Bundestagswahl im Landkreis München:Fördern, fordern - und nicht verunsichern

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Der Tiefengeothermie kommt in der Region München bei der Energiewende eine besondere Bedeutung zu. Im Bild:  der Kraftdrehkopf mit dem eingespannten Bohrgestänge auf der Baustelle einer Geothermie-Anlage. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Die Umstellung auf erneuerbare Quellen ist eine der großen Herausforderungen für die energiehungrige Region München. Um sie zu meistern, braucht es noch mehr Anstrengungen, mahnen  Experten aus Forschung und Praxis - und die richtigen Anreize aus Berlin.

Von Irmengard Gnau, Landkreis München

Die Richtung hat der Landkreis München schon längst vorgegeben: Die Energie, die Privatleute, Unternehmen und Kommunen in den 29 Städten und Gemeinden rund um die Landeshauptstadt verbrauchen, soll mehr und mehr aus erneuerbaren Quellen stammen. Dabei ist man an sich auf dem richtigen Weg: Aus dem aktuellen Treibhausgasbericht mit Zahlen von 2022, den das Landratsamt München Ende 2024 vorgestellt hat, geht hervor, dass inzwischen mehr als 18 Prozent des Stromverbrauchs über erneuerbare Energiequellen gedeckt wird; das ist etwa dreimal so viel, wie es noch 2010 war. Bei der Heizwärme hat sich der Anteil regenerativer Energie von 2010 auf 2022 mehr als verdoppelt auf rund 26 Prozent. Photovoltaikanlagen wurden installiert, und auch die Zahl der Elektroautos im Landkreis steigt; 2022 lag der Anteil der gemeldeten Faghrzeuge bei 9,3 Prozent.

Dass das nicht genug ist, darüber besteht weitgehend Einigkeit. Wie aber lassen sich die Voraussetzungen schaffen, damit die Energiewende gelingen kann? Und welche Rolle spielt dabei die Bundespolitik? Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei eine europäische Aufgabe; jeder Region kämen dabei besondere Aufgaben zu, sagt Thomas Hamacher. Der Physiker lehrt und forscht an der TU München auf dem Campus Garching. Als Professor für erneuerbare und nachhaltige Energiesysteme beschäftigt er sich mit Zukunftsfragen.

Ein Ballungszentrum wie München werde immer Energie von außen beziehen müssen, sagt Hamacher. Er macht drei Punkte aus, die er für zentral für eine stabile Energieversorgung aus regenerativen Quellen hält: „Erstens: Photovoltaik muss optimal ausgebaut und optimal integriert werden. Leider hat hier in der Vergangenheit oft die Einspeisung und weniger der Eigenverbrauch im Zentrum gestanden. Das muss sich auf alle Fälle ändern.“

Ebenso wichtig für Bayern ist aus Hamachers Sicht der weitere Ausbau der Windenergie. Im Landkreis München wurden mehrere Projekte durch Klagen ausgebremst; zuletzt wegen des Trinkwasserschutzes im Höhenkirchener Forst; in Garching blockiert die Deutsche Flugsicherung den Bau von Windrädern. Am weitesten fortgeschritten ist das Projekt der Gemeinden Aying, Otterfing und Sauerlach im Hofoldinger Forst: Dort werden aktuell drei Windkraftanlagen errichtet, an denen sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen können.

Das ist nach Einschätzung der Energieagentur München-Ebersberg eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz. „Wenn die Anwohnerinnen und Anwohner frühzeitig über die Pläne zur Errichtung von Windrädern informiert werden, man mit ihnen konstruktiv über ihre Sorgen spricht und sie die Möglichkeit haben, in diese auch selbst investieren zu können, dann werden daraus oft ‚unsere Windräder‘“, so die Erfahrung der Experten. Die Energieagentur hat sich seit ihrer Gründung 2014 einen Namen gemacht als kompetente Ansprechpartnerin in Energiefragen. 2024 berieten die Expertinnen und Experten insgesamt 1390 Privatleute; außerdem stehen sie den 50 Kommunen in den Landkreisen Ebersberg und München mit Rat zur Seite. Im Bereich Windenergie betreut die Energieagentur als Windkümmerer aktuell 41 Projekte in Oberbayern und Schwaben.

