Eissport:Zu groß für Ottobrunn

Eissport: Beim Benefiz-Eisstadionfest des ORSCE 2020 traten nicht nur Ice-Freestyler auf, sondern auch prominente Eishockeyspieler.

Beim Benefiz-Eisstadionfest des ORSCE 2020 traten nicht nur Ice-Freestyler auf, sondern auch prominente Eishockeyspieler.

(Foto: Claus Schunk)

Der ERSCO ist der einzige Eissportverein im Landkreis München mit einem Stadion. Das ist jedoch völlig überlastet, weshalb der Klub 50 Jahre nach seiner Gründung gerne in eine andere Gemeinde expandieren möchte.

Von Stefan Galler, Ottobrunn

Jahrelang war es der große Streitpunkt rund um den Eis- und Rollsportclub Ottobrunn (ERSCO): das fehlende Dach über dem Eisstadion am Haidgraben. Zuletzt lehnte der Gemeinderat 2016 aus finanziellen Gründen eine solche Abdeckung ab. Doch mittlerweile hat der Verein, der an diesem Samstag mit einem großen Fest sein 50-jähriges Bestehen feiert, trotz der Energiekrise und der damit verbundenen massiven Nachteile eines offenen Eisstadions ganz andere Prioritäten: Er braucht dringend eine zweite Eisfläche, anders lässt sich der Ansturm, den der Klub erlebt, nicht mehr bewältigen. "Abgesehen von einer kleinen Übungsfläche in Grünwald haben wir in Ottobrunn das einzige Eisstadion im ganzen Landkreis, deshalb kommen alle, die Eissport betreiben wollen, zu uns", sagt Zweiter Vorsitzender Michael Guggenhuber. Und darum musste der ERSCO mit nunmehr knapp 700 Mitgliedern, davon 500 aktive, einen Aufnahmestopp verfügen. "Wir haben in diesem Jahr sogar 60 Kinder abweisen müssen, die gerne in unseren Verein eingetreten wären."

Weil mangels Trainingsflächen nur noch eine U15-Nachwuchs-Eishockeymannschaft an den Start geht, droht nun sogar Jugendlichen das Aus, die schon seit Jahren Mitglied sind. Das sei "absolut brutal" und nicht im Sinne des Vereins, der sich eigentlich über seinen Zusammenhalt definiere, sagt Guggenhuber. "Aber man muss eben sehen, dass Eissport keine kommunale Angelegenheit ist, sondern eine überregionale." Guggenhuber würde sich deshalb wünschen, dass sich andere Gemeinden oder gar der Landkreis in diesem Bereich engagieren würden, denn Ottobrunn habe schlichtweg keinen Platz für eine weitere Fläche, etwa in Form einer Traglufthalle. "Wir sind diesbezüglich mit Taufkirchen in Kontakt, aber es ist nicht einfach", sagt Guggenhuber, der die Anschaffungskosten einer solchen Halle mit einer mobilen Eisfläche, wie sie etwa für den Eiszauber am Stachus verwendet wird, auf 1,5 bis zwei Millionen Euro schätzt.

Eissport: Kurz nach dem Stadionbau: Ein Eishockeyspiel am Haidgraben in den späten Siebzigerjahren.

Kurz nach dem Stadionbau: Ein Eishockeyspiel am Haidgraben in den späten Siebzigerjahren.

(Foto: privat/ERSCO)

Und so wird dem ERSCO 50 Jahre nach seiner Gründung sein großer Erfolg ein bisschen zum Verhängnis. Dass der Verein so beliebt ist, hängt auch damit zusammen, dass er in den vergangenen Jahren manche positive Geschichte geschrieben hat. Sogar in der Höchstphase der Pandemie, als es für die Ottobrunner von Vorteil war, dass ihr Stadion kein Dach hat. Sportwissenschaftler Guggenhuber, selbst Vater von vier Kindern, entwickelte damals ein Trainingskonzept für Zweiergruppen auf fünf voneinander abgetrennten Teilflächen des Eises, um vor allem dem ERSCO-Nachwuchs die Möglichkeit zu geben, Eishockey zu spielen. "Bewegung ist Freiheit für Kinder", sagt er. Das Konzept erhielt bundesweit Aufmerksamkeit, sogar einige Profiklubs ahmten es nach.

Eissport: Idee mit Signalwirkung: Während der Hochphase der Pandemie durften die Eissportler im Stadion in markierten Sektoren trainieren.

Idee mit Signalwirkung: Während der Hochphase der Pandemie durften die Eissportler im Stadion in markierten Sektoren trainieren.

(Foto: Claus Schunk)

Noch eine andere Neuerung steigerte die Popularität des Klubs: Für den Sommer hat der ERSCO einen neuen Multifunktionsboden bekommen, der auch bei Regen rutschfreies Inlineskaten und Inlinehockey zulässt. Letzteres ist übrigens eine Disziplin, in der Ottobrunn deutschlandweit zu den Pionieren gehörte. Der Gemeinderat hatte den Antrag des Vereins einstimmig durchgewunken. "Da laufen jetzt eben auch in den eisfreien Zeiten Inline-Programme und Kurse oder auch mal eine Inline-Disco", sagt Guggenhuber.

