EU-Wahlkampf:Auf Augenhöhe mit den Kandidaten

EU-Wahlkampf: Der bayerische CSU-Kandidat für das EU-Parlament Bernd Posselt (rechts) stellte sich zusammen mit der Grünen-Kandidatin Henrike Hahn den Fragen der Ottobrunner Bürger. Walter Brinkham moderierte die Diskussion.

Der bayerische CSU-Kandidat für das EU-Parlament Bernd Posselt (rechts) stellte sich zusammen mit der Grünen-Kandidatin Henrike Hahn den Fragen der Ottobrunner Bürger. Walter Brinkham moderierte die Diskussion.

(Foto: Claus Schunk)

Bei der Volkshochschule in Ottobrunn können Bürger Politiker in kleinen Runden befragen

Von Marie Heßlinger, Ottobrunn

Während am Mittwochabend mehrere Fernsehsender die EU-Spitzenkandidaten live gegeneinander antreten ließen, lud die Volkshochschule in Ottobrunn zu einer persönlichen Begegnung mit vier bayerischen Politikern ein. Das Format war ein besonderes: In Kleingruppen sollten die Bürgerinnen und Bürger in einen direkten Dialog mit den Listenkandidaten treten.

"Wir sind knallhart. Wenn Sie vorhaben, ein Referat zu halten, grätsche ich dazwischen", warnte Ute Hartenberger die Anwesenden im Raum. Zusammen mit ihrem Vereinskollegen Walter Brinkmann der Europa-Union München moderierte sie den Abend. Die Europa Union ist eine überparteiliche, proeuropäische Organisation, die sich unter anderem für eine größere Wahlbeteiligung bei der EU-Parlamentswahl engagiert. Die gut 30 Besucher teilte die Moderatorin zunächst in zwei Gruppen auf zwei Räume auf. In einem Raum stellten sich die bayerischen Spitzenkandidaten Bernd Posselt (CSU) und Henrike Hahn (Grünen) den Fragen der Bürger. Korbinian Rueger (SPD) und Maximilian Funke-Kaiser (Junge Liberale) diskutierten gleichzeitig mit der anderen Gruppe. Nach 40 Minuten tauschten die Politiker-Duos den Raum. Die Besucher saßen im Halbkreis um sie herum. Hatten die Zuhörer eine Frage, sollten sie sich auf einen Stuhl direkt gegenüber den beiden Politikern setzen. "Es soll ein privater Raum zwischen Ihnen und dem Politiker entstehen", erklärte Hartenberger diese Regel. Jeder Fragende, der sich auf den "heißen Stuhl" begeben hatte, durfte auf die Antworten der Politiker eine Gegenfrage stellen.

In Ruegers und Funke-Kaisers erstem Duell dominierten die Fragen zum Thema Klimaschutz. Die erste Fragende wollte wissen, was die beiden Jungpolitiker über eine CO₂-Steuer dachten. Der 30-jährige SPD-Kandidat Rüger sprach sich für eine CO₂-Steuer aus, deren Einnahmen man in den öffentlichen Nahverkehr stecken solle. Sein 25-jähriger Konkurrent von der FDP warb für ein anderes Konzept: Der CO₂-Ausstoß solle mithilfe von Zertifikaten "gedeckelt und nicht bepreist" werden. Andere Bürger wollten wissen, wie man gegen jene Kräfte vorgehen wolle, die die EU von innen heraus zerstörten, und wie man zu einem europäische Mindestlohn stehe.

Eine Besucherin stellte sich als Britin mit einem neuen deutschem Pass vor. Vielen EU-Bürgern sei es zu schnell gegangen, beispielsweise mit der Idee einer europäischen Armee. "Ich höre, dass die Botschaft aus Großbritannien nicht angekommen ist", sagte sie und wollte wissen: "Was hat man aus dem Brexit gelernt?"

Wie viele andere Besucher wiederholte sie ihre Frage in der zweiten Runde. "Bei manchen Themen ist es besser, mit wenigen voranzugehen als es gar nicht zu machen", antwortete die Grünen-Kandidatin Hahn und spielte auf eine CO₂-Steuer an. "Wir brauchen nicht drei oder vier europäische Unionen, sondern eine", erwiderte indes der CSU-Kandidat Posselt. Eine verlangsamte Integration einiger Mitgliedstaaten sei in der heutigen, immer gefährlicher werdenden Welt nicht machbar. Doch Fingerspitzengefühl sei nötig. Ob die Kandidaten mit ihren Lehren aus dem Brexit überzeugen konnten? Was die Zuhörer über die Antworten der Politiker dachten, ließen sie in diesem Format nicht verlauten.

Die Politiker indes wirkten am Ende des Abends zufrieden. "So im Austausch mit den einzelnen Gästen war ich noch nie", sagte Maximilian Funke-Kaiser. Korbinian Rueger stimmte ihm zu: "Es war eine konstruktive Atmosphäre, die Gespräche verliefen sehr respektvoll." Wäre es nach ÖDP-Mitglied Ursula Esau gegangen, hätten die Gespräche ruhig etwas aggressiver verlaufen können. "Es kamen mir aus dem Publikum zu wenige Fragen. Auch die Nachfragen hätten fordernder sein können", sagte die 90-Jährige. Aber sie wusste, ebenso wie viele andere Anwesende, ohnehin schon, welche Partei sie am 26. Mai wählen wird.

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