Energiewende:Unterhaching zieht den Stecker

Geothermieanlage in Unterhaching, 2010

Einst Sinnbild von Innovation und effizienter Energiegewinnung, heute kurz vor der endgültigen Stilllegung: Im Kalina-Kraftwerk, Herzstück der Unterhachinger Geothermie-Anlage, wird seit August kein Strom mehr produziert.

(Foto: Angelika Bardehle)

Das störanfällige Kalina-Kraftwerk der Geothermie-Anlage muss erneut heruntergefahren werden. Vielleicht für immer. Die Gemeindewerke Oberhaching dagegen wollen mit der Technik Strom produzieren.

Von Michael Morosow und Iris Hilberth, Grünwald/Oberhaching

Die Unterhachinger Geothermie steht vor einer Zäsur. Das Kalina-Kraftwerk, Herzstück einer "zukunftsweisenden technischen Innovation", wie es der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel 2009 bei der offiziellen Inbetriebnahme nannte, ist offenbar acht Jahre später schon reif fürs Museum. Seit August ist es abgeschaltet, weil wieder einmal die Dichtungen nicht hielten, seither produziert es kein einziges Kilowatt Strom mehr. Es ist zwar beileibe nicht das erste Mal, dass das Kalina-Kraftwerk aufgrund technischer Störungen heruntergefahren wurde. Dieses Mal aber könnte es eine Abschaltung für immer sein.

In Oberhaching setzt man auf Kalina

In der Nachbarschaft hingegen setzt man seine Zukunftshoffnungen genau auf diese Technik. Oberhachings Bürgermeister Stefan Schelle (CSU) sprach kürzlich in der Gemeinderatssitzung von "einem wichtigen Baustein im Klimaschutzprogramm". Die Gemeindewerke Oberhaching (GWO), eine hundertprozentige Tochter der Gemeinde, sind an der Geo-Energie in Taufkirchen beteiligt, 26 Prozent der Anteile gehören der GWO. Das Fernwärmenetz wächst, und in der neu errichteten Energiezentrale wurden jüngst die sehnsüchtig erwarteten Wärmetauscher eingebaut. "Wir stehen kurz davor einzuschalten", sagt Curt Benz, der Geschäftsführer der Geo-Energie Taufkirchen.

Dass sich nahezu gleichzeitig zwei Orte weiter die Kollegen von der Kalina-Technik verabschieden, macht ihn keineswegs nervös. "Das hat ja keine technischen Gründe, sondern betriebswirtschaftliche", ist er überzeugt. Er berichtet, in Baden-Württemberg liefen einige Geothermie-Kraftwerke mit Kalina-Technik, die einwandfrei funktionierten. Man habe auch bei dem Projekt in Taufkirchen durchgerechnet, ob Kalina oder das in Grünwald angewandte Organic Rankine Cycle (ORC) effizienter sei und sich dann für diese Technik entschieden. Die Gemeindewerke Oberhaching wollen dann, wenn der Strom aus der eigenen Geothermie fließt, diese Sparte der Energieversorgung weiter ausbauen. Seit 2013 bieten die GWO Ökostrom aus Wasserkraft an. Zusätzliche 30 000 Megawattstunden im Jahr erhoffen sie sich mit dem Geothermie-Strom.

Im Lager der Unterhachinger Geothermiegesellschaft wie auch bei ihrem Wärmeverbundpartner, der Erdwärme Grünwald, wird hingegen seit Wochen nach einem Ausweg aus dem Schlamassel gesucht. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung steht an erster Stelle aller Überlegungen, die zuletzt allzu anfällige Kalina-Anlage stillzulegen. Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, dürfte dabei das erste Leitmotiv sein. Das zweite: Es gibt einen Weg, auf die Stromproduktion und damit auf erkleckliche Einnahmen auch in Zukunft nicht verzichten zu müssen; der vor fünf Jahren beschlossene Wärmeverbund mit der Erdwärme Grünwald (EWG) macht dies möglich. Nachdem bereits eine Rohrleitung besteht, über die thermisches Wasser je nach Bedarf zwischen Grünwald und Unterhaching hin- und hergeschickt wird, soll diese Möglichkeit auch zur Stromproduktion genutzt werden. Das heißt, das in Unterhaching geförderte etwa 120 Grad heiße Tiefenwasser wird nach Grünwald befördert und in der dortigen, weitgehend störungsfreien ORC-Anlage verstromt. "Dafür sind Verbundleitungen da", sagt Andreas Lederle, einer der beiden Geschäftsführer der Erdwärme Grünwald GmbH. Schließlich hat das Ganze schon einmal in umgekehrter Richtung funktioniert. Als Grünwald noch kein Kraftwerk besessen habe, sei das in Laufzorn geförderte Thermalwasser erfolgreich in Unterhaching verstromt worden, berichtet Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Unterhachinger Geothermie-Gesellschaft.

