing Ovations, und viele im Saal glaubten in dem Moment vielleicht zum ersten Mal an den neuen Slogan der Bayern-SPD "Alte Stärke. Neue Kraft. Gute Zukunft", den sie auf der Bühne plakatiert hatten. In Haar gibt es ihn offenbar noch, den "Schulz-Effekt".

Der ehemalige Parteichef und einstige Kanzlerkandidat tourt derzeit durch die gesamte Republik. Für viele Sozialdemokraten ist er noch immer Mister Europa, und obwohl der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments schon seit zwei Jahren nicht mehr in Brüssel und Straßburg sitzt, sondern nach der krachenden Niederlage bei der vergangenen Bundestagswahl einfacher Abgeordneter in Berlin ist, sieht er sich für die Europawahl Ende Mai in der Pflicht. Dass die Parteispitze ihn fallen ließ, nachdem der "Schulz-Effekt" lediglich ein paar gute Umfragen, dann aber das denkbar schlechteste Ergebnis von 20,5 Prozent bescherte, spielt an der Basis keine Rolle. Hier hat der 63-Jährige nach wie vor seine Anhänger. Gabriele Müller, Haars Bürgermeistern, sagte nach dem Schulz-Auftritt: "Da kann man gar nicht verstehen, dass der nicht Bundeskanzler geworden ist."

"Wir brauchen ein Europa, das schützt."

"Gemeinsam ist man stärker. Das ist die Idee Europas", so sein Credo. Oder wie es einst Willy Brandt in seiner Regierungserklärung 1969 formuliert hat, den Schulz in Haar zitiert: "Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein, im Innern wie nach außen." Es geht dem Wahlkämpfer Schulz nicht um Detailfragen, er kandidiert ja gar nicht selbst für das Europaparlament.

Es geht ihm um die großen Themen Frieden, Demokratie, Menschenrechte und Solidarität. Und damit trifft er den Nerv seiner Zuhörer. "Wir brauchen ein Europa, das schützt", sagt er, es gehe darum, unser Gesellschaftsmodell zu verteidigen "wir wollen nicht zum Spielball der Interessen eines Donald Trump und der Turbokapitalisten in China werden." Aber es gebe in Europa noch immer einige kleine Staaten, die nicht erkannt hätten, dass sie kleine Staaten seien. "Europa ist eine Solidargemeinschaft und keine Veranstaltung zur Rosinenpickerei", stellt er klar und erntete Beifall. Schulz' Mission in diesen Wochen vor dem 26. Mai ist klar: Man darf den Rechten keine Chance geben, dieses Europa zu zerstören. "Das ist die zentrale Aufgabe der Sozialdemokratie".

Natürlich kann gerade auch den bayerischen Genossen eine solche Wahlkampfhilfe nur recht sein. Wer kennt schon die Kandidaten einer Wahl, die zwar viele als wichtig bezeichnen, die aber doch immer noch allzu nebensächlich behandelt wird und trotz allen Bemühens der Parteien auch im Landkreis München im Schatten der anstehenden Kommunalwahl steht. Dabei schicken die Oberbayern mit Korbinian Rüger einen jungen, klugen Kopf aus Planegg ins Rennen um die Sitze im EU-Parlament.

Leidenschaft für Europa

Der 30-Jährige ist Mitglied im Vorstand der SPD Planegg und beim "Project for Democratic Union", einem Verein, der sich für ein demokratisches, integriertes und föderal strukturiertes Europa einsetzt. Er promoviert nach seinem Studium der Volkswirtschaftslehre und Philosophie derzeit in politischer Philosophie an der Universität Oxford. Rüger sagt: "Wir müssen es sein, die zeigen, dass ein besseres, ein gerechteres Europa möglich ist." Und er ist überzeugt, dass "die Leute, die Europa zerstören wollen, nicht gewinnen werden". Die Leidenschaft für Europa schwingt mit jedem Satz seiner Rede in Haar mit, eindringlich warnt er davor, "alles auf Spiel zu setzen, was wir erreicht haben." Er findet: Dann sei diese Generation die blödeste in Europa.

"Du bist ein Kämpfer, da muss mir für die Zukunft der SPD nicht bange sein", lobte Schulz den jungen Kollegen. Auch Putzbrunns Bürgermeister Edwin Klostermeier zeigte sich beeindruckt: "Man merkt sofort, er meint es ehrlich." Dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Peter Paul Gantzer habe Rüger ebenso "sehr gut gefallen". Die SPD habe in ihren Ortsvereinen einige junge, hoffnungsvolle Mitglieder, stellt er fest. "Und wenn ich mir den vollen Saal hier so anschaue, womit ich nicht gerechnet habe, dann gibt das der SPD wieder Auftrieb und Mut", sagte Gantzer.

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