Energie:Unterföhring sagt "guten Gewissens" Nein zu Gaskraftwerk

Energie: Nach den Vorgaben des Münchner Bürgerentscheids vom November 2017 muss das Kohlekraftwerk im Heizkraftwerk Nord bis Ende 2022 vom Netz genommen werden.

Nach den Vorgaben des Münchner Bürgerentscheids vom November 2017 muss das Kohlekraftwerk im Heizkraftwerk Nord bis Ende 2022 vom Netz genommen werden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die von den Stadtwerken gewünschte Turbine würde die Steinkohleverbrennung keineswegs ersetzen, sondern wäre die zweite fossile Anlage

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Am Ende war das Votum klar und deutlich: Unterföhring sagt Nein zu Errichtung einer Gas- und Dampfturbinenanlage neben dem Heizkraftwerk München Nord, das auf Gemeindeflur liegt. Die Stadtwerke München (SWM) hatten die Genehmigung einer solchen Anlage beantragt, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen kann und den Kohleblock ersetzen könnte, der nach den Vorgaben des Münchner Bürgerentscheids vom November 2017 bis Ende 2022 abgeschaltet werden muss.

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Donnerstagabend einstimmig gegen ein solches neues Kraftwerk votiert. Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft, PWU) und alle Fraktionen im Gremium lehnen eine weitere Negativeinrichtung auf Ortsgebiet ab.

Die Kommunalpolitiker in der Stadtrandgemeinde zweifeln an, dass die beantragte Gasanlage wirklich als Ersatz für den mit Steinkohle befeuerten Block 2 dienen wird. Schließlich ist nach wie vor unklar, ob die Bundesnetzagentur die Stilllegung der Kohleverbrennung im auf Unterföhringer Flur liegenden Heizkraftwerk überhaupt genehmigt. Da die großen Stromautobahnen für den Transport umweltfreundlicher Energie nach Süddeutschland noch nicht verfügbar sind, könnte die Behörde erst einmal untersagen, den Kohleblock im Kraftwerk Nord abzuschalten, er könnte daher womöglich bis Ende 2029 laufen.

Keinerlei Vorteile für die Gemeinde

Das Gaskraftwerk soll auch gar nicht anstelle des Blocks 2 gebaut werden, sondern daneben. Das fragliche Gelände liegt allerdings außerhalb des geltenden Bebauungsplanes, die Gemeinde Unterföhring hätte also auf Antrag der Stadtwerke ein neues Bauleitverfahren einleiten müssen.

Vor der Abstimmung hatte Helmut Paschlau, vom Münchner Stadtrat gewählter Vertreter in der Energiekommission der Landeshauptstadt, dem Gemeinderat ausführlich dargelegt, was auf die Kommune zukommen könnte, würde man dem Antrag des städtischen Energie-Versorgers zustimmen: Die Gemeinde müsste dann auf mindestens 30 Jahre - wenn nicht länger - mit einem Gaskraftwerk leben. Paschlau riet dem Gemeinderat klar von einer Genehmigung des Gas- und Dampfturbinenanlage ab: Das neue Kraftwerk hätte keinerlei Vorteile für die Unterföhringer, sagte Paschlau in der Sitzung.

Ganz im Gegenteil: Die Kommune müsste sich darauf einstellen "auf sehr lange Zeit ein neues Groß-Kraftwerk mit all seinen Belastungen" zu haben, warnte Paschlau. Selbst wenn sich der CO₂-Ausstoß eines Gaskraftwerks gegenüber der Emissionen des Kohleblocks halbieren würde, hätte Unterföhring nichts gewonnen. Angesichts der jahrzehntelangen Laufzeit der Anlage seien die Einsparungen obsolet, sagte Paschlau.

Bürgermeister Kemmelmeyer räumte ein, dass er bis vor Kurzem durchaus ein Freund eines Gaskraftwerks gewesen sei. Die Aussagen von Paschlau hätten ihn nun eines Besseren belehrt. Unterföhring hätte keinerlei Vorteile davon. PWU-Fraktionssprecher Manuel Prieler betonte, dass der amtierende Gemeinderat die Verantwortung habe, nachfolgende Generationen vor einem neuen Kraftwerk zu verschonen.

"Umweltpolitisch nicht tragbar."

Und: Die Kommune müsse ausbaden, dass Stadtwerke München und Freistaat Bayern es nicht rechtzeitig hinbekommen hätten, die Versorgung der Bevölkerung über regenerative Energien sicherzustellen. Zweite Bürgermeisterin Betina Mäusel (CSU) lehnte für ihre Fraktion eine Genehmigung des Antrags ebenfalls rundweg ab: "Dann hätten wir ja zwei Kraftwerke auf Gemeindegrund."

Johannes Mecke von den Grünen, der auch Sprecher im örtlichen Aktionsbündnis "Raus aus der Steinkohle im HKW Nord" ist, nannte das Projekt der Stadtwerke München "umweltpolitisch nicht tragbar". Mit einer Genehmigung würde man jahrzehntelang wieder auf fossile Brennstoffe setzen. SPD-Gemeinderat Andreas Post sagte, Unterföhring könne "guten Gewissens" Nein sagen zu einem Gaskraftwerk, ohne den großen Nachbarn versorgungstechnisch in eine Notlage zu bringen. Er jedenfalls könne nur rein wirtschaftliche Interessen hinter dem Vorhaben erkennen.

Das Aktionsbündnis hat die Entscheidung des Gemeinderats am Freitag ausdrücklich begrüßt. Ein neues Gasgroßkraftwerk der SWM in der angestrebten Dimension mit Laufzeiten von bis zu 40 Jahren in Unterföhring sei unnötig und der falsche Weg, hieß es.

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