Am Haidgraben waren schon viele Eishockeygrößen zu Gast: Kühnhackl, Schloder oder Ex-Red-Bull-Kapitän Michael Wolf

Doch auch die sportlichen Erfolge des Vereins können sich sehen lassen. So ist die Männer-Eishockeymannschaft in der abgelaufenen Saison nach zehn Jahren in die Landesliga zurückgekehrt und knüpft damit an glorreiche Zeiten an. 1998 war der Klub in die Bayernliga aufgestiegen, spielte mit einer Reihe von Spielern, die 1991 deutscher Vizemeister der Schüler geworden waren: neben dem heutigen Funktionär Guggenhuber auch Michael Schneidawind, Patrick Gerber, Moritz Geiselbrechtinger, Ulrich Stadler - allesamt Spieler, die später auch höherklassig erfolgreich waren. "Wir hatten alle eine top Ausbildung in Ottobrunn, aber die Infrastruktur war halt nie perfekt. Deshalb sind viele weggegangen und dann später zum Ausklang ihrer Karriere wieder zurückgekommen", sagt Guggenhuber. Das enorme Standing des ERSCO im bayerischen Eishockey zeigte sich etwa 2000 und 2020 bei Benefizspielen am Haidgraben mit Nationalspielern wie Erich Kühnhackl, Alois Schloder oder Gerd Truntschka bei der ersten Auflage, sowie Michael Wolf und Klaus Birk zuletzt.

An der Infrastruktur und am fehlenden Geld scheiterte auch die Etablierung einer Frauenmannschaft: Die vom 2021 verstorbenen langjährigen ERSCO-Multi-Funktionär Winfried Schäffer betreuten "Twisters" schafften 2005 sogar den Aufstieg in die Bundesliga und mussten nach dem Abstieg 2009 vom Spielbetrieb abgemeldet werden, weil die Buchung von externen Trainingszeiten auf fremden Eisflächen für den Verein nicht mehr darstellbar war. Zahlreiche der Spielerinnen wurden später mit dem ESC Planegg mehrfach deutscher Meister.

Eissport: Planungsstart 1974, Eröffnung 1978: Die Bautafel für das Ottobrunner Eisstadion.

Planungsstart 1974, Eröffnung 1978: Die Bautafel für das Ottobrunner Eisstadion.

(Foto: ERSCO)

Aber nicht nur im Eishockey brachte der ERSCO herausragende Sportler hervor: Der erste große Star des Klubs war Eisschnelläuferin Sigrid Smuda, die schon drei Jahre nach der Vereinsgründung durch den langjährigen Präsidenten Ernst Vesely und noch vor dem Bau des Stadions am Haidgraben deutsche Meisterin wurde. Nach der Eröffnung des Stadions 1978 durch den damaligen Ottobrunner Bürgermeister Horst Stähler-May (CSU) wurde Smuda noch stärker, sie fuhr sogar zu den Olympischen Spielen 1980 nach Lake Placid und belegte dort über 500 Meter den 17. Platz.

Markus Blume war einst Eistänzer beim ERSCO. Nun versucht er sich auf einem anderen schlüpfrigen Terrain

Apropos Eisschnelllauf: 1991 stellte man in Markus Tröger wieder einen deutschen Champion. Zuletzt war Felix Motschmann, 18, das größte Talent des ERSC, er gewann bereits das prestigeträchtige Viking Race in den Niederlanden in seiner Altersklasse, trainiert am Bundesstützpunkt in Inzell und profitierte in seiner Anfangszeit beim ERSCO vor allem von Monika Gawenus, geborene Pflug, der Olympiasiegerin von 1972, die in Ottobrunn lange in der Nachwuchsförderung mitwirkte.

Eissport: Bewegungstalent: CSU-Politiker Markus Blume reifte einst beim ERSCO zu einem Eistänzer der Extraklasse.

Bewegungstalent: CSU-Politiker Markus Blume reifte einst beim ERSCO zu einem Eistänzer der Extraklasse.

(Foto: Stephan Rumpf)

Und auch in Sachen Eiskunstlauf hat man beim Vorort-Klub schon so manches Talent hervorgebracht - etwa das Geschwisterduo Sandra und Markus Blume, die 1993 bayerische Meister im Eistanz wurden und bei der Junioren-WM in Colorado Springs Rang neun belegten. Die große Karriere machte Blume dann übrigens auf einem anderen schlüpfrigen Terrain, nämlich in der Politik: Er ist aktuell Staatsminister für Wissenschaft und Kunst.

Der ERSC Ottobrunn feiert sein Vereinsjubiläum an diesem Samstag, 23. Juli, im heimischen Eisstadion in ganz großem Stil: Von 10 bis 14 Uhr sind vor allem die jüngeren Mitglieder und Freunde des Klubs aufgefordert, unter dem Motto "Sport und Spaß" an Spielen und anderen Aktivitäten wie Kinderschminken und dem Toben auf der Hüpfburg teilzunehmen. Zwischen 17 und 18.30 Uhr gibt es einen Streifzug durch die 50-jährige Historie des ERSCO - beide Veranstaltungen kosten keinen Eintritt. Am Abend steigt dann erstmals im Eisstadion ein Open-Air-Konzert: Von 19.30 Uhr spielt die Partyband "Ois Easy" auf, die Party soll bis in den späten Abend gehen; der Eintritt kostet zwölf Euro, Kinder bis 14 Jahren zahlen sechs Euro.

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