Erlebnis Bauernhof:Zu Besuch bei Schulkuh Lotte

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Zupacken ist angesagt: Die Kinder laden gemeinsam mit Ministerin Michaela Kaniber Grünfutter auf einen Schubkarren. (Foto: Angelika Bardehle)

Wo kommt die Milch her und wie entsteht Mehl? Auf dem Hof der Familie Hendriock in Beigarten lernen Schüler Grundlegendes. Das Landwirtschaftsministerium fördert diese Art der Umweltbildung.

Von Iris Hilberth, Straßlach-Dingharting

Die Kuh ist lila und die Milch kommt aus dem Tetrapack. Es mag ein hartnäckiges Gerücht sein, dass Kinder heutzutage tatsächlich so ahnungslos sind, was die Landwirtschaft angeht. Doch Klaus Hendriock sagt: "Es ist teilweise noch viel schlimmer." Hendriock leitete mit seiner Frau Valérie das Gut Ingold im kleinen Weiler Beigarten, der zur Gemeinde Straßlach-Dingharting gehört. Zugleich ist er aber auch Lehrer und an der Pater-Rupert-Maier-Realschule in Pullach tätig. Bereits vor 20 Jahre hat er daher begonnen, die Klassen auf seinen Hof einzuladen, um ihnen die Landwirtschaft näher zu bringen, den Bezug zum Lebensmittel herzustellen. "Wir bringen die Kinder hier raus, um ihnen zu zeigen, was wir hier tun und wo das Endprodukt herkommt, das sie auf dem Teller haben", sagt er, "das ist uns eine Herzensangelegenheit."

Im Stall steht Lotte, die Schulkuh, die es gewohnt ist dass Grundschüler ihr Ohr an ihren Bauch legen, um zu hören, wie Rinder verdauen. Oder die ihre Hände hinstrecken, um zu spüren, dass Kühe raue Zungen haben. Auf der Wiese hinter dem Hof sammelt die Klasse 5a der Pullacher Realschule an diesem Vormittag verschiedene Pflanzen, um von Valérie Hendriock zu lernen, was ein Rindvieh eigentlich frisst. "Brennnesseln mag die Kuh nicht", sagt Lena, "Klee schmeckt ihr gut", ergänzt Anna, "und Löwenzahn ist ihr Lieblingsessen," weiß Benni. Einen ganzen Schubkarren voll Grünzeug nimmt eine Kuh am Tag zu sich, dazu trinkt sie 80 bis 90 Liter Wasser, haben die Kinder bei ihrem Besuch bei den Hendriocks gelernt.

622 Bauernhöfe nehmen am Projekt teil

"Gut Ingold" ist mittlerweile einer von bayernweit 622 Bauernhöfen, die am Schulprojekt "Erlebnis Bauernhof" teilnehmen. Denn seit 2012 fördert das bayerische Landwirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerin den Besuch von Schulklassen der zweiten bis vierten Jahrgangsstufe auf Bauernhöfen und übernimmt die Vergütung des Betriebs, sodass die Schüler nur die Fahrtkosten zahlen. Valérie Hendriock hat sich zur Erlebnisbäuerin ausbilden lassen, eine umfangreiche Schulung, um Kindern die Arbeit auf dem Bauernhof, die Wertschätzung für Lebensmittel und das Verständnis für Umwelt und Natur kompetent und dem Lehrplan entsprechend zu vermitteln. Für sie ist das Bildungsangebot inzwischen neben der Rinderzucht zu einem echten Standbein geworden.

Landwirtin Valérie Hendriock erklärt, was Kühe mögen. (Foto: Angelika Bardehle)

Vergangene Woche war Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) auf dem Hof in Beigarten zu Gast, um offiziell die Projektwochen in diesem Sommer zu eröffnen. Bis zum 26. Juli können Schulklassen auf den Höfen einen Tag verbringen und dort Tiere füttern, Eier sammeln oder auch Getreide mahlen. Seit dem Start des Programms vor sieben Jahren haben laut Ministerium mehr als 220 000 Grundschüler an diesem Projekt teilgenommen. Kaniber lobte das Gut Ingold als "Bilderbuchbauernhof" und sagte: "Heute arbeiten nur noch sehr wenige Menschen in der Landwirtschaft und dadurch kennen viele von uns keinen Landwirt mehr persönlich." Daher sei es ganz wichtig, die Leistungen der Bauern in die Breite zu tragen. Ihr Ziel sei es dass alle bayerischen Schulkinder hautnah erlebten, wie die Bäuerinnen und Bauern Lebensmittel herstellten und die Landschaft pflegten. Daher soll das Programm auch auf die Jahrgangsstufen sechs und sieben der Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien ausgeweitet werden. Als erster Schritt startet in diesem Jahr ein Pilotprojekt mit zehn Schulen.

Vorbildlicher Lernort

Tobias Pupeter vom bayerischen Kultusministerium bezeichnete den Bauernhof als "Lernumgebung par excellence". Besser könne man sich das gar nicht vorstellen. Hier könne Wahrnehmung und Erfahrung mit Wissen verknüpft werden. "Das Herz ist sofort dabei auf diesem Hof", sagte er. Herz, Hand und Kopf seien wichtig beim Lernen, hier stehe mal die Hand im Vordergrund. Allerdings haben die Hendriocks nicht nur die Wiese, den Stall und die Tiere, um den Schülern einen vorbildlichen Lernort zu bieten. Sie haben den Schuppen auch umgebaut in ein kleines Klassenzimmer mit Tischen, Tafel und vielen Büchern in den Regalen inmitten des Bauernhofs.

Dass die Erlebnisse mit Kuh Lotte, den Hühnern, Schweinen und Küken den Schülern nachhaltig im Gedächtnis bleiben, bekommt Klaus Hendriock regelmäßig von erwachsenen Besuchern bestätigt. Die sagten ihm: "Das Schönste an meiner Schulzeit war der Ausflug auf Ihren Hof."

Weitere Betriebe des Programms Erlebnis Bauernhof im Landkreis München: Laubhart in Taufkirchen, Riegerhof in Straßlach-Dingharting, Seidlhof in Gräfelfing, Gut Karlshof in Ismaning

© SZ vom 03.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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