Firmen sind ein weiterer wichtiger Akteur für die Energiewende. Viele Unternehmen setzten sich intensiv damit auseinander, wie sie nachhaltig wirtschaften und CO₂-Emissionen einsparen könnten, weil sie sich in der Verantwortung sähen, den Planeten für zukünftige Generationen zu erhalten, sagen die Experten der Energieagentur. „Klimaschonendes Handeln muss nicht teuer sein. Ganz im Gegenteil: Wer als Unternehmen Energie spart, spart auch Geld. Gerade PV-Anlagen amortisieren sich mittlerweile innerhalb weniger Jahre, insbesondere wenn die Firmenflotte mit selbst produziertem, günstigem Strom fährt.“ Das unterstreicht auch Wissenschaftler Hamacher. Er hält eine intelligente Infrastruktur zum Laden von Elektroautos für die Energiewende für unumgänglich. „Wir müssen und fragen: Wie kann dies insbesondere auch am Arbeitsplatz geschehen, und wie kann hier Photovoltaik optimal eingebunden werden?“

Thomas Hamacher ist Professor für erneuerbare und nachhaltige Energiesysteme an der TU München in Garching. (Foto: TUM CREATE)

Weiter fordert Hamacher: „München muss sich dafür stark machen, dass die notwendige Infrastruktur in Bayern und Umgebung ausgebaut wird, insbesondere die Stromnetze.“ Technisch betrachtet hält Hamacher die Kopplung von Strom und Wärme für eine der ganz großen Aufgaben der näheren Zukunft.

Bei der Wärmeplanung verfügt die Region rund um München über ein besonderes Potenzial: die Geothermie. „Es wird eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre, die Geothermie optimal in die Wärmeversorgung einzubringen“, sagt Hamacher. Die Wärme aus der Tiefe haben bereits zahlreiche Landkreiskommunen für sich erschlossen. Unter den heutigen Herausforderungen rücken nun Kooperationen in den Blick. Die Gemeinden Aying, Brunnthal, Grasbrunn, Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Neubiberg, Putzbrunn und Taufkirchen etwa haben sich jüngst zu einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) Geothermie und Wärmewende zusammengeschlossen, um gemeinsam mit dem Landkreis ihre Potenziale zu untersuchen und vereint optimal zu nutzen.

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Wie lässt sich die Energiewende umsetzen und die Region zukunftssicher mit Energie versorgen? Unter den Direktkandidaten im Wahlkreis München-Land ist nur der Ausbau der Geothermie weitgehend Konsens.

Die Kommunen der sogenannten Nordallianz, zu denen Unterschleißheim, Oberschleißheim, Ismaning, Unterföhring und Garching zählen, wollen sich mit der Landeshauptstadt München und den Stadtwerken München beim Ausbau der Geothermie für die Fernwärme zusammentun, aber auch allgemein prüfen, wo bei der Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Energie aus erneuerbaren Quellen eine Kooperation Sinn macht.

Doch nicht nur Kommunen und Unternehmen, auch jeder Privathaushalt kann zur Energiewende beitragen. Gerade bei der Wärmeversorgung seien alle – Kommunen, Privatleute wie Unternehmen – aufgerufen, aktiv zu werden und früh anzufangen, raten die Experten der Energieagentur München-Ebersberg. Finanzielle Anreize wie Förderprogramme halten die Fachberater für hilfreich, wenn das Geld wirklich bei den Menschen ankomme.

„Eine Wärmepumpe funktioniert, die Umstellung ist in vielen europäischen Ländern weiter fortgeschritten als bei uns“

Noch wichtiger sei es allerdings, die Bürger nicht zu verunsichern durch unstete Politik oder Berichterstattung, wie etwa bei Wärmepumpen geschehen. „Wir sollten als Gesellschaft den Umstieg auf regenerative Energiequellen als Chance verstehen, uns wirtschaftlich und in Sachen Energieversorgung unabhängiger zu machen und nicht als notwendiges Übel oder gar als Ideologie. Eine Wärmepumpe funktioniert, die Umstellung ist in vielen europäischen Ländern weiter fortgeschritten als bei uns“, sagen die Experten der Energieagentur.

Hat die Energiewende genügend Rückhalt in der Gesellschaft, profitieren davon auch jene, für die Umbauten in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus tatsächlich eine schwer zu stemmende finanzielle Belastung bedeuten, argumentieren die Fachberater: „Je verbreiteter nachhaltige Energiequellen sind, je mehr Handwerksbetriebe damit Erfahrung haben und Serviceleistungen anbieten können, desto größer ist die Chance, dass sich der Preis nach unten anpasst. Das erleben wir bereits heute im Bereich Solar, wo Stecker-Solaranlagen mit Wechselrichter für Balkon oder Terrasse inzwischen sogar bei Discountern angeboten werden.“

Insgesamt liege die Umsetzung der Energiewende an vielen Faktoren, sagt TU-Professor Hamacher. Damit stehen auch verschiedene Akteure in der Pflicht. Der Wissenschaftler zeigt sich aber durchaus optimistisch: „Ich bin ziemlich sicher, das global bald der Wandel hin zu mehr Solar, hin zu mehr E-Autos schneller laufen wird als erwartet und das wird erhebliche positive Auswirkungen zeigen.“

Welche Themen bewegen die Menschen im Landkreis München vor der Bundestagswahl? Die SZ hat mit Betroffenen und Beteiligten gesprochen, mit Expertinnen und Experten und sie gefragt, was sie sich von der Politik erwarten. Alle Folgen der Serie finden Sie hier.

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