Energiewende im Würmtal:Streit zwischen Nachbargemeinden eskaliert

Energiewende im Würmtal: Wird nun wohl doch verfüllt: die ausgehobene Kiesgrube der Firma Glück bei Martinsried, die als Erdbecken-Wärmespeicher im Gespräch ist.

Wird nun wohl doch verfüllt: die ausgehobene Kiesgrube der Firma Glück bei Martinsried, die als Erdbecken-Wärmespeicher im Gespräch ist.

(Foto: Robert Haas)

Nach dem voraussichtlichen Aus für einen Erdbecken-Wärmespeicher bei Martinsried schieben sich Politiker aus Planegg und Gräfelfing gegenseitig die Schuld am Scheitern des Pilotprojekts zu.

Von Annette Jäger und Rainer Rutz, Gräfelfing/Planegg

Wenn nach den Weihnachtsferien am 9. Januar das Gräfelfinger Kiesunternehmen Glück die Verfüllung der Kiesgrube auf dem Martinsrieder Feld, an der Grundstücksgrenze zwischen Planegg und Gräfelfing, wiederaufnimmt, ist das Ausdruck eines großen Scheiterns interkommunaler Energiepolitik. Der Gräfelfinger Gemeinderat hätte die Verfüllung der Grube gerne dauerhaft ausgesetzt, um hier möglicherweise einen Erdbecken-Wärmespeicher zu realisieren, ein Pilotprojekt regenerativer Energienutzung. Gemeinsame Gespräche zwischen den beiden Würmtalgemeinden Gräfelfing und Planegg sowie dem Kiesunternehmen und dem Landratsamt, wie die Grube offengehalten werden könnte, sind jedoch nicht zustande gekommen. Die Akteure schieben einander die Schuld am Scheitern zu.

In einem Positionspapier der "Initiativgruppe Wärmenetz Würmtal-Nord" äußern die Unterzeichner - unter anderem Martin Feldner, Dritter Bürgermeister von Gräfelfing und Gemeinderat der Grünen/Unabhängigen Liste, sowie Angelika Lawo, Gemeinderätin der grünen Gruppe 21 in Planegg - scharfe Kritik an Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU). Sie werfen ihm vor, "ein Leuchtturmprojekt zur Bekämpfung der Energie- und Klimakrise" zu zerstören und Steuergelder in Höhe von mehr als 90 000 Euro, welche die Gemeinde Gräfelfing für Machbarkeitsstudien zur Realisierung eines Erdbecken-Wärmspeichers aufgewendet habe, zu verschwenden. Die Vorwürfe macht die Initiativgruppe daran fest, dass die Gemeinde Planegg eine Zusatzvereinbarung mit der Firma Glück nicht aufhebt, die hohe Strafzahlungen vorsieht, wenn die Grube nicht bis Ende 2023 verfüllt ist.

"Ein Konglomerat an Lügen und Desinformation", wirft Planeggs Bürgermeister seinen Kritikern vor

Tatsächlich hat der Gräfelfinger Gemeinderat Ende November beschlossen, Gespräche mit der Nachbargemeinde, dem Landratsamt und der Firma Glück zu initiieren, mit dem Ziel, die Zusatzvereinbarung aufzuheben und damit Zeit zu gewinnen, um eventuell einen Erdbeckenspeicher zu realisieren. Nach Aussagen von Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler (CSU) hat jedoch der Geschäftsführer der Firma Glück, Markus Wahl, signalisiert, mit der Verfüllung weitermachen zu wollen, unter anderem um seiner Vertragspflicht nachzukommen. Er habe danach keinen Vorstoß mehr unternommen, um mit seinem Planegger Amtskollegen zu sprechen.

Energiewende im Würmtal: Will nicht der "Sündenbock" sein: Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU).

Will nicht der "Sündenbock" sein: Planeggs Bürgermeister Hermann Nafziger (CSU).