Die Voraussetzung für eine dauerhafte Verstromung des Unterhachinger Thermalwassers in Grünwald wären also gegeben. Zum einen läuft das ORC-Kraftwerk in Laufzorn seit seiner Inbetriebnahme am 18. Dezember 2014 reibungslos. Zum anderen darf die EWG inzwischen eine höhere Strommenge ins Netz speisen als bisher. Das Kraftwerk hat eine installierte Leistung von 4,5 Megawatt, der örtliche Stromversorger, die Bayernwerke, hatten aber die Einspeisezusage auf 3,5 Megawatt begrenzt. Nach dem zusätzlichen Bau eines Blockkraftwerks wurde die neue Grenze bei mehr als fünf Megawatt gezogen. Damit könnte der Stromverbrauch von 7000 Vier-Personen-Haushalten gedeckt und vor allem viel Geld eingenommen werden - wenn das ORC-Kraftwerk stabil und zuverlässig bleibt.

"Wenn alles gut läuft, kommen jährlich circa zwei Millionen zusammen."

Anders als das Unterhachinger Kalina-Kraftwerk, von Siemens für 16 Millionen Euro gebaut und mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht. Heute ist nicht mehr von einer "sprudelnden Einnahmequelle" die Rede. Das Kraftwerk litt von Anbeginn unter Kinderkrankheiten, ein ums andere Mal musste es vom Netz genommen werden, im Jahr 2014 sogar für vier Monate, nachdem der Ammoniak-Auffangbehälter implodiert war. Zumeist aber wurde der Betrieb unterbrochen, weil Dichtungen des Wärmetauschers nicht hielten und Ammoniak austrat. Dieses Mal habe man Probleme an zwei bis drei Stellen festgestellt, die zur Abschaltung geführt hätten, berichtet Geisinger. Seither liefen intensive Gespräche zwischen beiden Verbundpartnern über das weitere Vorgehen. "Es liegt im Wesentlichen an Grünwald, wie es weitergeht. Grünwald hat das Sagen." Die Frage sei, was technisch möglich ist, und was es kosten würde, das Kraftwerk zu reparieren. Die Möglichkeit, das Unterhachinger Wasser in Grünwald zu verstromen, wäre eine Option, bestätigt der Erdwärme-Geschäftsführer Andreas Lederle.

Die häufigen Ausfälle waren es unter anderem, die den Finanzierungsplan der Geothermie GmbH & Co KG über den Haufen warfen. Bekanntlich rettete sich Unterhaching vor vier Jahren durch einen Deal mit der Erdwärme Grünwald vor finanziellem Ungemach. Zum Preis von 23,5 Millionen Euro erhielt die EWG die Hälfte der Geothermie Unterhaching Produktions GmbH, zu der alle technischen Anlagen zählen, die der Stromproduktion dienen. Seitdem kassiert die EWG von den Einnahmen durch die Einspeisung des erzeugten Stroms ins Netz die Hälfte - theoretisch. Nach dem Energieeinspeisegesetz werden pro eingespeister Kilowattstunde 16 Cent vergütet. "Wenn alles läuft, kommen jährlich circa zwei Millionen Euro zusammen", sagt Geisinger. Aber es lief nicht alles bei der Stromproduktion, während die Fernwärmeversorgung nach wie vor zuverlässig funktioniert.

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