Ermittlungen gegen Imam:"Ich kann es mir selbst nicht erklären"

Ein Imam sitzt in Untersuchungshaft, weil er seine Frau brutal geschlagen haben soll - auch für den Anwalt des mutmaßlichen Opfers ist der Fall ein Rätsel.

B. Kastner

Der Fall schien eindeutig zu sein: Ein Imam, der mit seinem langen, grauen Bart an Osama bin Laden erinnert und einen orthodoxen Islam predigt, der mit drei Frauen und zehn Kindern zusammenlebt, dieser Imam wird verhaftet, weil er eine seiner Frauen krankenhausreif geschlagen haben soll, sie weist Blutergüsse und Knochenbrüche auf. Beamte treten die Tür ein, bringen die Frau in Sicherheit und nehmen den Imam mit. Seither sitzt er in Stadelheim in Untersuchungshaft.

Ermittlungen gegen Imam: In der Darul-Quran-Moschee hat Imam Abu A. bis zu seiner Festname gepredigt.

In der Darul-Quran-Moschee hat Imam Abu A. bis zu seiner Festname gepredigt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Rede ist von Abu A., dem Prediger der Darul-Quran-Moschee, die in einem ehemaligen Möbellager in der Ruppertstraße untergebracht ist. Verhaftet wurde der 40-Jährige am 24. November, und seither fühlen sich all jene, die es schon immer zu wissen glaubten, bestätigt: Islam und Gewalt sind nicht weit voneinander entfernt. Und jene, die den Imam kennen, seinen Predigten lauschten oder mit ihm diskutierten, sind ratlos: Ausgerechnet er, der immer gegen Gewalt und Terrorismus predigte? Er selbst bestreitet die Vorwürfe. Noch gibt es keine Beweise, es gilt, wie in jedem Fall, die Unschuldsvermutung. In den Medien aber wurde Abu A. zum "Prügel-Prediger" und zum "Imam mit den zwei Gesichtern". Der Fall gibt Rätsel auf.

Da sind zunächst die Vorwürfe, wie sie im Haftbefehl vom 25. November notiert sind, basierend vor allem auf den Angaben der Frau: fünf Fälle von Körperverletzung. Opfer: eine der drei Frauen des Imam, eine 31-jährige Syrerin. Im August schon soll der Imam seiner Frau den Unterarm gebrochen haben. Das sei geschehen, als sie versucht habe, einen Schlag von ihm abzuwehren. Zu den weiteren Attacken soll es in den Tagen vor der Festnahme gekommen sein.

Einmal soll er ihr vormittags mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben. Dabei sei sie gestürzt. Als er sich dann über sie gebeugt habe, sei ein Bügelbrett, das zwischen ihnen war, umgestürzt und auf sie gefallen. Anschließend habe der Mann sie mehrfach mit den Fäusten geschlagen, auch auf den Hinterkopf. Am späten Abend jenes Tages soll A. seine Frau abermals mit der Faust traktiert haben, so dass sie kurzzeitig bewusstlos geworden sei. Zudem habe er sie mit dem Tod bedroht. Am Tag der Festnahme soll er ihr vormittags mit dem Fuß in den Bauch getreten haben.

Im Hintergrund scheint ein Streit um die Kinder zu schwelen: A. habe gedroht, ihr die beiden gemeinsamen Kinder wegzunehmen, das ältere ist zwei Jahre alt. Aus Angst davor, die Kinder zu verlieren, habe die Frau die Attacken bislang verschwiegen. Der Haftbefehl gegen A. wird mit Verdunkelungsgefahr begründet: Er könnte Zeugen, etwa die beiden anderen Frauen, unter Druck setzen.

In Medienberichten war von gebrochener Nase und Schulter der Frau die Rede, einmal wird ein Klinik-Mitarbeiter mit den Worten zitiert: "Der Angriff wurde offenbar sehr brutal ausgeführt." Die Frau musste Ende November jedoch nicht in einem Krankenhaus behandelt werden. Nach SZ-Informationen stellte man in der Rechtsmedizin zwar "erhebliche" aktuelle Verletzungen fest, die Knochenbrüche waren jedoch nicht frisch, sondern schon älter. Rühren sie von früheren Attacken des Imam her oder haben sie eine andere Ursache?

Auch Berichte, wonach es zum Streit des Paares gekommen sei, weil die Frau fortan einen westlichen Lebensstil pflegen wolle, seien falsch: Sie trage bewusst eine Burka. Das betont ihr Anwalt Jamil Azem, der auch erklärt, dass sie freiwillig bei A. gelebt habe und nicht eingesperrt gewesen sei. Dass überhaupt die Polizei eingriff, veranlasste Azem, der selbst Muslim ist und Arabisch spricht. Er berichtet, die Syrerin habe bei ihm angerufen und um juristischen Rat in einem Sorgerechtsstreit gebeten. Während des Gesprächs habe er, Azem, gespürt, dass etwas nicht in Ordnung sei. Als er sie dezidiert gefragt habe, ob sie Opfer häuslicher Gewalt geworden sei, habe sie geschwiegen. Das habe ihn stutzig gemacht.

