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Unterschleißheimer Streit um Erschließungsbeiträge:Anwohner hoffen auf Glück - oder Milde

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Ein zweites Gutachten soll endgültig klären, ob die Anlieger der Südlichen Ingolstädter Straße in Unterschleißheim für die sogenannte Ertüchtigung der Fahrbahn zahlen müssen. Das Ergebnis wird an diesem Montag diskutiert. Es geht um viele tausend Euro pro Grundstück.

Von Irmengard Gnau, Unterschleißheim

Am heutigen Montag wird es für viele Unterschleißheimer spannend. Denn es geht um eine lange diskutierte Frage - und um viel Geld. Geld, das entweder die Kommune oder die Anlieger der Südlichen Ingolstädter Straße bezahlen müssen.

Im Bauausschuss soll am Abend die Entscheidung fallen, ob die Ertüchtigung der Südlichen Ingolstädter Straße als Abschluss der erstmaligen Herstellung gilt oder aber lediglich als Ausbau. Für die anliegenden Grundstückseigentümer bedeutet die Antwort einen Unterschied von mehreren tausend Euro.

Der Streit um die Frage, wer die Bauarbeiten an der Südlichen Ingolstädter Straße zu welchen Teilen zu bezahlen hat, beschäftigt Stadtrat, Verwaltung und Anlieger schon seit Monaten. Ein erstes Rechtsgutachten war im Mai vergangenen Jahres zu dem Schluss gekommen, dass die Bauarbeiten als Erschließungskosten abgerechnet werden müssen; das würde bedeuten, dass 90 Prozent der Kosten auf die Grundstückseigentümer entfallen - nach ersten Hochrechnungen war von circa 2,3 Millionen Euro die Rede, verteilt auf 75 Anlieger. Die Stadt hatte jedoch schon in Aussicht gestellt, den Bürgern entgegenzukommen und die Belastung zumindest mit Hilfe einer möglichen Härtefallregelung, des Drittelerlasses, zu mindern.

Nun sieht es so aus, als könnten die meisten Anlieger den Zahlungen sogar ganz entgehen: Das zweite Gutachten, dem noch umfangreichere Recherchen zugrundeliegen und dessen Ergebnis von vielen sehnsüchtig erwartet wurde, bewertet die verschiedenen Enden der Straße unterschiedlich. Auf dem Teilbereich zwischen der Weihenstephaner Straße und der Bebauung auf Höhe des Johann-Bauer-Wegs hat die Südliche Ingolstädter Straße nach Ansicht der Gutachter der Kanzlei Siebeck, Hofmann, Voßen in ihrer damaligen Funktion als B 13 (alt) bereits vor der Umstufung zur Gemeindestraße 1989 die nötigen Erfordernisse für eine hergestellte Erschließungsanlage erfüllt, mit Fahrbahn, Entwässerung und Beleuchtung sowie einer gewichtigen Bebauung. Alle Arbeiten an diesem Straßenabschnitt fallen also unter den Bereich der Straßenausbaubeiträge - die seit Juni in Bayern offiziell abgeschafft sind.

Im März 2021 greift eine Verjährungsfrist

Anders bewertet die Kanzlei den Abschnitt zwischen Johann-Bauer-Weg und Münchner Ring. Dieser Teilbereich sei noch nicht als erstmalig hergestellt zu betrachten, befinden die Gutachter. Alle Ausbauarbeiten zwischen Johann-Bauer-Weg und Münchner Ring fallen demzufolge weiterhin unter die Erschließungssatzung - vorausgesetzt, der Abschnitt wird bis 31. März 2021 auch ausgebaut. Danach nämlich greift die Änderung des Kommunalabgabengesetzes, die eine Verjährung für alle Straßen und sonstige Erschließungsanlagen beinhaltet, mit deren erstmaliger technischer Herstellung vor 25 Jahren oder mehr begonnen wurde.

Es müsste der Stadt Unterschleißheim also bis dahin gelingen, den nötigen Grund für den Ausbau zu erwerben und die Südliche Ingolstädter Straße in besagtem Teilbereich fertigzustellen. Das aber gestaltete sich zuletzt beim Kreisel am Münchner Ring schwierig. Kommt der Ausbau, dürften in etwa Gesamtkosten von 1,2 Millionen Euro zusammenkommen, schätzt die Bauverwaltung im Rathaus. Zehn Prozent davon übernimmt gemäß der Unterschleißheimer Satzung sowieso die Stadt. Außerdem spricht sich die Verwaltung in ihrem Beschlussvorschlag dafür aus, dass der Bauausschuss dem Stadtrat die offizielle Aufnahme des sogenannten Drittelerlasses in ihre Satzung ans Herz legt.

Demzufolge kann die Kommune den Anliegern bei Altbeständen wie der Südlichen Ingolstädter Straße, wenn sie zwischen April 2012 und April 2021 endgültig hergestellt werden, also nur knapp an der Verjährung vorbeischrammen, noch bis zu einem Drittel ihres Kostenanteils erlassen. Beschließt der Stadtrat, diesen Erlass anzuwenden, rechnet die Verwaltung vor, käme auf die betroffenen Grundstückseigner nur noch ein Beitragssatz von etwa 7,80 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu, zuzüglich dem Verrechnungsfaktor je nach Massivität der Bebauung. Bei einem zweistöckigen Wohnhaus auf einem 400 Quadratmeter großen Grundstück wären das insgesamt etwa 4055 Euro.

Die Verwaltung lobt in ihrer Beschlussvorlage die "gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten". Für das zweite Gutachten hat die Kanzlei Akten aus dem städtischen ebenso wie aus dem Bayerischen Staatsarchiv und von der Landesvermessung geprüft, aber auch Unterlagen und Aufzeichnungen von Anwohnern.

Folgt der Bauausschuss der Ansicht der Gutachter, können die Anlieger der Südlichen Ingolstädter Straße darauf hoffen, dass sie rechnungsfrei bleiben. Das letzte Wort in der Sache hat der Stadtrat.

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Quelle:
SZ vom 16.07.2018
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