Viermal war die Männermannschaft des EHC Red Bull München seit dem Einstieg des Konzerns deutscher Eishockey-Meister. Im Herbst zieht das Team in seine neue Heimstätte, den mindestens 150 Millionen Euro teuren SAP-Garden im Olympiapark. Da könnte man beim ESC Planegg neidisch werden. Sportlich hat der Würmtal-Klub zwar acht Meistertitel vorzuweisen, sieben Mal wurde er Vizemeister, viermal Pokalsieger und einmal gewann er die internationale Elite Hockey League - das alles allerdings bei den Frauen.
Und obwohl die Planeggerinnen im Gegensatz zum EHC keinen Garden haben, auch keine Halle, und noch nicht mal eine Eisfläche, um dort zu trainieren. Weil die daraus resultierenden logistischen Herausforderungen immer weniger zu bewältigen sind, wird sich der Frauen-Rekordmeister nun aus der Bundesliga zurückziehen und für die kommende Saison keine Lizenz mehr beantragen. Generell werden alle sportlichen Aktivitäten zumindest vorerst eingestellt.
Präsident Kevin Wüst fällt es nicht leicht, die Situation zu beschreiben, hatte doch sein Vater Klaus, mittlerweile 81, den Verein Anfang der Neunzigerjahre gegründet. "Klar ist das keine einfache Entscheidung. Es macht auch mich wehmütig, denn man kann ja getrost sagen, dass hier eine 30 Jahre andauernde Ära zu Ende geht", sagt Kevin Wüst. Damals hatte man schon das Problem, dass es in Planegg keine Eissporthalle gibt, weshalb der ESC zu Beginn mit dem ERSC Ottobrunn kooperierte und im dortigen Stadion am Haidgraben trainieren und spielen konnte. Nach dem Gewinn der bayerischen Meisterschaft 1994 und dem Aufstieg in die Frauen-Bundesliga setzte die erste Mannschaft der Planegger den Weg alleine fort. Und schwang sich innerhalb weniger Jahre zum dominierenden Frauen-Team in Deutschland auf.
"Unser Verein hat damals erkannt, dass Frauen-Eishockey Potenzial hat. Deshalb haben wir den Spielerinnen eine Plattform gegeben. Damit haben wir Pionierarbeit geleistet", sagt Kevin Wüst. Davor hatten die Frauen mit Männern in gemeinsamen Mannschaften gespielt, dabei aber oft das Problem, dass sie irgendwann keine tragenden Rollen mehr in ihren Teams spielten, weil die vorderen Sturmreihen mit körperlich stärkeren Männern besetzt wurden. Genau das wollten Klaus Wüst und sein Mitstreiter, der langjährige ESC-Trainer und spätere Sportliche Leiter Michael Lehmann, unbedingt verändern. "Wir haben es trotz unserer schwierigen Bedingungen immer geschafft, unseren Spielerinnen ein gutes sportliches Umfeld zur persönlichen Weiterentwicklung zu ermöglichen. Dies hat über die Jahre aber auch sehr viel Kraft und Zeit beansprucht", sagt Lehmann.
Das Konzept ging auch deshalb auf, weil man Partnerschaften mit den umliegenden Eishockeyklubs schloss, so trainierten die Planeggerinnen lange Zeit in Bad Tölz und trugen ihre Spiele im Stadion des EHC Klostersee in Grafing aus. Später mietete man sich dann beim TEV Miesbach ein. Im örtlichen Unternehmer Dirk Haberkampf gab es zudem einen unermüdlichen Unterstützer, der finanziell in die Bresche sprang. Doch die Anforderungen im strukturellen Bereich stiegen über die Jahre: Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB), aber auch die Liga präsentierten sich immer professioneller, ebenso wurde das Niveau der Spielerinnen immer höher. Als Verein ohne Sportstätte, ohne Vereinsheim, ja sogar ohne eigene Geschäftsstelle erschien es eine Frage der Zeit, wann der ESC Planegg die Segel würde streichen müssen.
Sponsoren konnten in den fremden Hallen nicht einmal ihre Werbung aufhängen
Dann kam die Corona-Pandemie, die just nach dem ersten Meisterschafts-Finalspiel der Saison 2019/20 gegen Memmingen, das Planegg mit 4:2 gewonnen hatte, voll durchschlug. Die weiteren Partien wurden abgesagt, es gab keinen offiziellen Champion. Ehrenamtliche wanderten ab, und es machte sich immer mehr bemerkbar, dass die fehlende Basis für den Verein ein enormes Handicap war: "Man kann halt einen lokalen Sponsor nicht einfach mal zu einem Spiel einladen, wenn der dafür in eine andere Stadt fahren muss und mit An- und Abreise den halben Tag unterwegs ist", sagt Kevin Wüst. "Und wenn er dann doch mal in das fremde Stadion mitkommt, muss man ihm erklären, dass man hier keine Werbung von ihm aufhängen darf." Gleiches habe für die lokale Politik gegolten, auch hier war die räumliche Distanz ein Problem. Dennoch sei man von der Gemeinde Planegg stets unterstützt worden, betont Kevin Wüst.
"Wir hatten auch nie feste Kabinen, etwa um die Ausrüstungen unterzubringen. Alles wurde immer im Bus hin- und hertransportiert und zwischenzeitlich auch dort gelagert." 2021 gab es den achten und letzten Meistertitel für den ESC, seither wanderten einige Leistungsträgerinnen ab, so unterschrieb Franziska Feldmeier einen Profivertrag in Schweden, Ronja Jenike ist mittlerweile Assistenztrainerin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Apropos DEB-Auswahl: Der ESC Planegg brachte insgesamt 63 Nationalspielerinnen hervor und legte den Grundstein dafür, dass die deutsche Auswahl längst nicht mehr zweitklassig ist. Erst im April belegte Deutschland bei der WM in den USA Rang sechs.
Was bleibt, ist Zufriedenheit, wie Kevin Wüst betont: "Wir sind stolz darauf, die Gemeinde Planegg national und international sehr würdig vertreten zu haben und dass wir mit unseren Erfolgen dafür sorgen konnten, dass der Name Planegg in den Geschichtsbüchern steht." Es sei eine "professionelle Entscheidung von uns allen", jetzt die Reißleine zu ziehen. "Der Verein steht finanziell ausgeglichen da, nicht pleite, aber auch nicht reich." Man werde den ESC nicht abmelden: "Der Club besteht weiter, das Präsidium bleibt im Amt, nur wird halt bis auf Weiteres kein Bundesliga-Eishockey mehr gespielt." Was dann die Zukunft irgendwann bringe, werde sich zeigen.