Azem habe ihr dann angeboten, die Polizei zu rufen, um sie in Sicherheit zu bringen und ihr geraten, ihre Sachen zu packen. "Ich habe sie motiviert zu diesem Schritt. Ich fühlte mich als Anwalt verpflichtet, die Polizei zu rufen", sagt er. Inzwischen gehe es der Frau "einigermaßen gut", sie sei zusammen mit ihren Kindern an einem sicheren Ort.

Die Geschichte von Abu A.

Der Anwalt von Abu A., Heinrich Haarmann, erzählt die Geschichte aus Sicht seines Mandanten. Als er den Imam 2008 kennenlernte, sei auch die syrische Frau mit in die Kanzlei gekommen. Völlig verschleiert sei sie gewesen. Anliegen des Imam sei gewesen, das alleinige Sorgerecht für das kurz zuvor geborene Kind zu erhalten. Auf mehrfache Nachfrage des Anwalts habe die Frau, die kein Deutsch spricht, dem zugestimmt.

Zur Verwunderung des Anwalts sei der Antrag von den Behörden und dem Familiengericht tatsächlich abgesegnet worden, und als Anfang 2010 das zweite gemeinsame Kind zur Welt kam, habe der Vater das alleinige Sorgerecht sogar ohne anwaltliche Hilfe erhalten, berichtet der Anwalt.

Nun habe der Imam kurz nach der Festnahme angeboten, ihr das Sorgerecht zurückzugeben, wenn sich so die Probleme lösen ließen. Überhaupt, sagt der Anwalt, wirke A. wie ein Mann, der sich nichts vorzuwerfen habe. Der sich aber auch der Tragweite der Vorwürfe gegen ihn noch nicht bewusst sei: Sein Ruf als Prediger ist jetzt schon massiv beschädigt, und selbst dann, wenn sich die Vorwürfe am Ende nicht bestätigen sollten, dürfte er es schwer haben.

Die beiden anderen Frauen von Abu A. eine Rumänin - sie gilt nach deutschem Recht als Ehefrau -, und eine Deutsche, hätten versichert, nie etwas von Schlägen mitbekommen zu haben, berichtet der Anwalt. Beide sind gerade hochschwanger, beim Besuch in der Kanzlei hätten sie "wie ein Herz und eine Seele" gewirkt.

Der Imam selbst erklärt die Verletzungen der Syrerin damit, dass sie an Epilepsie leide, ihre blauen Flecken rührten von Stürzen. Den Unterarm habe er ihr auch nicht gebrochen. Die Frau sei im August mit gebrochenem Arm aus dem Ausland zurückgekehrt. Sie besitzt nach SZ-Informationen die norwegische Staatsbürgerschaft und hielt sich immer wieder länger in Oslo auf.

Eine Münchner Fernseh-Journalistin kennt die Familie des Imam seit Jahren, hat über sie schon berichtet und war zuletzt just am Nachmittag des 23. November stundenlang in der Wohnung in Ramersdorf. An jenem Tag also, an dem vormittags die Syrerin von ihrem Mann massiv geschlagen worden sein soll. Die Journalistin erinnert sich an keine auffällige Veränderung im Verhalten der Frau, die in ihrem Beisein unverschleiert gewesen sei. Ist das nun ein Indiz dafür, dass ihr nichts zugestoßen ist? Oder hat sie ihre Schmerzen vor anderen so gut verborgen? Eine offene Frage ist auch, warum A. nicht die Tür geöffnet hat, als die Polizei klingelte, wenn er sich nichts zuschulden hat kommen lassen.

Kommende Woche wird ein Ermittlungsrichter die Frau befragen, ein gerichtsmedizinisches Gutachten soll die Ursache der Verletzungen klären, sagt A.s zweiter Anwalt, Strafverteidiger Thomas Pfister. Die Auseinandersetzung des Paares ums Sorgerecht könnte "einer der zentralen Punkte des Verfahrens werden". Auch scheine eine Trennung der Frau von A. "in der Luft zu liegen".

Die Ermittlungen dürften auf die Frage zulaufen: Ist der Imam im Streit um die Kinder gewalttätig geworden - oder benutzt die Frau die Vorwürfe als Druckmittel? Noch ist nichts bewiesen. Und selbst Jamil Azem, der Anwalt des mutmaßlichen Opfers, macht keinen Hehl daraus, dass er sich noch keinen Reim auf die Geschichte machen kann. Gewiss, er glaube seiner Mandantin. Aber zugleich kenne er den Imam als Mann, der Gewalt ablehne und in einigen anderen konfliktträchtigen Partnerschaften vermittelt habe. "Mich irritiert und schockiert die Geschichte sehr. Ich kann es mir selbst nicht erklären", sagt Jamil Azem.

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