(Foto: Florian Peljak)

Dieser kocht vor Zorn. Am Telefon sagte Hermann Nafziger am Montag, das Gräfelfinger Positionspapier sei ein "Konglomerat an Lügen und Desinformation". Seinem Parteifreund, Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler, hält er "Feigheit und unterirdisches Verhalten" vor. Die Auseinandersetzung um einen Erdbecken-Wärmespeicher werde nicht ehrlich geführt. Planegg habe sich niemals gegen das Projekt ausgesprochen - im Gegenteil: Im Gemeinderatsbeschluss von Ende November habe man deutlich gesagt, man wolle dem Projekt "nicht im Wege stehen und den Beteiligten jede Zeit, die sie wünschen, geben". Er könne darin "keinerlei Verweigerungshaltung" erkennen, allerdings eine "Missachtung und eine Aushebelung des Gemeinderats Planegg durch die Gräfelfinger und ihren Bürgermeister".

Der nach der Gemeinderatssitzung mit Köstler vereinbarte runde Tisch sei niemals zustande gekommen. "Ich habe weder einen Anruf, noch eine Einladung erhalten", so Nafziger. Zur Sache selbst sagt Planeggs Rathauschef: Die Gemeinde sei "überhaupt nicht in der Lage, die Verfüllung der offenen Kiesgrube durch Glück zu stoppen". Dies sei alleine Sache des Landratsamts München. Nur diese Behörde könne die Zusatzvereinbarung Planeggs mit Glück vorläufig außer Kraft setzen. Nafziger: "Wir hängen völlig in der Luft."

Die offene Kiesgrube liegt weitestgehend auf Gräfelfinger Grund, nur rund 3000 Quadratmeter gehören zu Planegg. Man habe vor Jahren eine Zusatzvereinbarung geschlossen, "weil wir der Unzuverlässigkeit von Glück, was Verfüllungen betrifft, leid waren und weil es noch eine Diskussion um eine Umgehungsstraße gab", schildert Planeggs Bürgermeister. Letztlich sei Planegg aber "überhaupt nicht zuständig". Er habe "es satt, zum Sündenbock gestempelt zu werden".

Energiewende im Würmtal: Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler (CSU) beklagt, die Beteiligten hätten von Anfang an nicht an einem Strang gezogen.

Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler (CSU) beklagt, die Beteiligten hätten von Anfang an nicht an einem Strang gezogen.

(Foto: Claus Schunk)

Gräfelfings Bürgermeister Peter Köstler äußert sich zurückhaltender. Er werfe niemandem etwas vor, er halte nur fest, dass die beiden Nachbargemeinden unterschiedliche Haltungen zu dem Projekt hätten. Von Anfang an hätten alle Beteiligten nicht "an einem Strang gezogen", Planegg habe sich immer schon zurückgehalten, etwa als man sich nicht an der Machbarkeitsstudie beteiligt habe. Köstler gibt aber auch zu, dass er selbst "damit leben" könne, wenn die Grube verfüllt werde. In der Tat hat Gräfelfings Bürgermeister nie einen Hehl daraus gemacht, dass er das Grubenprojekt für verfrüht hält und im ersten Schritt die Geothermie auf Gräfelfinger Flur umsetzen möchte.

Energiewende im Würmtal: Wirft den Naturschützern vor, seinem Unternehmen schaden zu wollen: Markus Wahl, Geschäftsführer der Firma Glück.

Wirft den Naturschützern vor, seinem Unternehmen schaden zu wollen: Markus Wahl, Geschäftsführer der Firma Glück.

(Foto: Robert Haas)

Vorwürfe müssen sich auch die Aktiven der Initiativgruppe Wärmenetz anhören. In einem offenen Brief an den Gräfelfinger Gemeinderat Martin Feldner schreibt Glück-Geschäftsführer Markus Wahl, dass er sich schwertue, das "Herzensprojekt" von Feldner und seinen Mitstreitern zu unterstützen, wenn diese eigentlich nur das "vorrangige Ziel" verfolgten, seiner Firma zu schaden und ihr die Existenzgrundlage zu entziehen. Unterdessen will die Initiativgruppe den Erdbecken-Wärmespeicher nicht ad acta legen. "Wir machen weiter", sagte Feldner am Montag. Notfalls müsse in einigen Jahren die Grube wieder ausgehoben werden.

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