Energiesparen:Klimaschutzmanager soll Siedlung sanieren

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Eine bessere Wärmedämmung oder neue Haustechnik können den Energieverbrauch von Privathäusern senken. (Foto: Robert Haas)

Die Gemeinde Haar verstärkt ihre Anstrengungen zur Senkung des Energieverbrauchs

Von Bernhard Lohr, Haar

Das Thermometer zeigt kurz vor 20 Uhr noch 21 Grad an. Durch das offene Fenster dringt das Zirpen einer Grille, als wäre es ein Sommerabend in der Ferienwohnung auf Kreta. Tatsächlich tagt im kleinen Sitzungssaal unterm Dach des Rathauses der Hauptausschuss des Haarer Gemeinderats. Uwe Dankert von der Udeee-Consulting GmbH hat soeben seinen Vortrag über das aktualisiertes Klimaschutzkonzept der Gemeinde mit dem Satz beendet "Wir haben keinen Planeten B". Und wie so oft in jüngster Zeit beschleicht einen die Frage, ob die Folgen des Klimawandels bereits unmittelbar zu spüren sind.

Die Atmosphäre passt an diesem schwülwarmen Abend, an dem sich noch ein Gewitter entladen wird, zum Thema. Die Gemeinde Haar hat sich 2009 erstmals ein Klimaschutzkonzept gegeben und 41 Maßnahmen festgeschrieben, mit denen auf kommunaler Ebene einer Erderwärmung entgegengewirkt werden sollte. 24 Punkte wurden komplett oder teilweise umgesetzt. So ließ die Gemeinde als Leuchtturmprojekt die Kindertagesstätte an der Dianastraße als Passivhaus errichten. Doch weil vieles auch auf der Strecke blieb, empfahl der Hauptausschuss nun bei einer Gegenstimme von Andreas Rieder (CSU), befristet auf drei Jahre einen Klimaschutzmanager anzustellen. Er soll ein Quartierskonzept für die Tannenhofsiedlung erarbeiten und umsetzen, um Klimaschutz-Aktivitäten im Wohnbereich anzuschieben.

Die Energiebilanz, die Dankert vorgestellt hat, ist trotz aller Bemühungen durchwachsen. Auf der Habenseite steht, dass Haar seit 2010 den Stromverbrauch bei der Straßenbeleuchtung trotz einer Zunahme an Lampen durch den Einsatz von LED-Leuchten um 18 Prozent gesenkt hat. Die Gemeindewerke verkaufen mittlerweile Ökostrom aus Wasserkraft. Aber schon beim Blick auf das in Eglfing laufende Blockheizkraftwerk, das größere Gebiete mit Wärme versorgt, wird das Bild unklar. Dankert zufolge setzt der Betreiber nur Biogas ein, wenn es lukrative Zuschüsse gibt. Windkraft-Pläne wurden, wie Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte, durch die 10-H-Abstandsregel zunichte gemacht, was nur teilweise dadurch kompensiert wird, dass sich die Gemeindewerke 2014 an einer Windkraftanlage im Landkreis Hof beteiligten. Das Geothermieprojekt in Vaterstetten, Zorneding und Grasbrunn zerschlug sich wegen hoher Kosten und damit die Hoffnung, in Haar davon mit CO₂-freier Energieversorgung profitieren zu können. Die Stromgewinnung aus Sonne ist in Haar trotz einer Freiflächen-Photovoltaikanlage in Salmdorf nicht sonderlich bedeutend. 188 Anlagen gibt es, bei etwa 3000 Dächern. Da gebe es wie beim Stromsparen großes Potenzial, fand Dankert, der eingestand, dass es schwierig sei, Privathaushalte für Klimaschutzprojekte zu gewinnen.

Jetzt möchte die Gemeinde im Wohnbereich mit einer Art Kampagne anschieben. Die Bewohner im Tannenhofviertel am östlichen Ortsrand sollen direkter angesprochen und informiert werden, damit diese bei Wärmedämmung oder Haustechnik nachbessern oder sich gar für den Anschluss an ein Nahwärmenetz erwärmen lassen. Es könnte eigene Versammlungen geben, in denen über Fördermöglichkeiten und direkte Unterstützung gesprochen wird. So könnte die Gemeinde helfen, mit Thermografie-Geräten zu ermitteln, wo an Gebäuden Wärmeverluste auftreten. Allgemeine Appelle hätten sich als unwirksam erwiesen, sagte Bürgermeisterin Müller. Während Andreas Rieder fand, die Gemeinde tue genug, warb sie für das Quartierskonzept samt Klimaschutzmanager. "Das ist eine ganz andere Art, an Hausbesitzer heranzugehen."

Dass es nun die Bewohner der aus den Sechzigerjahren stammenden Tannenhofsiedlung trifft, haben sie Dankert zu verdanken, der sich auch die Physikersiedlung an der Grenze zu Trudering auf eine Eignung hin angeschaut hat, die Musikersiedlung und das Quartier um die Ludwig-Thoma-Straße. Er hat die Bausubstanz inspiziert und sich auch sonst ein Bild gemacht, um einen Sanierungsbedarf und bei den Bewohnern eine Sanierungsbereitschaft einschätzen zu können. In der Tannenhofsiedlung gibt es außer Gasanschlüssen demnach mit 47 Prozent Anteil relativ viele Ölheizungen. Eine Rolle habe die Altersstruktur gespielt, sagte Dankert, weil ab einem gewissen Alter der Wille sinke, etwas am Eigenheim zu ändern. Auch sprechen für die Tannenhofsiedlung die übertragbaren Wohnverhältnisse. Das heißt: Wenn einer mitmacht bei einer Dämmaktion, oder bei einer Heizungsumstellung, dann zieht der Nachbar vielleicht mit.

Die Stelle des Klimaschutzmanagers fördert zu 65 Prozent das Bundesumweltministerium. Die verbleibenden Kosten für die Gemeinde belaufen sich auf etwa 25 000 Euro im Jahr. Die Entscheidung, ob Haar sich das leistet, fällt der Gemeinderat an diesem Dienstag.

© SZ vom 25.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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