Süddeutsche Zeitung

Einheimischenbauland:EU zwingt Baierbrunn zur Öffnung

Um niemanden zu benachteiligen, ändert der Gemeinderat als einer der ersten die Richtlinien für bezahlbaren Wohnraum.

Von Gregor Bauernfeind

Künftig könnten sich beispielsweise auch Letten für das Einheimischenmodell in Baierbrunn bewerben. Der Gemeinderat hat die Richtlinien für die Vergabe von vergünstigten Eigentumswohnungen an Einheimische geändert, um damit Richtlinien der Europäischen Kommission zu erfüllen. Für die Wohnungen bewerben können sich demnach nicht mehr nur eingesessene Baierbrunner, sondern alle EU-Bürger. Die Vergabe richtet sich nun nach sozialen Kriterien wie Einkommen, Kindern und Pflegebedürftigkeit. Ortsansässigkeit dagegen ist nicht mehr Voraussetzung, aber weiterhin ein Bonus. Das "Einheimischenmodell" war erst im Dezember 2016 eingeführt worden, um den Bedarf der ortsansässigen Bevölkerung nach bezahlbarem Wohnraum zu decken.

"Wir wollen Menschen, die hier verwurzelt sind, ermöglichen hierzubleiben. Auch denen, die sich über den normalen Markt keine Wohnung leisten können", fasste Bürgermeisterin Barbara Angermaier (Baierbrunner Interessengemeinschaft) die Intention des Einheimischenmodells zusammen. In der ursprünglichen Fassung konnte sich für die vergünstigten Eigentumswohnungen nur bewerben, wer mindestens fünf Jahre in Baierbrunn gelebt oder mindestens zwölf Jahre dort gearbeitet hat.

Dem steht jedoch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2013 entgegen, das besagt, bei Vergabe von Bauland dürfe kein EU-Bürger benachteiligt werden. Nach Verhandlungen mit der Europäischen Kommission hat der Bayerische Gemeindetag vergangene Woche den Kommunen geraten, ihre Vergaberichtlinien entsprechend anzupassen. Als eine der ersten Gemeinden tut Baierbrunn dies: Nun kann sich jeder EU-Bürger bewerben. Die Vergabe wird in einem Punktesystem ermittelt und richtet sich nach sozialen Kriterien.

So entspricht ein Jahreseinkommen von unter 70 000 Euro zehn Punkten, je Kind, behinderter oder pflegebedürftiger Person gibt es bis zu 15 Punkte. In Baierbrunn zu wohnen ist aber weiterhin ein Vorteil. Für jedes Jahr, in dem Antragsteller dort leben, gibt es fünf Punkte, für jedes dort gearbeitete Jahr drei. Maximal 25 Punkte "Bonus" können Käufer sammeln.

"Wir wollen jetzt vor allem Rechtssicherheit."

Bei zwei Bewerbern in ähnlichen Verhältnissen würde also immer eine einheimische Familie bevorzugt. Die Vorgabe, auch Nichtortsansässigen eine Chance zu geben, sehen die Gemeinderäte trotzdem als erfüllt an. Die tatsächlichen Auswirkungen schätzten die Lokalpolitiker dagegen als eher gering ein und beschlossen die neuen Kriterien einstimmig. "Wir wollen jetzt vor allem Rechtssicherheit", sagte Barbara Angermaier. Neue Chancen können sich jedoch für interessierte Baierbrunner eröffnen, die noch keine fünf Jahre dort leben und bisher von der Vergabe ausgeschlossen waren.

Von der Änderung betroffen ist derzeit das Bauprojekt "Beim Schweigerweg". Dort entstehen acht Wohnungen, die zu einem vergünstigten Quadratmeterpreis von 4000 Euro angeboten werden. Die Resonanz sei sehr gut, sagte Angermaier. Es habe schon viele Anfragen gegeben. Interessierte können sich nach den neuen Richtlinien bewerben, die Unterlagen sollen noch diese Woche auf die Homepage der Gemeinde gestellt werden. Nicht betroffen von der Änderung des Einheimischenmodells ist das Vorvertriebsrecht der Gemeinde. Die neu gebauten Doppel- und Reihenhäuser am Schweigerweg sind für Baierbrunner zwar nicht preisreduziert, aber vier Wochen lang für einheimische Bewerber reserviert.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3390965
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.02.2017/hilb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.