Es herrscht Flaute bei der Windenergie, zumindest in Bayern. Das liegt nicht nur daran, dass die Brisen im Freistaat ohnehin nicht übermäßig ergiebig sind, sondern vor allem an dem niedrigen Einspeisungsverdienst und den rigiden Regelungen der bayerischen Staatsregierung, die das Zehnfache der Höhe als Mindestabstand zum nächsten Wohnhaus vorsehen.
Ein Ingenieur aus Unterschleißheim hat mit seiner Firma jetzt ein Mini-Windrad entwickelt, das sich jeder auf das eigene Hausdach stellen kann, leise, vibrationsarm, sturmsicher - und genehmigungsfrei. Das Besondere: Es handelt sich um ein vertikales Windrad, eine zwei Meter hohe Röhre, die ein wenig an einen lang gestreckten Zylinderhut erinnert.
Papenburgs Windturbine heißt "Wind of Change"
Eigentlich kommt Ulrich Papenburg (51) aus der Luft- und Raumfahrttechnik, er hat im Extrem-Leichtbau Werkstoffe entwickelt, für Satelliten oder keramische Bremsscheiben. In seiner Freizeit begann er vor vier Jahren gemeinsam mit Maschinenbauern, Strömungsmechanikern, Elektrotechnikern und Architekten, eine vertikale Windturbine aus Carbon zu entwickeln.
Nachdem der Prototyp fertig war, hat er mit seinem Team im vergangenen Herbst eine Firma gegründet, Techcarbon. Zwei Anlagen arbeiten bereits, eine davon steht auf seinem Hausdach in Unterschleißheim. Es handelt sich um eine Helix-Windturbine mit dem klingenden Namen "Wind of Change", und einem Durchmesser von 1,5 Metern. Der geschwungenen Form des Zylinderhuts dient die Natur als Vorbild, sie entspricht den menschlichen DNA-Strukturen. Dank der Kohlenstoff-Verbundwerkstoffe wiegt die komplette Anlage gerade mal 98 Kilogramm, trotzt aber sogar Orkan-Windgeschwindigkeiten, sagt der Konstrukteur. Der Kostenpunkt: ungefähr 8400 Euro.
Die Anlage ist wartungsfrei und soll quasi geräuschlos laufen
Im Jahr 1927 hat der finnische Schiffsbauingenieur Savonius erstmals eine vertikale Windturbine gebaut. Diese haben sich Papenburg und sein Team zum Vorbild genommen. 28 Prozent mehr Energieausbeute gegenüber üblichen Rotoren versprechen die Entwickler, weil die vier strömungsoptimierten Schaufeln immer im Wind stehen und neben dem widerstandsbedingten Vortrieb auch noch den aerodynamischen Auftrieb nutzen.
Trotzdem sei die Anlage absolut geräuscharm, versichert Papenburg, "sie steht genau über meinem Schlafzimmer, ich höre und fühle nichts, weil sie vibrationsfrei ist". Weitere Vorteile: Der ultra-leichte Carbon-Verbundstoff ist witterungsbeständig, wartungsfrei, habe eine garantierte Lebensdauer von mindestens 20 Jahren und verfüge über eine Leistungselektronik, die das Optimum zwischen erzeugtem Windstrom, Drehmoment und Einspeisung herausholt. Seit Ende Juli steht der Windrad-Turm auf dem Dach von Papenburgs Haus, alles in allem zehn Meter hoch. "Es funktioniert tadellos", schwärmt er.
600 bis 700 Euro Stromkosten im Jahr will der Erfinder sparen
20 bis 30 Prozent seines eigenen Stroms produziert er seither, je nachdem, wie stark der Wind weht. Auf das Jahr gerechnet geht er an einem guten Standort von einer Energieausbeute im Bereich von 1800 bis 2100 Kilowattstunden aus, das wären gesparte Stromkosten von 600 bis 700 Euro, rechnet er vor. Den Strom speist er in das eigene Hausnetz ein, weil das im Moment am günstigsten ist. 28 Cent pro Kilowattstunde zahlt er seinem Netzbetreiber, das kann er sich sparen, wenn er selbst erzeugt.
Die Einspeisevergütung sei jedenfalls uninteressant, sie liege derzeit bei neun Cent pro Kilowattstunde. Dabei sei saubere Energie eines der fundamentalen Grundbedürfnisse der Neuzeit, betont Papenburg. Vertikale Kleinwindenergieanlagen könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten in bebauter Umgebung, weil sie geräuscharm sind und ganzjährig Strom für den Eigenenergiebedarf liefern, beispielsweise auch in abgelegenen Ferienhäusern.
Die entwickelte Turbine eignet sich auch optimal für hybride Energielösungen in Verbindung mit Photovoltaik und anderen Energiequellen bis hin zur autarken Stromversorgung. "Bislang spielt die Kleinwindkraft in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle, da gibt es noch große Ausbaupotenziale", davon ist Papenburg überzeugt.
Die Zylinder-Turbine gibt es in allen Farben
Einer der Vorteile der verbrauchernahen Energieerzeugung durch Kleinwindkraft liege in der Verminderung übertragungsbedingter Leitungsverluste. Dezentrale Lösungen bedeuteten kurze Transportwege und unter Umständen könne damit der Ausbaubedarf von Netzkapazitäten verringert werden.
Im Gegensatz zu den Windrädern, die regelmäßig für Proteste sorgen, scheint der Zylinderhut auch bei Anwohnern gut anzukommen. Papenburg hat mit seinen Nachbarn jedenfalls keine Probleme, im Gegenteil. Als die Anlage am 28. Juli fertig installiert war, kamen viele zum Schauen und waren durchweg begeistert. Seine eigene Turbine hat er in schwarzem Sichtcarbon gehalten, möglich seien aber alle Farben und Designwünsche. Eine Nachbarin, erzählt Papenburg, habe schon Interesse bekundet, "sie hätte ihre aber gerne in Rot."