Mitten in Haar:Neue Partei im Rathaus

Schüler des Ernst-Mach-Gymnasiums unternehmen einen Ausflug in die Politik und lernen einiges.

Kolumne von Bernhard Lohr

In früheren Zeiten wurden Mächtige nervös, wenn sich Menschen trafen und allzu frei darüber sprachen, was sie sich wünschen. Es kam ja vor, dass die dann Parteien gründeten, Pamphlete verfassten und zum Sturm auf die Paläste oder wenigstens die Rathäuser bliesen. Das braucht es heute nicht mehr. Das politisch-weltanschauliche Angebot ist breit wie nie zuvor. 54 Parteien traten bei der jüngsten Bundestagswahl an. Wer Lust hatte, konnte beim öko-anarchistisch-real-dadaistischen Sammelbecken sein Kreuzchen machen, bei der Gartenpartei oder bei der "Menschlichen Welt", die sich beherzt und mit voller Überzeugung für das Wohl und Glücklichsein aller einsetzt.

Jeder findet seine Blase. Das gilt im Internet und in der realen Politik. Besonders im Lokalen, wo kleine Gruppierungen die politische Landschaft von Ort zu Ort anders aussehen lassen. In Haar hat nun CSU-Bürgermeister Andreas Bukowski erlebt, wie sich junge Leute am Ernst-Mach-Gymnasium in einer "Haar-Projekt-Partei" zusammenfanden. Aus der Ruhe brachte ihn das nicht. Er lud die Schüler vielmehr in den Gemeinderat ein. Sie sollten berichten, was ihnen alles nicht passt.

Natürlich rief da keiner zum Umsturz auf. Die Jugendlichen hatten eine schöne Präsentation vorbereitet und legten freundlich ein Sechs-Punkte-Programm vor: Sie forderten den Ausbau erneuerbarer Energien und die Installation von mehr Ladesäulen für E-Autos. Sie trugen vor, dass es in Haar endlich ein Volksfest geben sollte und die zentrale Einkaufsstraße sollte attraktiver werden. Die Haarer sollten über ein "Wahrzeichen" abstimmen. Vor allem verlangten sie, dass der Bürgermeister sich für einen Jugendrat am Ort einsetzt. Die Vertreter aller Parteien applaudierten und Bukowski gab bekannt, dass er das alles sowieso schon vorhat.

Es ging nicht um Anarchie und nicht ums Glück für alle. Dafür haben die Gymnasiasten bei der fiktiven Parteigründung, bei der sie in einem P-Seminar ihr Sozialkundelehrer begleitet hatte, gelernt, wie Politik an der Basis funktioniert. Und auch wie man es schafft, Kritiker einzufangen und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen zu lassen. Jetzt können sie schauen, was aus ihren Forderungen wird - oder eine echte Haar-Partei gründen.

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