Erdbeben:"Erst der Krieg, jetzt die Natur"

Erdbeben: Der kurdische Künstler Zuheir Darwish, der seit 2013 in Unterföhring lebt, organisiert Hilfe für die Region, in der er geboren wurde.

Der kurdische Künstler Zuheir Darwish, der seit 2013 in Unterföhring lebt, organisiert Hilfe für die Region, in der er geboren wurde.

(Foto: Robert Haas)

Eine Syrerin und ein Kurde, die im Landkreis München Zuflucht gefunden haben, bangen mit Angehörigen und Freunden in der betroffenen Region.

Zuheir Darwish ringt zwei Tage danach immer noch nach Worten. Der Künstler aus Unterföhring ist in Quamischli (kurdisch: Qamişlo) im Norden Syriens geboren - nahe der Grenze zur Türkei und zum Irak. Darwish, der kurdische Wurzeln hat und Gründer des Vereins "Baum der Hoffnung" ist, welcher Flüchtlinge im Nahen Osten unterstützt, hat noch viele Kontakte zu Menschen in der vom Erdbeben betroffenen Region. "Ich habe die ganze Nacht mit Bekannten und Verwandten dort telefoniert", sagt er am Mittwoch.

Seine Geburtsstadt selbst ist zwar deutlich weniger schwer getroffen worden als andere Orte in dem Dreiländereck, aber die Situation dort ist ebenfalls belastend: Die Menschen würden aus Angst vor Nachbeben die meiste Zeit draußen verbringen, in der Kälte, auch während der Nacht. Andere suchten Schutz in Moscheen oder Schulen. Einige Dörfer in der Region, von denen noch nicht die Rede in den Medien war, seien indes komplett zerstört worden, hat Darwish aus Gesprächen erfahren. "Es ist Chaos", sagt der Unterföhringer, der seit 2013 in der Gemeinde im Münchner Nordosten lebt, "erst der Krieg, und jetzt schlägt die Natur zu".

Durch seine Kontakte in die Region, wo er ohnehin mit seinem Verein in Flüchtlingscamps in Nordirak aktiv sei, versuche er, aktuell zusätzliche Hilfe zu organisieren. Zudem wünscht er sich, dass Militärhubschrauber Hilfe in derzeit abgeschnittene Gebiete bringen. "Sie könnten ja auch mal zur Rettung eingesetzt werden."

Erschüttert von den Folgen des Erdbebens ist auch Elenya aus Unterhaching, die ihren wirklichen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Die alleinerziehende Mutter ist mit ihren vier Kindern aus Rakka in Nordsyrien vor dem Bürgerkrieg geflüchtet und wohnt seither im Landkreis München. Ihre Mutter lebt noch in Rakka, wo das Erdbeben zu spüren war, obwohl es weit weg vom Epizentrum liegt. Die Mutter habe die vergangenen Nächte im Freien verbracht, obwohl ihr Haus nicht zerstört ist. Sie könne zwar hinein, habe aber fürchterliche Angst vor Nachbeben oder weiteren Ereignissen.

Für die Tochter in Unterhaching ist die Situation nahezu unerträglich: "Ich muss jetzt meine Augen zumachen, ich kann nicht zu viel Leid auf einmal sehen", sagt sie.

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